TE Vfgh Erkenntnis 2005/7/29 WI-2/05

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Veröffentlicht am 29.07.2005
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Index

L0 Verfassungs- und Organisationsrecht
L0350 Gemeindewahl

Norm

B-VG Art141 Abs1 lita
Nö GRWO 1994 §§14, §16, §47, §48
VfGG §67 Abs3

Leitsatz

Keine Stattgabe der Anfechtung einer Gemeinderatswahl; kein Gebot der Verwendung ausschließlich amtlicher Stimmzettel; Wertung eines nichtamtlichen Stimmzettels als gültige Stimme zu Recht; keine verfassungswidrige Zusammensetzung der Wahlbehörde

Spruch

Der Wahlanfechtung wird nicht stattgegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1. Die Landes-Hauptwahlbehörde beim Amt der NÖ Landesregierung (im Folgenden: Landes-Hauptwahlbehörde) hob mit Bescheid vom 13. April 2005 die am 6. März 2005 stattgefundene Wahl zum Gemeinderat der Gemeinde Bockfließ gemäß §58 Abs1 NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994, LGBl. 0350-6, (im Folgenden: GRWO) "beginnend mit der Veröffentlichung der Wahlvorschläge" auf.

In der Folge fand am 22. Mai 2005 die mit Verordnung der NÖ Landesregierung vom 19. April 2005 ausgeschriebene (Wiederholungs-)Wahl zum Gemeinderat der Gemeinde Bockfließ statt.

1.1.2. Dieser Wahl lagen von den Wählergruppen "Österreichische Volkspartei (ÖVP)", "Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ)", "PRO Bockfliess (PROB)" und "Mag. Eva Neuberger" eingebrachte, von der Gemeindewahlbehörde überprüfte und gemäß §34 GRWO kundgemachte Wahlvorschläge zu Grunde.

1.1.3. Laut Feststellung der Gemeindewahlbehörde entfielen von den 993 abgegeben gültigen Stimmen - 14 Stimmen wurden von den Wahlbehörden als ungültig gewertet - auf die

        ÖVP ..................... 429 Stimmen (9 Mandate),

        SPÖ ..................... 466 Stimmen (9 Mandate),

        PROB ....................  59 Stimmen (1 Mandat),

        Mag. Eva Neuberger ......  39 Stimmen (0 Mandate).

1.2. Mag. Eva Neuberger erhob als zustellungsbevollmächtigte Vertreterin der Wählergruppe "Mag. Eva Neuberger" mit einem am 3. Juni 2005 bei der Gemeinde eingebrachten Schriftsatz gemäß §§56 f. GRWO (Administrativ-)Beschwerde (wegen näher bezeichneter Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens), der mit Bescheid der Landes-Hauptwahlbehörde vom 1. Juli 2005 nicht stattgegeben wurde.

1.3.1. Mit der vorliegenden, auf Art141 B-VG gestützten Wahlanfechtung beantragt die Wählergruppe "Mag. Eva Neuberger",

"der Verfassungsgerichtshof wolle ... das Verfahren zur Wahl des Gemeinderates der Gemeinde Bockfließ am 22.5.2005 von der Kundmachung der Wahlbehörden an für nichtig erklären und als rechtswidrig aufheben."

1.3.2. Die Landes-Hauptwahlbehörde legte die Wahlakten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte darin, die Wahlanfechtung als unbegründet abzuweisen.

Die Wählergruppe ÖVP erstattete eine Äußerung, in der sie sich der Begründung des Bescheides der Landes-Hauptwahlbehörde vom 1. Juli 2005 anschließt.

2. Über die Wahlanfechtung wurde erwogen:

2.1. Gemäß Art141 Abs1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof ua. über die Anfechtung von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, so auch über die Anfechtung einer Gemeinderatswahl (zB VfSlg. 11.732/1988).

Nach §68 Abs1 VfGG muss die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides eingebracht werden.

