RS Vfgh 2002/9/30 B891/02 ua

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Veröffentlicht am 30.09.2002
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Index

37 Geld-, Währungs-und Kreditrecht
37/02 Kreditwesen

Norm

B-VG Art11 Abs2
B-VG Art126b Abs1, Abs5
AVG §75 ff
BankwesenG §69a
FinanzmarktaufsichtsbehördenG §17
FinanzmarktaufsichtsbehördenG §19

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit der Neuregelung der Bankenaufsicht durch Einrichtung der Finanzmarktaufsicht und Überwälzung der Kosten auf die beaufsichtigten Institute; Anknüpfung an Eigenmittelerfordernisse nach den bankrechtlichen Vorschriften und Festlegung eines Mindestkostenbeitrags nicht zu beanstanden; Zulässigkeit der Limitierung der Kosten durch einen vom Vorstand der Finanzmarktaufsicht zu erlassenden, an die Kriterien der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit gebundenen Finanzplan

Rechtssatz

Die Kostenersatzregelung ist nicht "nur deshalb, weil der Bund die Finanzmarktaufsicht aus dem BMF ausgliedert," getroffen worden, sondern (bloß) in legistischem und zeitlichem Zusammenhang mit der für erforderlich erachteten Intensivierung der Bankenaufsicht und deren Ausgliederung. Im Bereich der Wirtschaftsaufsicht hat der Gesetzgeber schon bisher in verschiedenen Zusammenhängen die Beaufsichtigten verpflichtet, die Kosten der Aufsicht (mit) zu tragen.

Die ratio solcher Regelungen liegt darin, dass in besonders sensiblen Wirtschaftsbereichen im Interesse der Funktionssicherung und des Gläubigerschutzes eine besondere öffentliche Aufsicht als geboten erachtet wird, die Sonderbelastungen des Staates mit sich bringt, es aber nicht als gerechtfertigt angesehen wird, diese Sonderbelastungen von der Allgemeinheit tragen zu lassen, sondern (zumindest teilweise auch) von jenen, die durch ihre - zu beaufsichtigende - Tätigkeit Erträge erwirtschaften wollen.

Bei der Finanzmarktaufsicht geht es um die (präventive) Abwehr besonderer Gefahren für die Allgemeinheit und für die Gläubiger, denen durch Sonderregelungen - eben die Schaffung besonderer wirtschaftsaufsichtsrechtlicher Instrumente - begegnet werden soll; auch trifft es für die Finanzmarktaufsicht zu, dass die Aufsichtsbehörde häufig mit besonders schwierigen Sachfragen konfrontiert ist. Der Verfassungsgerichtshof bezweifelt somit nicht, dass diese Sondervorschriften im Regelungszusammenhang unerlässlich sind (vgl VfSlg 15351/1998); sie widersprechen demgemäß schon deshalb dem Verfassungsgebot des letzten Halbsatzes des Art11 Abs2 B-VG nicht.

Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Kostenaufteilungsregel grundsätzlich am Eigenmittelerfordernis anknüpft, aber einen pauschalen Mindestkostenbeitrag festlegt.

Das Eigenmittelerfordernis steht in unmittelbarer Relation zur Summe der Ausleihungen und der damit verbundenen Risken eines Kreditinstituts. Weiters orientiert sich das Eigenmittelerfordernis an der Komplexität und am Risiko der jeweils entfalteten Bankgeschäfte. Die Anforderungen an die Intensität und die Qualität der Bankenaufsicht stehen in unmittelbarer Relation zu diesen Umständen. Bestimmte Aufsichtstätigkeiten sind aber auch bei Kleinstunternehmungen erforderlich. Es ist daher gerechtfertigt, alle Unternehmungen mit einem Mindestkostenanteil zu belegen.

Um die Kosten der Bankenaufsicht insgesamt zu limitieren, hat der Gesetzgeber dem Vorstand der Finanzmarktaufsicht die Aufstellung eines verbindlichen Finanzplans (einschließlich eines Investitionsplans und eines Stellenplans) aufgetragen, der aufsichtsratsgenehmigungspflichtig ist und auch den zur Finanzierung der Finanzmarktaufsicht herangezogenen Instituten in seinen wesentlichen Punkten offen zu legen ist (§17 FinanzmarktaufsichtsbehördenG). Bei der Erstellung dieses Finanzplans ist der Vorstand schon kraft der (Vor-)Wirkung des Art126b Abs1 und Abs5 B-VG an die verfassungsrechtlichen Effizienzkriterien der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit gebunden.

Die so erfolgte Limitierung der Kosten der Finanzmarktaufsicht genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen, sodass es einer Limitierung durch Festlegung einer Höchstgrenze nicht bedarf.

Entscheidungstexte

  • B 891/02 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 30.09.2002 B 891/02 ua

Schlagworte

Kreditwesen, Bankwesen, Bankenaufsicht, Kompetenz Bund - Länder, Bedarfskompetenz, Kostentragung (Verwaltungsverfahren), Rechnungshof, Ausgliederung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B891.2002

Dokumentnummer

JFR_09979070_02B00891_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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