RS Vfgh 1998/12/17 G15/98, V9/98

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Veröffentlicht am 17.12.1998
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Index

L3 Finanzrecht
L3704 Ankündigungsabgabe

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
Wr AnkündigungsabgabeG 1983 §2 Abs5
Wr AnkündigungsabgabeV §2 Abs5
F-VG 1948 §7 Abs5
FAG 1985 §15 Abs3 Z4
FAG 1997 §15 Abs3 Z4

Leitsatz

Keine Gesetzwidrigkeit einer Bestimmung der Wr AnkündigungsabgabeV betreffend die Abgabepflicht für Rundfunkwerbung; verfassungskonforme Auslegung im Sinne einer Abgabepflicht nur hinsichtlich des im Gemeindegebiet entstehenden Reklamewertes möglich; zusätzliche Einschränkung der Abgabepflicht auf - von einem Studio in der Gemeinde ausgehende - Ankündigungen finanzverfassungsrechtlich zulässig; Einstellung des Gesetzesprüfungsverfahrens betreffend Wr AnkündigungsabgabeG 1983 mangels Präjudizialität des Landesgesetzes

Rechtssatz

Einstellung des von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahrens betr §2 Abs5 Wr AnkündigungsabgabeG 1983 mangels Präjudizialität.

Die gesetzliche Grundlage für die in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung besteht ausschließlich im §7 Abs5 F-VG iVm den einschlägigen Bestimmungen des jeweiligen Finanzausgleichsgesetzes, das war zum Zeitpunkt der Erlassung der Wr AnkündigungsabgabeV §15 Abs3 Z4 FAG 1985 und ist nunmehr §15 Abs3 Z4 FAG 1997; diese Verordnung beruht somit nicht auf dem Wr AnkündigungsabgabeG 1983. Vielmehr kommt diesem Landesgesetz gegenüber der einschlägigen Bestimmung des jeweiligen FAG ein bloß subsidiärer Anwendungsbereich in dem Sinne zu, daß die Anwendbarkeit des AnkündigungsabgabeG dann ausgeschlossen ist, wenn im jeweiligen FAG eine inhaltlich entsprechende bundesgesetzliche Ermächtigungsregelung besteht, was seit dem FAG 1985 durchwegs der Fall war und ist.

Der Ausdruck "Ankündigung" im finanzausgleichsrechtlichen Sinn umfaßt auch die - von vornherein als öffentlich zu wertende - Verbreitung von Werbung und ähnlichen Mitteilungen durch den Rundfunk.

Eine abgabenrechtliche Regelung entspricht auch dann dem finanzausgleichsrechtlichen Begriff der "Abgaben von Ankündigungen" (vgl §14 Abs1 Z13 und §15 Abs3 Z4 FAG 1997 und deren Vorgängerbestimmungen), wenn sie zur näheren - und zwar einschränkenden - Festlegung des Gegenstandes der Abgabepflicht darauf abstellt, daß eine Rundfunkwerbesendung von einem im jeweiligen räumlichen Geltungsbereich gelegenen Studio ihren Ausgang nimmt, wenn und insoweit sichergestellt ist, daß die Abgabepflicht nur für solche Rundfunkwerbesendungen in Betracht kommt, die in der Folge auch in diesem Gebiet "verbreitet" werden.

Den Gebietskörperschaften ist durch die bundesstaatliche Verfassung ganz allgemein die Verpflichtung zur wechselseitigen Rücksichtnahme auferlegt. Zuweisungen von Besteuerungsrechten an Länder oder Gemeinden im Rahmen der Finanzverfassung sind stets so zu verstehen, daß die betreffende Gebietskörperschaft bei der Inanspruchnahme der erteilten Ermächtigung, das heißt bei der Formulierung des Steuertatbestandes, einen hinreichenden inhaltlichen Bezug zum räumlichen Geltungsbereich der Abgabe zu wahren hat.

Der Zweck von Ankündigungsabgaben ist die Besteuerung des mit einer Ankündigung erzielbaren Reklamewertes, das ist der Nutzen, den der Ankündigende aus der Ankündigung zieht. Daraus folgt in finanzverfassungsrechtlicher Hinsicht, daß das Besteuerungsrecht der Gemeinde sich bereits vom Steuergegenstand her nur auf den im Erhebungsgebiet entstandenen Reklamewert beziehen darf.

Werden für fremde Ankündigungen, deren Reklamewert sich auch außerhalb des Erhebungsgebietes bildet - und dies ist bei überregionalen Rundfunksendungen zweifellos der Fall - einheitliche Entgelte entrichtet, so bedeutet die dargelegte Rechtsauffassung auf bemessungsrechtlicher Ebene, daß nur jener Teil des Entgeltes der Steuer unterworfen werden darf, der dem im Erhebungsgebiet entstandenen Reklamewert im Verhältnis zum gesamten Reklamewert entspricht. Bei der Feststellung dieses Anteiles sind alle Umstände von Bedeutung, die unter Beachtung der Besonderheiten des jeweiligen Ankündigungsmediums Rückschlüsse auf den anteiligen Reklamewert zulassen. Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, daß jedenfalls bei der Rundfunkwerbung objektive Maßstäbe existieren (etwa Zahl der Werbeadressaten oder der Empfangsgeräte), die eine nachvollziehbare Ermittlung im Schätzungsweg - somit mit dem allgemeinen verfahrensrechtlichen Instrumentarium - zulassen.

Keine Gesetzwidrigkeit des §2 Abs5 Wr AnkündigungsabgabeV, Beschluß des Wiener Gemeinderates vom 26.04.1985.

Nach §1 leg cit ist an die Stadt Wien eine Abgabe von öffentlichen Ankündigungen (nur) zu entrichten, wenn es sich um Ankündigungen innerhalb des Gebiets der Stadt Wien handelt. Der Wortlaut des §2 Abs5 leg cit läßt in Verbindung mit §1 leg cit eine - aus finanzverfassungsrechtlichen Gründen gebotene - verfassungskonforme Interpretation derart zu, daß auch Ankündigungen durch Rundfunk, die von Studios im Gebiet der Stadt Wien ihren Ausgang nehmen, nur dann und insoweit Ankündigungsabgabepflicht auslösen, als sie zu "Ankündigungen innerhalb des Gebiets der Stadt Wien" führen, das heißt - mit anderen Worten - als der Reklamewert in diesem Gebiet entsteht. Sieht die Verordnung eine Steuerpflicht überdies nur dann vor, wenn die Ankündigungen von einem Studio im Gebiet der Gemeinde Wien ihren Ausgang nehmen, so ist dies eine - unter dem Aspekt der dargelegten Auffassung - zulässige, aber letztlich finanzverfassungsrechtlich nicht notwendige Einschränkung.

(Anlaßfall B4736/96, E v 24.02.99, Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Verletzung des Eigentumsrechtes).

Entscheidungstexte

  • G 15/98,V 9/98
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 17.12.1998 G 15/98,V 9/98

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, Finanzverfassung, Finanzausgleich, Ankündigungsabgaben, VfGH / Verfahren, Auslegung verfassungskonforme, Abgabenwesen, Abgaben Gemeinde-, Beschlußrecht, Berücksichtigungsprinzip

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:G15.1998

Dokumentnummer

JFR_10018783_98G00015_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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