Einen derartigen, die unmittelbare Anfechtung der Wahl zum Gemeinderat der Gemeinde Bockfließ beim Verfassungsgerichtshof ausschließenden Instanzenzug sehen die §§56 ff. GRWO vor. Danach kann die Wahl binnen zwei Wochen ab dem ersten Tag der Kundmachung des Wahlergebnisses ua. vom zustellungsbevollmächtigten Vertreter einer Wahlpartei, die einen Wahlvorschlag erstattet hat, mit Beschwerde bekämpft werden, und zwar "wegen behaupteter Unrichtigkeit der Ermittlung des Wahlergebnisses oder wegen angeblich gesetzwidriger Vorgänge im Wahlverfahren".

Über die bei der Gemeinde schriftlich zu erhebende Beschwerde entscheidet die Landes-Hauptwahlbehörde (§58 GRWO).

Wie sich aus den Ausführungen zu Punkt 1.2. ergibt, wurde die von Mag. Eva Neuberger als zustellungsbevollmächtigte Vertreterin der Wählergruppe "Mag. Eva Neuberger" am 3. Juni 2005 gemäß §§56 f. GRWO wegen Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens erhobene Beschwerde mit Bescheid der Landes-Hauptwahlbehörde vom 1. Juli 2005 als unbegründet abgewiesen.

Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn der vierwöchigen Frist zur Anfechtung der Gemeinderatswahl vor dem Verfassungsgerichtshof ist somit der 4. Juli 2005, das ist der Tag der Zustellung des Bescheides der Landes-Hauptwahlbehörde an die zustellungsbevollmächtigte Vertreterin der anfechtenden Partei.

Die Wahlanfechtungsschrift wurde am 8. Juli 2005 und somit rechtzeitig beim Verfassungsgerichtshof eingebracht.

Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen zutreffen, ist die Wahlanfechtung zulässig.

2.2.1. Nach Art141 Abs1 zweiter Satz B-VG kann die Anfechtung einer Gemeinderatswahl auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden.

Vorauszuschicken ist, dass der Verfassungsgerichtshof ein Wahlverfahren nur in den Grenzen der von den Anfechtungswerbern - in der Anfechtungsschrift - behaupteten Rechtswidrigkeiten nachzuprüfen hat, es ihm darüber hinaus aber nicht zukommt, die Rechtmäßigkeit eines Wahlverfahrens - von Amts wegen - einer weiteren Überprüfung zu unterziehen (vgl. VfSlg. 15.645/1999 uvam.).

2.2.2. Die anfechtende Wählergruppe bringt in ihrer Anfechtungsschrift - im Wesentlichen - das Folgende vor:

a) Die Wahlpartei ÖVP habe im Rahmen ihrer Wahlwerbung (bedruckte) nichtamtliche Stimmzettel an die Wähler übermittelt, die nicht den Vorschriften der GRWO, so insbesondere des §48 Abs2, entsprochen hätten, weil auf ihnen nur 22 der im (veröffentlichten) Wahlvorschlag der ÖVP aufscheinenden 24 Bewerber und diese - mit Ausnahme des als "Bürgermeisterkandidat" bezeichneten (erstgereihten) Bewerbers - zudem in vom Wahlvorschlag abweichender, nämlich alphabetischer Reihung angegeben gewesen seien.

Dadurch seien die "Wähler über die zur Auswahl stehenden Kandidaten in die Irre geführt" worden.

b) Die solcherart gestalteten nichtamtlichen Stimmzettel seien außerdem zu Unrecht als gültig für die ÖVP abgegeben gewertet worden. Gemäß §47 Abs1 GRWO sei ein Stimmzettel nämlich nur dann gültig ausgefüllt, wenn aus ihm eindeutig zu erkennen ist, welche Partei der Wähler wählen wollte. Auf Grund der mangelnden Übereinstimmung der in Rede stehenden Stimmzettel mit dem veröffentlichten Wahlvorschlag der ÖVP sei der Wählerwille aus diesen Stimmzetteln nicht eindeutig erkennbar gewesen.

c) Die nachträgliche - am 12. Mai 2005 an der Amtstafel der Gemeinde kundgemachte - Änderung der Zusammensetzung der besonderen Wahlbehörde hinsichtlich des Vorsitzenden und des stellvertretenden Vorsitzenden dieser Wahlbehörde sei rechtswidrig erfolgt, weil die GRWO eine "Nachbesetzung" dieser Mitglieder einer Wahlbehörde nicht vorsehe.

