RS Vwgh 2001/3/14 2000/08/0097

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Veröffentlicht am 14.03.2001
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Index

21/03 GesmbH-Recht
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

ASVG §539a Abs2;
ASVG §539a Abs3;
ASVG §67 Abs10;
GmbHG §15;
GmbHG §18;
GmbHG §20;
GmbHG §25;

Rechtssatz

§ 539a Abs 2 und 3 ASVG sind nicht auf die Fälle der Umgehung der Versicherungspflicht beschränkt, sondern grundsätzlich im Rahmen des ASVG bei allen sich aus diesem Gesetz ergebenden Pflichten anwendbar. Ein Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes im Sinne dieser Bestimmungen liegt jedenfalls dann vor, wenn die Gestaltung der rechtlichen Verhältnisse anders als mit der Absicht der Umgehung gesetzlicher Verpflichtungen nicht erklärt werden kann. Wenn - wie im vorliegenden Fall - ein Alleingesellschafter einer GmbH einen Dritten zum Geschäftsführer bestellt, ihm aber zugleich im Innenverhältnis praktisch alle mit der Geschäftsführung verbundenen Befugnisse, ausgenommen die gesetzlich nicht abdingbaren, nimmt und sich gleichzeitig von diesem nominellen Geschäftsführer mit einer umfassenden Generalvollmacht ausstatten lässt, bedarf es keines weiteren Beweises, dass der Alleingesellschafter selbst alle Geschäfte führen und dies gerade nicht einem Fremdgeschäftsführer überlassen wollte. Ein sachlicher Grund, dennoch einen Dritten zum Geschäftsführer zu bestellen und sich die zur Geschäftsführung erforderlichen Befugnisse im Wege der Umwegkonstruktion einer Generalvollmacht einräumen zu lassen, anstatt den angestrebten Rechtszustand dadurch herzustellen, dass sich der Alleingesellschafter selbst zum Geschäftsführer bestellt, ist im konkreten Fall nicht erkennbar. Es bleibt daher nur der Schluss, dass diese Konstruktion gewählt wurde, um dem Alleingesellschafter zwar die Befugnisse zur Geschäftsführung zu vermitteln, ihn jedoch vor den einen Geschäftsführer nach dem Gesetz treffenden Sorgfaltsverbindlichkeiten und den damit verbundenen Haftungen zu schützen. Eine solche Konstruktion, die im Wesentlichen nur der Umgehung gesetzlicher Haftungen als Geschäftsführer dient, ist aber nach § 539a Abs 2 ASVG insoweit unbeachtlich, als dadurch etwa auch die Haftung nach § 67 Abs 10 ASVG umgangen werden soll. An Stelle der unbeachtlichen Konstruktion tritt gem § 539a Abs 3 ASVG jene, die den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessen gewesen wäre. Angesichts des hier vorliegenden Sachverhaltes kann kein Zweifel daran bestehen, dass die angesichts der vom Alleingesellschafter mit der von ihm gewählten Vertragskonstruktion für sich allein (also ohne Mitwirkung eines Dritten) angestrebten Ingerenzmöglichkeiten dessen Bestellung zum Alleingeschäftsführer der Gesellschaft als einzig adäquate Gestaltung in Betracht kommt. Die vorliegende Rechtssache ist daher so zu beurteilen, als ob der Alleingesellschafter Geschäftsführer und damit zur gesetzlichen Vertretung der Gesellschaft berufenes Organ gewesen wäre.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000080097.X03

Im RIS seit

13.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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