TE Vfgh Erkenntnis 2005/6/22 B1124/04

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Veröffentlicht am 22.06.2005
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Tir GVG 1996 §2 Abs1

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Feststellung des Vorliegens eines land- oder forstwirtschaftlichen Grundstückes angesichts der land- bzw forstwirtschaftlichen Nutzbarkeit eines ehemaligen - zu einem Ferienhaus umgebauten - Heustadels

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Mit Eingabe vom 8.3.2004 zeigte die Beschwerdeführerin der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck einen "im Jahre 1966" mündlich geschlossenen Bestandvertrag über die auf einem näher bezeichneten Grundstück befindliche (ehemalige) Heuhütte an und beantragte die Feststellung, dass für dieses Rechtsgeschäft eine grundverkehrsbehördliche Genehmigung nicht erforderlich ist.

Der Vorsitzende der bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck eingerichteten Bezirks-Grundverkehrskommission stellte mit Bescheid vom 5.4.2004 gemäß §24 Abs2 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 (im Folgenden: TGVG 1996) fest, dass es sich um kein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück iSd. §2 Abs1 leg.cit. handle. Der ehemalige Heustadel sei bereits in den Jahren 1967 und 1968 in ein Ferienhaus umgebaut worden, das Haus werde seit mehr als 20 Jahren nicht mehr land- und forstwirtschaftlich genutzt und könne auch keiner derartigen Nutzung mehr zugeführt werden.

1.2. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten gab die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung (im Folgenden: LGVK) mit Bescheid vom 7.7.2004 Folge, behob den angefochtenen Bescheid und stellte gleichzeitig fest, dass es sich bei der "Heuhütte/ Ferienhaus" um ein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück im Sinne des §2 Abs1 TGVG 1996 handle.

Begründend führt die LGVK dazu Folgendes aus:

"Das auf Berufungsebene durchgeführte Ermittlungsverfahren und der vorgenommene Ortsaugenschein haben ergeben, dass es sich beim Gst […] um ein ehemals landwirtschaftlich und in der Folge um ein forstwirtschaftlich genutztes Grundstück handelt. Die darauf befindliche Hütte wurde vor der Bestandgabe als Heustadel genutzt. Es handelt sich dabei eindeutig um ein landwirtschaftliches Wirtschaftsgebäude. Im Sinne der Bestimmung des §2 Abs1 Tiroler Grundverkehrsgesetz verliert durch die Aussetzung der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung eines bisher im Sinne des ersten Satzes genutzten Grundstückes dieses nicht die Eigenschaft als land- oder forstwirtschaftliches Grundstück. Überdies kann das konsenswidrig umgebaute Ferienhaus ohne besondere Aufwendungen wieder der Nutzung im Sinne des ersten Satzes zugeführt werden.

Zusammenfassend vertritt daher die Landes-Grundverkehrskommission die Auffassung, dass es sich bei der auf Gst […] befindlichen Hütte, welche derzeit von [der Beschwerdeführerin] genutzt wird, um ein land- bzw. forstwirtschaftliches Grundstück im Sinne des §2 Abs1 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 handelt.

Die Bezirks-Grundverkehrskommission wird im fortgesetzten Verfahren nunmehr über die erfolgte Anzeige des Bestandvertrages zu entscheiden haben."

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art144 B-VG, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.

3. Die beteiligte Partei erstattete eine Äußerung, in der sie das Bestehen eines Bestandvertrags bestreitet, dem Beschwerdevorbringen auch im Übrigen entgegentritt und die kostenpflichtige Abweisung, in eventu Zurückweisung der Beschwerde begehrt.

