RS Vfgh 1998/6/19 G275/96

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Veröffentlicht am 19.06.1998
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Index

34 Monopole
34/01 Monopole

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Allg
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
EMRK 7. ZP Art4
EMRK Art64
VStG §22
VStG §30
GlücksspielG §52
VfGG §62 Abs1
StGB §168

Leitsatz

Teilweise Unzulässigkeit von Gesetzesprüfungsanträgen wegen bereits rechtskräftig entschiedener Sache bzw mangels Darlegung der Bedenken im einzelnen; kein Verstoß einer Strafbestimmung im Glücksspielgesetz gegen das Doppelbestrafungsverbot der Menschenrechtskonvention; Annahme einer Scheinkonkurrenz aufgrund des Gebots verfassungskonformer Auslegung geboten

Rechtssatz

Denkmögliche Annahme der Präjudizialität von §22 und §30 VStG.

Zurückweisung der Anträge auf Aufhebung von Teilen des §22 und §30 VStG wegen Rechtskraft des Vorerkenntnisses VfSlg. 14696/1996.

Zurückweisung von Eventualanträgen mangels Darlegung der Bedenken im einzelnen.

Der Eventualantrag, die Worte "betreibt (Veranstalter) oder" in §52 Abs1 Z5 GlücksspielG, BGBl. Nr. 620/1989 idF BGBl. Nr. 344/1991, aufzuheben, wird abgewiesen.

Die Republik Österreich hat zwar die als Vorbehalt gemäß Art64 EMRK zu verstehende "Erklärung" abgegeben, daß sich Art4 "nur auf Strafverfahren im Sinne der österreichischen Strafprozeßordnung" bezieht. Diese "Erklärung" entspricht nicht den Anforderungen des Art64 Abs2 EMRK (siehe hiezu VfSlg. 14696/1996 und E v 11.03.98, G262/97 ua).

Es sind Fallkonstellationen denkbar, die zwar unter die Strafdrohung des §52 Abs1 Z5 erster Fall GlücksspielG, nicht aber unter die Strafdrohung des §168 Abs1 erster Fall (und auch zweiter Fall) StGB fallen.

Dennoch ist freilich nicht ausgeschlossen (sondern wird vielmehr die Regel sein), daß eine (an sich) unter die Strafdrohung des §52 Abs1 Z5 erster Fall GlücksspielG fallende Handlung in Tateinheit mit einer unter die Strafdrohung des §168 Abs1 erster oder zweiter Fall StGB fallenden Handlung begangen wird.

Weder aus dem Wortlaut des §52 GlücksspielG noch aus dem Wortlaut der übrigen Bestimmungen des GlücksspielG ergibt sich, daß bei der Ahndung der Delikte gemäß §52 GlücksspielG die Annahme einer Scheinkonkurrenz nicht zulässig wäre; diese ist vielmehr gegebenenfalls aus dem Erfordernis, eine Gesetzesbestimmung einer - soweit möglich - verfassungskonformen Auslegung zuzuführen, geboten.

Ist aber eine verfassungskonforme Auslegung möglich, dann ist diese vorzunehmen, selbst dann, wenn in den Materialien der Gesetzwerdung entgegenstehende Aussagen enthalten sind (vgl. VfSlg. 10066/1984, 11576/1987).

§52 Abs1 Z5 erster Fall GlücksspielG ist daher - für den Fall einer drohenden Doppelbestrafung - einer verfassungskonformen, das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art4 Abs1 des 7. ZP EMRK berücksichtigenden Interpretation zugänglich. Die Bestrafung nach §168 Abs1 erster oder auch zweiter Fall StGB schließt die Bestrafung wegen desselben Verhaltens (im Sinne eines weitgehend identen Sachverhaltes im Lichte der angewendeten bzw. in Betracht kommenden materiellen Strafbestimmungen) nach §52 Abs1 Z5 erster Fall GlücksspielG aus.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Verwaltungsstrafrecht, Zusammentreffen strafbarer Handlungen, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Sachentscheidung Wirkung, Strafe, Konkurrenz, Kumulationsprinzip, Auslegung verfassungskonforme, Glücksspiel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:G275.1996

Dokumentnummer

JFR_10019381_96G00275_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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