RS Vfgh 2000/2/29 B96/99

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Veröffentlicht am 29.02.2000
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art133 Z4
EMRK Art6 Abs1 / civil rights
EMRK Art6 Abs1 / Tribunal
ASVG §345
AVG §7

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Tribunal durch die Zusammensetzung der Landesberufungskommission bei Entscheidung über die Honorarabrechnung eines Arztes; Vorliegen objektiver Gründe für berechtigte Zweifel an der Unbefangenheit und Unparteilichkeit eines Mitgliedes in der vorliegenden Rechtssache

Rechtssatz

Streitigkeiten aus dem Einzelvertrag fallen in den (Kern)Bereich der durch Art6 Abs1 EMRK erfaßten zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen.

Die Landesberufungskommission für Wien ist eine nach der Bestimmung des Art133 Z4 B-VG eingerichtete, sogenannte Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag.

Keine Einschränkung der Prüfungsbefugnis des VfGH hinsichtlich der Behördenzusammensetzung (siehe VfSlg. 14909/1997 und E 16.12.99, B3077/97).

Der bei dieser Prüfung anzuwendende Maßstab ist nicht ausschließlich dem die Befangenheit im Verwaltungsverfahren allgemein regelnden §7 AVG zu entnehmen.

Der unter anderem für die Verrechnung ärztlicher Leistungen zuständige Verwaltungsdirektor der mitbeteiligten Wiener Gebietskrankenkasse hat nicht bloß Schriftstücke weitergeleitet, die mit jener Rechtssache in Zusammenhang standen, an deren Entscheidung er später mitgewirkt hat; er hat sich vielmehr in einem (dem Verfassungsgerichtshof in Kopie vorliegenden) Schreiben namens der Gebietskrankenkasse (also in Vertretung der Gegenpartei des Beschwerdeführers im Verfahren vor der paritätischen Schiedskommission bzw. der Landesberufungskommission) selbst konkret über jene Rechtssache maßgeblich geäußert, über die er nun als Beisitzer der Landesberufungskommission mit zu entscheiden hatte. Er hat, wenn auch nicht durch Bescheid, namens der Gebietskrankenkasse in diesem Schreiben die Auszahlung jener einbehaltenen Honorare an den Beschwerdeführer abgelehnt, über deren Berechtigung er nunmehr als Mitglied der belangten Behörde entschieden hat.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Sozialversicherung, Ärzte, Verwaltungsverfahren, Befangenheit, Behördenzusammensetzung, Kollegialbehörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:B96.1999

Dokumentnummer

JFR_09999771_99B00096_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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