4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

5. Die im vorliegenden Fall maßgebende Bestimmung des §2 Abs1 TGVG 1996, LGBl. 61/1996, lautet:

"§2

Begriffsbestimmungen

(1) Land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke sind Grundstücke, die ganz oder teilweise im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke genutzt werden. Als land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke gelten weiters Grundstücke, die zwar nicht im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes, aber doch in einer für die Land- oder Forstwirtschaft typischen Weise genutzt werden. Als land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke gelten ferner Grundstücke, die zwar in anderer Weise als für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke verwendet werden, die aber vor nicht mehr als zwanzig Jahren im Sinne des ersten Satzes genutzt wurden und noch so beschaffen sind, daß sie ohne besondere Aufwendungen wieder der Nutzung im Sinne des ersten Satzes zugeführt werden können. Durch die Aussetzung der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung eines bisher im Sinne des ersten Satzes genutzten Grundstückes verliert dieses nicht die Eigenschaft als land- oder forstwirtschaftliches Grundstück. Als land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke gelten auch Grundstücke mit land- oder forstwirtschaftlichen Wohn- oder Wirtschaftsgebäuden sowie solche Gebäude selbst, wenn nur diese Gegenstand eines Rechtserwerbes sind. Die Bezeichnung eines Grundstückes im Grundsteuer- oder Grenzkataster ist für dessen Beurteilung als land- oder forstwirtschaftliches Grundstück nicht maßgebend. Baugrundstücke (Abs3) gelten nicht als land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

2. Dies ist der LGVK im vorliegenden Fall nicht vorzuwerfen:

2.1. Die Feststellung, dass ein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück vorliege, stützt die LGVK in ihrem Bescheid darauf, dass die Hütte vor der Bestandgabe als Heustadel genutzt worden sei und dass "das konsenswidrig umgebaute Ferienhaus" ohne besondere Aufwendungen wieder einer solchen Nutzung zugeführt werden könne.

Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin zufolge wurde die Hütte im Jahr 1966 in Bestand genommen, im Jahr 1967 ausgebaut und seither als Ferienhaus genutzt. Diesem Vorbringen ist die LGVK in ihrem Bescheid nicht entgegengetreten.

2.2. Gemäß §2 Abs1 TGVG 1996 gelten Grundstücke, die in anderer Weise als für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke verwendet werden, nur dann als land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke, wenn sie vor nicht mehr als 20 Jahren im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke genutzt wurden und noch so beschaffen sind, dass sie ohne besondere Aufwendungen wieder einer solchen Nutzung zugeführt werden können.

2.3. Vorauszuschicken ist, dass der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 11.437/1987 ausgesprochen hat, dass es bei Beurteilung der Frage, ob ein Grundstück den Bestimmungen des Grundverkehrsgesetzes (damals: TGVG 1983) unterliegt, "ausschließlich auf den Zeitpunkt ankommt, in dem ein Rechtserwerb abgeschlossen wird, es sei denn, daß während eines grundverkehrsbehördlichen Verfahrens eine ursprünglich bestandene Genehmigungspflicht - sei es aufgrund rechtlicher oder faktischer Umstände - weggefallen ist".

Wenn die LGVK bezüglich der Frage, ob das Grundstück vor nicht mehr als 20 Jahren land- oder forstwirtschaftlich genutzt wurde, bei der Berechnung des Beurteilungszeitraums auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abstellt, ist ihr aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegenzutreten.

Bezüglich des Kriteriums, dass das Grundstück noch so beschaffen sein muss, dass es ohne besondere Aufwendungen wieder einer land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden kann, ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Grundverkehrsbehörde abzustellen. Wenngleich sich die belangte Behörde mit der Beschaffenheit des Grundstücks (der Hütte) nur rudimentär befasst hat, wurde weder von der Beschwerdeführerin hinreichend dargetan, dass das Grundstück nicht mehr land- oder forstwirtschaftlich genutzt werden könnte, noch ergibt sich aus den Akten, dass einer solchen Nutzung unüberwindbare Hindernisse entgegenstünden. Das Beschwerdevorbringen, dass durch die langjährige Nutzung der Hütte allein für Wohnzwecke eine neuerliche Nutzungsänderung nicht in Betracht komme, führt zu keiner anderen Beurteilung.

Die Auffassung der belangten Behörde bezüglich der Nutzbarkeit des Grundstücks für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke ist daher jedenfalls denkmöglich.

3. Die behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte liegen somit nicht vor. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die Beschwerdeführerin in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden wäre.

Ob der angefochtene Bescheid aber in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall (vgl. §28 Abs7 TGVG 1996) - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 15.278/1998, 15.324/1998 mwN).

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Grundstück land- oder forstwirtschaftliches

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:B1124.2004

Dokumentnummer

JFT_09949378_04B01124_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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