Damit ist die anfechtende Partei (schon) aus den nachfolgenden Erwägungen nicht im Recht:

Zu a) Dazu genügt es auf die nachstehend genannten Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes hinzuweisen, die gleichfalls Wahlen zum Gemeinderat in niederösterreichischen Gemeinden auf Grund von Bestimmungen der GRWO bzw. der NÖ Gemeindewahlordnung 1974 betrafen, die in allen hier relevanten Belangen jenen entsprachen, die im vorliegenden Fall maßgeblich sind:

-

VfSlg. 14.847/1997: "[Es gibt] kein verfassungsrechtliches Gebot ..., nach dem die Stimmabgabe so geregelt werden muss, dass sie nur unter Verwendung von amtlichen Stimmzetteln vorgenommen werden darf (vgl. VfSlg. 7731/1975, 6864/1972)."

-

VfSlg. 13.090/1992: "[Die Verbreitung nichtamtlicher Stimmzettel durch eine Wählergruppe im Zuge der Wahlwerbung ist] der Wahlwerbung zuzurechnen und kein Teil des Wahlverfahrens."

        - VfSlg. 12.489/1990: "[Dass auf den] - von einer

wahlwerbenden Gruppe vor der Wahl verteilten und dann von Wählern

benützten - (bedruckten) Stimmzetteln nicht alle im Wahlvorschlag

aufscheinenden Kandidaten angegeben gewesen [sind, bedeutet] keine

Gesetzwidrigkeit des Wahlverfahrens, weil die GRWO nicht vorschreibt,

dass die wahlwerbenden Parteien nur (nichtamtliche) Stimmzettel, die

alle Kandidaten (dieser Gruppierung) nennen, ausgeben dürfen ... Dem

Wähler steht jedenfalls die Möglichkeit offen, einen ihm von einer

wahlwerbenden Gruppe überreichten und wie immer ausgefüllten

(bedruckten) Stimmzettel vor der Wahl spätestens in der Wahlzelle mit

den dort ... lesbar angeschlagenen Parteilisten ... sämtlicher an der

Wahlwerbung beteiligten Wählergruppen zu vergleichen und

gegebenenfalls einen ... amtlichen leeren Stimmzettel selbst

auszufüllen und abzugeben."

        Zu b) Dass ein - was auch von der anfechtenden Partei nicht

bestritten wird - ausdrücklich auf die ÖVP lautender nichtamtlicher

Stimmzettel als gültige Stimme für eben diese Wahlpartei gewertet

wird, kann - mit Blick auf §47 Abs1 erster Satz GRWO (arg.: "... wenn

aus ihm eindeutig zu erkennen ist, welche Partei ... der Wähler

wählen wollte.") - nicht rechtswidrig sein.

Zu c) Schon im Hinblick auf die Regelung des §16 Abs7 GRWO, der zu Folge das Amt eines Mitgliedes oder Ersatzmitgliedes einer Wahlbehörde, sohin auch des Vorsitzenden und des stellvertretenden Vorsitzenden, aus den dort genannten Gründen endet, ist - in Verbindung mit den übrigen die Wahlbehörden und ihre Zusammensetzung regelnden Bestimmungen der GRWO - davon auszugehen, dass diesfalls eine "Nachbesetzung" zu erfolgen hat. §14 Abs4 GRWO, der bloß für den Fall des Ausscheidens bzw. für den Fall der Nichtausübung des Amtes eines Beisitzers, eines Ersatzmitgliedes oder einer Vertrauensperson regelt, dass das zur Bestellung berufene Organ die dafür in Betracht kommende Partei unverzüglich auffordern muss, einen neuen Vorschlag zu erstatten, ändert daran nichts. Die von der Anfechtungswerberin behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens liegt somit auch in dieser Hinsicht nicht vor.

2.3. Der Wahlanfechtung war aus diesen Gründen nicht stattzugeben.

Bei diesem Ergebnis war auf den von der Anfechtungswerberin gestellten Antrag, der Anfechtung gemäß §67 Abs3 VfGG aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nicht mehr einzugehen.

2.4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Wirkung aufschiebende, Wahlen, Stimmzettel, Wahlbehörden, Wahlwerbung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:WI2.2005

Dokumentnummer

JFT_09949271_05W00I02_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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