RS Vfgh 2000/3/15 G46/98

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Veröffentlicht am 15.03.2000
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Index

58 Berg- und Energierecht
58/03 Sicherung der Energieversorgung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
StGG Art5
EG-Vertrag Art30, Art36
Erdöl-Bevorratungs- und MeldeG 1982 ArtII §3 Abs1
Richtlinie des Rates vom 14.12.98. 98/93/EG
Richtlinie des Rates vom 20.12.68. 68/414/EWG, zur Verpflichtung der Mitgliedstaaten der EWG. Mindestvorräte an Erdöl und/oder Erdölerzeugnissen zu halten

Leitsatz

Zulässigkeit des Individualantrags einer erdölimportierenden Gesellschaft auf Aufhebung einer Bestimmung betreffend die Verpflichtung zur Haltung von Pflichtnotstandsreserven im Inland; kein Widerspruch zu unmittelbar anwendbarem primärem und sekundärem Gemeinschaftsrecht; keine unsachliche oder unverhältnismäßige Maßnahme im Hinblick auf das öffentliche Interesse an der Gewährleistung einer Versorgung im Krisenfall

Rechtssatz

Zulässigkeit des Individualantrags auf Aufhebung einer Wortfolge in ArtII §3 Abs1 Erdöl-Bevorratungs- und MeldeG 1982.

Die antragstellende Gesellschaft ist Erdölimporteurin, welcher nach ArtII §2 Abs1 iVm ArtII §3 Abs1 Erdöl-Bevorratungs- und MeldeG 1982 die Verpflichtung auferlegt ist, Pflichtnotstandsreserven im Inland zu halten. Diese gesetzlich normierte Verpflichtung trifft die antragstellende Gesellschaft unmittelbar, ohne daß es eines konkretisierenden richterlichen oder verwaltungsbehördlichen Aktes bedarf oder ein solcher vorgesehen ist.

Der Verfassungsgerichtshof sieht auch keinen Anlaß zu Bedenken, daß der Vorschrift des ArtII §3 Abs1 Erdöl-Bevorratungs- und MeldeG 1982 unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht entgegenstünde. Die Vorschrift des ArtII §3 Abs1 Erdöl-Bevorratungs- und MeldeG 1982 steht nicht in Widerspruch zu sekundärem Gemeinschaftsrecht.

Die Richtlinie des Rates vom 20.12.68 zur Verpflichtung der Mitgliedstaaten der EWG, Mindestvorräte an Erdöl und/oder Erdölerzeugnissen zu halten (68/414/EWG), schließt die Vorratshaltung im (EU-)Ausland nicht aus, stellt sie aber den Mitgliedstaaten frei.

Der Vorschrift des ArtII §3 Abs1 Erdöl-Bevorratungs- und MeldeG 1982 steht aber auch unmittelbar anwendbares primäres Gemeinschaftsrecht nicht entgegen.

Der Verfassungsgerichtshof hält es angesichts des Urteils des EuGH vom 10.07.84 in der Rechtssache 72/83, "Campus Oil Limited", Slg 1984, 2727 ff, für ausgeschlossen, daß eine Regelung wie die des ArtII §3 Abs1 Erdöl-Bevorratungs- und MeldeG 1982, die es (in Übereinstimmung mit der RL 68/414/EWG) einem Mitgliedstaat erlaubt, offensichtlich aus Gründen der Versorgungssicherheit die Erdölvorratshaltung im Inland zu verlangen, im Widerspruch zum Prinzip des freien Warenverkehrs stehen könnte.

Abweisung des Antrags auf Aufhebung der Wortfolge "im Inland" in ArtII §3 Abs1 Erdöl-Bevorratungs- und Meldegesetz 1982, BGBl 546/1982 idgF.

Die die Haltung von Pflichtnotstandsreserven an Erdöl und Erdölprodukten regelnden Vorschriften des Erdöl-Bevorratungs- und MeldeG 1982 entsprechen seit dem EU-Beitritt den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften, insbesondere der Richtlinie des Rates vom 20.12.68 zur Verpflichtung der Mitgliedstaaten der EWG, Mindestvorräte an Erdöl und/oder Erdölerzeugnissen zu halten (68/414/EWG), ABl Nr L 308/14. Die Richtlinie 98/93/EG des Rates vom 14.12.98 zur Änderung der Richtlinie 68/414/EWG, ABl Nr L 358/100, hat an der Rechtslage inhaltlich nichts geändert.

Der Verfassungsgerichtshof hält die Erwägungen der Bundesregierung, die auf die Gewährleistung einer Versorgung im Krisenfall einerseits, die geographische Lage und die Versorgungsstruktur andererseits abstellen und daher offensichtlich unabhängig vom Beitritt Österreichs zur EU Gültigkeit haben, für plausibel. Mit ihnen wird auch ein hinreichendes öffentliches Interesse an der Haltung von Pflichtnotstandsreserven im Inland dargetan. Daß die Verpflichtung zur Vorratshaltung im Inland im Hinblick auf das im öffentlichen Interesse liegende Ziel der Versorgungssicherheit unverhältnismäßig wäre, kann der Gerichtshof nicht finden. Wenn der Gesetzgeber somit das Halten von Pflichtnotstandsreserven an Erdöl und Erdölprodukten im Inland vorgeschrieben hat, so handelt es sich dabei um eine im öffentlichen Interesse gelegene, sachlich gerechtfertigte und nicht unverhältnismäßige Maßnahme, die verfassungsrechtlichen Bedenken weder unter dem Gesichtspunkt der Unversehrtheit des Eigentums noch des Gleichheitssatzes begegnet.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Energierecht, Erdöl, EU-Recht Richtlinie, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:G46.1998

Dokumentnummer

JFR_09999685_98G00046_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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