RS Vfgh 2000/12/1 V61/99

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Veröffentlicht am 01.12.2000
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Index

96 Straßenbau
96/01 Bundesstraßengesetz 1971

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
BStG 1971 §4 Abs1
TrassenV, BGBl II 381/1998, betreffend die Bestimmung des Straßenverlaufes der B 70 Packer Straße
UVP-G §35 Abs2

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit einer Trassenverordnung wegen Nichteinhaltung der Frist für die Kundmachung von Ort und Zeit der öffentlichen Erörterung eines Vorhabens im Rahmen einer Bürgerbeteiligung nach dem UVP-G und der dadurch bewirkten Verkürzung des Informationsrechtes sowie der Beeinträchtigung des Anhörungsrechts

Rechtssatz

Zulässigkeit des Individualantrags einer Eigentümerin von Grundstücken, die aufgrund der erlassenen TrassenV von der im Zuge des weiteren Genehmigungsverfahrens durchzuführenden Enteignung betroffen sind, auf Aufhebung dieser TrassenV.

Die Antragstellerin hat als Enteignungsbetroffene den unmittelbaren Eingriff der bekämpften Verordnung in ihre Rechtssphäre in ausreichender Weise dargetan. Es ist nicht erforderlich, daß die im Verordnungserlassungsverfahren (behauptetermaßen) unterlaufenen Verfahrensmängel eine unmittelbare Verletzung auch von Rechten der Antragstellerin zur Folge gehabt hätten. Der Antragstellerin ist nicht zumutbar, den letztinstanzlichen Enteignungsbescheid abzuwarten.

Die Antragstellerin ist berechtigt, in einem Antrag nach Art139 B-VG ausnahmslos jede Gesetz- bzw Verfassungswidrigkeit geltend zu machen.

Die Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend die Bestimmung des Straßenverlaufes der B 70 Packer Straße im Bereich der Gemeinden Krottendorf-Gaisfeld und Sankt Johann-Köppling, BGBl II 381/1998, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Gemäß §35 Abs2 UVP-G in der hier anzuwendenden Fassung BGBl 773/1996 sind Ort und Zeit der öffentlichen Erörterung eines Vorhabens "mindestens drei Wochen" vor dieser Erörterung in einer dem §31 Abs2 leg cit (gemeint offenbar: §31 Abs3) entsprechenden Weise kundzumachen.

Die Nichtbeachtung der dreiwöchigen Frist des §35 Abs2 UVP-G stellt einen beachtlichen Verfahrensmangel dar.

Wird vom Gesetzgeber die Sicherung des Anhörungsrechtes durch Gewährleistung einer entsprechenden Vorbereitungszeit mittels des formalen Kriteriums einer mindestens dreiwöchigen Vorbereitungsfrist vorgenommen, so kann die Nichteinhaltung dieser Mindestfrist (abgesehen von - hier nicht vorliegenden - Bagatellfällen; vgl etwa VfSlg 10471/1985) nicht als vernachlässigbarer Formmangel beurteilt werden; es ist vielmehr davon auszugehen, daß die Nichteinhaltung dieser Frist einer Verkürzung des Informationsrechtes und damit einer Beeinträchtigung des Anhörungsrechtes gleichzuhalten ist. Eine Verordnung, die unter Verletzung dieser Frist zustandegekommen ist, ist daher gesetzwidrig.

Die vorgeschriebene Dauer der Frist ist im vorliegenden Fall um 2 Tage, rechnet man den Tag der Kundmachung mit, jedenfalls um einen Tag, unterschritten worden. Dieser (als wesentlich zu beurteilende) Mangel wurde auch durch die "Vertagung" der mündlichen Erörterung nicht geheilt, weil die Kundmachung für diesen Termin nicht erfolgt ist.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Straßenverwaltung, Straßenverlaufsfestlegung, Trassierungsverordnung, Umweltschutz, Umweltverträglichkeitsprüfung, Verordnungserlassung, Anhörungsrecht, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:V61.1999

Dokumentnummer

JFR_09998799_99V00061_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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