RS Vfgh 1998/12/16 G137/98, G138/98, G139/98, G140/98, G141/98, G142/98, G143/98, G144/98, G145/98,

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Veröffentlicht am 16.12.1998
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Index

32 Steuerrecht
32/06 Verkehrsteuern

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
GrEStG 1955 §1 Abs1 Z4, Z5
GrEStG 1955 §4 Abs1 Z7

Leitsatz

Gleichheitsverletzung der Beschränkung der Grunderwerbsteuerbefreiungfür bestimmte Gebäude wie zB öffentliche Kindergärten, Schulen, Heil-und Pflegeanstalten und Altersheime auf deren Errichtung durchGebietskörperschaften; Präjudizialität sowohl der Ausnahmeregelungals auch des Grundtatbestandes; kein Eingehen auf andereAusnahmetatbestände mangels Darlegung solcher Bedenken imPrüfungsbeschluß

Rechtssatz

Präjudizialität der Befreiungsbestimmung des §4 Abs1 Z7 GrEStG 1955 sowie der Steuertatbestände des §1 Abs1 Z4 und Z5 GrEStG 1955.

Zu setzen ist ein Fall, in welchem die Gebietskörperschaft ein Grundstück erwirbt, auf dem ein verfügungsbefugter Initiator, der ihr die Möglichkeit zum Kaufabschluß verschafft, ein Gebäude errichtet hat, das einen öffentlichen Kindergarten beherbergen soll (Bauherrnmodell). Hier läßt sich nun zwar sagen, daß der Kindergarten nicht von der Gebietskörperschaft errichtet wurde (§4 Abs1 Z7 lita) - denn errichtet hat ihn der Initiator -, und das Grundstück auch nicht zu diesem Zweck weiterverwendet wird (litc) - denn es hat diesem Zweck bisher noch nicht gedient -, es ist aber offenkundig, daß dieser Vorgang vom Zweck der Befreiungsbestimmung ebenso erfaßt sein muß wie die anderen beiden Fälle, und ein Gesetz, das nur den Erwerb zwecks Errichtung (durch die Gebietskörperschaft) und zwecks Weiterverwendung begünstigen würde, nicht aber den Erwerb zwecks (erstmaliger) Verwendung des errichteten Gebäudes, ohne jeglichen sachlichen Grund differenzieren würde (sodaß der Fall ähnlich liegt wie der in VfSlg 10720/1985 entschiedene). Daß das Gesetz nach seinem bloßen Wortlaut diesen ungewöhnlichen Fall nicht erfaßt, erklärt sich aus dem Umstand, daß es mit einem Erwerb solcher Rechte durch Gebietskörperschaften, die ohnedies das bebaute wie unbebaute Grundstück steuerfrei erwerben können, nicht zu rechnen hatte.

Die Verfassungswidrigkeit der Befreiungsbestimmung schlägt solcherart auf die Ersatztatbestände der Z4 und Z5 ebenso durch wie sie auf die Grundtatbestände der Z1 (Kaufvertrag) und Z2 (Eigentumserwerb) durchgeschlagen hatte.

Ist die Regel aber zusammen mit der Ausnahme zu lesen, so ist nach der nunmehr maßgebenden Rechtsprechung (VfSlg 14805/1997) - insoweit anders, als noch in dem das Erkenntnis VfSlg 11190/1986 einleitenden Beschluß angenommen wurde (der nur die im Anlaßfall in Betracht zu ziehende Ausnahme mit in Prüfung gezogen hatte) - die Regel mit den bedenklichen Ausnahmen präjudiziell und von den gegen beide bestehenden Bedenken erfaßt.

Die Wortfolge "öffentlichen Kindergärten, öffentlichen Schulen, öffentlichen Heil- und Pflegeanstalten, öffentlichen Altersheimen sowie von Krematorien," in §4 Abs1 Z7 lita GrEStG 1955, BGBl 140 idF BGBl 587/1982, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

§1 Abs1 Z4 und Z5, der verbleibende Teil des §4 Abs1 Z7 lita und die Worte "lit. a und" in Z7 litc werden nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

Zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit genügt die Aufhebung der bedenklichen Wortfolge in §4 Abs1 Z7 lita GrEStG.

Es ist nichts hervorgekommen, was den Verfassungsgerichtshof veranlassen könnte, von dem in VfSlg 11290/1987 dargelegten und wiederholt bekräftigten Urteil abzugehen, daß die Beschränkung der Ausnahme für öffentliche Kindergärten, Schulen, Heil- und Pflegeanstalten, Altersheime und Krematorien auf den Fall, daß sie von einer Gebietskörperschaft errichtet, erweitert oder weiterverwendet werden, dem Gleichheitssatz widerspricht.

Der Umstand, daß aber nun die lita der Z7 des §4 Abs1 GrEStG zur Gänze in Prüfung steht, ermöglicht es dem Verfassungsgerichtshof, alle unter dem Blickwinkel des Einleitungsbeschlusses bedenklichen Ausnahmen aufzuheben und damit die Verfassungswidrigkeit zu beseitigen und nicht etwa - wie in VfSlg 11190/1986 zu befürchten war - (durch unterschiedliche Behandlung von Heil- und Pflegeanstalten und Altersheimen) zu vergrößern.

Kein Eingehen auf Bedenken gegen die Vielzahl von kasuistischen Ausnahmetatbeständen mangels Darlegung solcher Bedenken im Prüfungsbeschluß.

Entscheidungstexte

  • G 137-195/98
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 16.12.1998 G 137-195/98

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, Gesetz Ausnahme - Regel, Grunderwerbsteuer,Steuerbefreiungen, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Verwerfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:G137.1998

Zuletzt aktualisiert am

13.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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