TE Vfgh Beschluss 2005/6/16 B181/05

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Veröffentlicht am 16.06.2005
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
ASVG §31 Abs3 Z12, §351f, §351i, §609 Abs13

Leitsatz

Zurückweisung einer Beschwerde einer Vertreibergesellschaft von Arzneispezialitäten gegen die Streichung von Gingko-Präparaten aus dem Heilmittelverzeichnis durch Bescheid des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger; keine Beschwerdelegitimation infolge Änderung der Rechtslage

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger entschied am 18. August 2004, die von der beschwerdeführenden Gesellschaft vertriebenen Arzneispezialitäten Tebofortan 4% Tropfen, Tebonin retard Drag. und Tebofortan 40 mg FT (20 und 50 Stk.) aus dem Heilmittelverzeichnis zu streichen.

Mit Bescheid vom 27. Jänner 2005, der beschwerdeführenden Partei in schriftlicher Ausfertigung zugestellt am 2. Februar 2005, wies die Unabhängige Heilmittelkommission die dagegen erhobene Beschwerde ab.

Gegen diesen - keinem weiteren Rechtszug unterliegenden (vgl. §351h Abs5 ASVG) - Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde; darin wird in erster Linie beantragt, den angefochtenen Bescheid als "absolut nichtig" zu erkennen und die Beschwerde zurückzuweisen; in eventu wird begehrt, den Bescheid als "rechtswidrig" zu erkennen und kostenpflichtig aufzuheben; die Beschwerde behauptet in diesem Zusammenhang die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift; darin verteidigt sie den angefochtenen Bescheid und beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der beteiligte Hauptverband erstattete eine schriftliche Äußerung, in welcher den Beschwerdevorwürfen ebenfalls entgegengetreten wird.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß Art144 Abs1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden einschließlich der unabhängigen Verwaltungssenate, sofern der Beschwerdeführer behauptet, durch den Bescheid in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt zu sein.

Zur Erhebung einer solchen Beschwerde ist daher nur berechtigt, wer durch den angefochtenen Bescheid in einem subjektiven Recht verletzt worden sein kann (zB VfSlg. 11.764/1988 mwN).

Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor:

2.1. Gemäß §31 Abs3 Z12 ASVG (idF der 60. Novelle, BGBl. I Nr. 140/2002) waren in das frühere Heilmittelverzeichnis jene in Österreich zugelassenen Arzneispezialitäten aufzunehmen, "deren Abgabe allein auf Grund ärztlicher Anordnung ohne die sonst notwendige chef- oder kontrollärztliche Bewilligung für Rechnung der Sozialversicherungsträger medizinisch und wirtschaftlich sinnvoll und vertretbar ist".

Mit der 61. Novelle zum ASVG (Art1 des 2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes 2003 - 2. SVÄG 2003, BGBl. I Nr. 145) wurde die Kostenerstattung für Heilmittel neu geregelt. Das bisherige Heilmittelverzeichnis wurde demnach "schrittweise" (§609 Abs12 ASVG), beginnend mit 1. Jänner 2004, durch den Erstattungskodex ersetzt; dieser ist in drei Bereiche unterteilt (red box, yellow box, green box). Gemäß §609 Abs13 erster Satz ASVG sind Arzneispezialitäten, die im Jahr 2004 im Heilmittelverzeichnis angeführt sind, "spätestens" ab dem Jahr 2005 im grünen Bereich (green box) des Erstattungskodex zu verzeichnen.

2.2. Nach den Bestimmungen des Abschnitts V des Sechsten Teiles des ASVG (idF der 60. bzw. 61. Novelle) hat der Hauptverband eine Arzneispezialität aus dem Heilmittelverzeichnis/Erstattungskodex zu streichen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme nicht (mehr) erfüllt sind (§351f Abs1 ASVG). Das vertriebsberechtigte Unternehmen, dessen Arzneispezialität aus dem Heilmittelverzeichnis/Erstattungskodex gestrichen werden soll, kann dagegen Beschwerde an die beim Bundesministerium für Gesundheit und Frauen eingerichtete Unabhängige Heilmittelkommission erheben (§351i Abs1 Z2 ASVG); die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung (§351i Abs3 dritter Satz ASVG). Das Verfahren der Heilmittelkommission unterliegt grundsätzlich den Vorschriften des AVG (§351j Abs5 letzter Satz ASVG).

2.3. Die im Heilmittelverzeichnis am 31. Dezember 2004 noch angeführten Arzneispezialitäten (wozu auch die hier in Rede stehenden Arzneispezialitäten zu diesem Zeitpunkt noch gehörten) sind mit 1. Jänner 2005 ex lege aus dem Heilmittelverzeichnis, das mit Ablauf des 31. Dezember 2004 außer Kraft getreten ist, in den Erstattungskodex überstellt worden (§609 Abs13 erster Satz ASVG). Ab diesem Zeitpunkt konnten daher weder Streichungen aus dem - nicht mehr geltenden - Heilmittelverzeichnis erfolgen, noch Bescheide, welche die Streichung aus dem Heilmittelverzeichnis verfügten, nach diesem Zeitpunkt erlassen oder vollstreckt werden.

Soweit daher mit dem angefochtenen Bescheid - in Abweisung der Beschwerde gegen die Entscheidung des Hauptverbandes - die Streichung der in Rede stehenden Arzneispezialitäten aus dem Heilmittelverzeichnis (und nicht etwa aus dem Erstattungskodex) für zulässig erklärt worden ist, vermag der Bescheid die beabsichtigte Rechtswirkung nicht mehr zu entfalten und geht daher ins Leere. Er konnte daher auch für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Partei, die sich mittlerweile nach dem nunmehr in Geltung stehenden Erstattungskodex bestimmte, keine Wirkung äußern.

3. Die Beschwerde war daher mangels Legitimation zurückzuweisen (§19 Abs3 Z2 lite VfGG).

Kosten an die belangte Behörde (offenbar als Ersatz des Vorlage- und Schriftsatzaufwandes) waren nicht zuzusprechen, da dies im VfGG nicht vorgesehen ist und eine sinngemäße Anwendung des §48 Abs2 VwGG im verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht in Betracht kommt (zB VfSlg. 10.003/1984).

4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Arzneimittel, Übergangsbestimmung, Sozialversicherung, VfGH / Legitimation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:B181.2005

Dokumentnummer

JFT_09949384_05B00181_3_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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