TE Vfgh Erkenntnis 2008/9/23 A22/07

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Veröffentlicht am 23.09.2008
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art137 / sonstige Klagen
ABGB §1431

Leitsatz

Abweisung einer Klage auf Rückzahlung einer geleisteten Geldstrafe;Fehlen einer rechtlichen Deckung für die Leistung mangelsrechtswirksamer Zustellung des Straferkenntnisses an dieRechtsvertreter des Klägers; jedoch keine irrtümliche Zahlung,sondern absichtliches Zuwarten bis zum Eintritt der Verjährung

Spruch

Die Klage wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Bregenz

vom 26. August 2004 wurde über den Kläger eine Geldstrafe in Höhe von € 240,- verhängt, weil er es als zur Vertretung nach außen bestelltes Organ zu verantworten gehabt habe, dass eine näher bezeichnete Firma außerhalb eines Ortsgebietes eine Werbeeinrichtung errichtet habe, obwohl außerhalb von Ortsgebieten an Straßen innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand die Anbringung von Ankündigungen verboten sei.

1.2. In seinem per Telefax am 8. September 2004 eingebrachten Einspruch teilte der Kläger mit, dass er von seinen nunmehrigen Rechtsvertretern im Verfahren vertreten werde.

2. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 8. Juli 2005 wurde über den Kläger eine Strafe in Höhe von € 240,-

zuzüglich Verfahrenskosten verhängt.

Dieses Straferkenntnis wurde zwar zuhanden der Rechtsvertreter des Klägers adressiert, laut Rückschein jedoch dem Kläger persönlich zugestellt.

3. Nach Übernahme des Straferkenntnisses durch den Kläger am 14. Juli 2005 bezahlte er die verhängte Geldstrafe samt Verfahrenskosten. Die Zahlung ist am 21. September 2005 bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz eingelangt.

4.1. Am 1. Juni 2007 begehrte der Kläger die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.

4.2. Mit Schreiben vom 28. September 2007 teilte ihm die Bezirkshauptmannschaft Bregenz mit, dass ein Straferkenntnis erlassen worden, die verhängte Geldstrafe bezahlt und der Akt als erledigt abgelegt sei.

4.3. Mit Schreiben vom 2. Oktober 2007 beantragte der Kläger neuerlich die Einstellung des Verfahrens und führte aus, dass Strafbarkeitsverjährung eingetreten sei. Er stellte den Antrag, den Betrag von € 264,- binnen 14 Tagen zu erstatten.

5. In seiner an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Klage gegen das Land Vorarlberg behauptet der Kläger, das Straferkenntnis sei ihm persönlich - und nicht seinen Rechtsvertretern - zugestellt worden. Somit sei keine rechtswirksame Zustellung innerhalb der Frist für die Strafbarkeitsverjährung erfolgt. Das Land Vorarlberg sei daher zu Unrecht bereichert und zur Rückzahlung verpflichtet.

6. Das Amt der Vorarlberger Landesregierung erstattete eine Gegenschrift, in der es den Ausführungen in der Klage entgegentritt und deren Abweisung beantragt.

II. Zur Zulässigkeit:

Gemäß Art137 B-VG hat der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche zu erkennen, die gegen den Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinde oder Gemeindeverbände erhoben werden und weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind. Es handelt sich um eine subsidiäre Zuständigkeit, die nur dann gegeben ist, wenn über den umstrittenen vermögensrechtlichen Anspruch weder ein Gericht noch eine Verwaltungsbehörde zu entscheiden hat. Die Klage ist nur möglich, wenn nicht bereits ein rechtskräftiger Abspruch über einen vermögensrechtlichen Anspruch vorliegt.

Der Verfassungsgerichtshof hat vor dem Hintergrund seiner Rechtsprechung über die Rückforderung bereits geleisteter Geldstrafen keinen Zweifel an der Zulässigkeit einer Klage der hier vorliegenden Art (vgl. VfSlg. 15.175/1998, 17.913/2006).

III. Der Verfassungsgerichtshof hat in der Sache erwogen:

1. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes können entrichtete Geldstrafen unter zwei Voraussetzungen - gestützt auf §1431 ABGB - zurückgefordert werden: Wenn es an einem Titel im Sinne einer rechtlichen Deckung fehlt und die Leistung auf Grund eines Irrtums erbracht worden ist. Einem Irrtum hat der Verfassungsgerichtshof - der zivilgerichtlichen Rechtsprechung folgend - die Zahlung einer Nichtschuld unter dem Druck der Exekution - somit unter Zwang - gleichgehalten (vgl. VfSlg. 16.036/2000, 17.984/2006).

2.1. Im vorliegenden Fall fehlt es - unbestritten - an der rechtlichen Deckung, weil das Straferkenntnis zu keinem Zeitpunkt den Rechtsvertretern des Klägers wirksam zugestellt worden ist.

2.2. Der bezahlte Betrag kann dennoch nicht zurückgefordert werden, weil es diesbezüglich an der zweiten Voraussetzung fehlt:

Der Kläger hat die Zahlung weder irrtümlich noch unter dem Druck von Exekutionsschritten, sondern in Kenntnis des Umstandes, dass ein rechtskräftiges Straferkenntnis nicht vorlag, entrichtet. Der Kläger verfolgte die Absicht, die Behörde bis zum Eintritt der Verjährung im Glauben zu lassen, die Rechtskraft des Bescheides sei eingetreten, zumal dem Kläger eine Berufung auf die fehlende Rechtskraft des Bescheides jederzeit möglich gewesen wäre. Der Antrag auf Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens wurde sechs Tage nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist gestellt. Der Verfassungsgerichtshof geht daher weiters davon aus, dass der Kläger diesen Zeitpunkt abgewartet hat, um keine Nachholung der Zustellung an seine Rechtsvertreter befürchten zu müssen. Die Voraussetzungen für eine auf §1431 ABGB gestützte Rückforderung liegen daher nicht vor (VfSlg. 16.036/2000).

Das Klagebegehren war somit abzuweisen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Klagen, Zustellung, Zivilrecht, Bereicherung,Verwaltungsstrafrecht, Verjährung, Rechtskraft, Werbung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:A22.2007

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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