TE Vfgh Beschluss 2005/10/3 G77/05 ua

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Veröffentlicht am 03.10.2005
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
ASVG §253b, §607 Abs12, §617 Abs13
BudgetbegleitG 2003 Art73 Teil 2
PensionsharmonisierungsG Art2

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des Budgetbegleitgesetzes 2003 und des Pensionsharmonisierungsgesetzes betreffend den Entfall der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer mangels aktueller Betroffenheit des Antragstellers

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Mit einem beim Verfassungsgerichtshof am 10. Juni 2005 eingelangten Schriftsatz beantragt der Einschreiter, näher bezeichnete Bestimmungen des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl. I Nr. 71, sowie des Pensionsharmonisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 142/2004, als verfassungswidrig aufzuheben. Die angefochtenen Bestimmungen betreffen den Entfall der vordem in §253b ASVG geregelt gewesenen vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer.

Diese - mit Ablauf des 30. Juni 2004 außer Kraft getretene (vgl. §607 Abs2 Z2 ASVG) - Bestimmung hatte samt Überschrift auszugsweise folgenden Wortlaut:

"Vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer

§253b. (1) Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer hat der Versicherte nach Vollendung des 738. Lebensmonates, die Versicherte nach Vollendung des 678. Lebensmonates, wenn

1. die Wartezeit (§236) erfüllt ist,

2. a) am Stichtag 450 für die Bemessung der Leistung zu berücksichtigende Versicherungsmonate oder

b) 420 Beitragsmonate der Pflichtversicherung erworben sind, wobei die im §236 Abs4a genannten Ersatzzeiten als Beitragszeiten der Pflichtversicherung gelten,

3. [aufgehoben]

4. der (die) Versicherte am Stichtag (§223 Abs2) weder der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz, dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz, dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz und (oder) dem Bundesgesetz über die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger unterliegt noch aus sonstigen selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeiten ein Erwerbseinkommen bezieht, das das gemäß §5 Abs2 jeweils in Betracht kommende Monatseinkommen übersteigt. Eine Pflichtversicherung auf Grund einer Beschäftigung als Hausbesorger im Sinne des Hausbesorgergesetzes bleibt hiebei außer Betracht, sofern das aus dieser Beschäftigung erzielte Entgelt das nach §5 Abs2 jeweils in Betracht kommende Monatseinkommen nicht übersteigt; das gleiche gilt für eine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz, wenn der Einheitswert des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes 2400 Euro nicht übersteigt. Eine Pflichtversicherung für die Zeit des Bezuges einer Urlaubsentschädigung oder Urlaubsabfindung gemäß §11 Abs2 zweiter Satz bleibt ebenfalls außer Betracht.

(2)-(5) ..."

Gemäß §607 Abs12 ASVG (idF des Art2 des Pensionsharmonisierungsgesetzes) sind die am 31. Dezember 2003 geltenden Bestimmungen über die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer auf männliche Versicherte, die vor dem 1. Juli 1950 geboren sind, und auf weibliche Versicherte, die vor dem 1. Juli 1955 geboren sind, so anzuwenden, dass abweichend von §253b Abs1 ASVG an die Stelle des 738. (678.) Lebensmonates das 60. (55.) Lebensjahr tritt, wenn und soweit der/die Versicherte 540 (480) Beitragsmonate erworben hat. Diese Übergangsbestimmung ist gemäß §617 Abs13 ASVG (idF des Art2 des Pensionsharmonisierungsgesetzes) auch auf männliche Versicherte, die nach dem 30. Juni 1950 und vor dem 1. Jänner 1955 geboren sind, und auf weibliche Versicherte, die nach dem 30. Juni 1955 und vor dem 1. Jänner 1960 geboren sind, anzuwenden, und zwar so, dass das Antrittsalter je nach dem Geburtsjahr des/der Versicherten schrittweise auf das 64. (59.) Lebensjahr angehoben wird.

2. Der Antrag ist unzulässig:

2.1. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation, dass das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung der Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 11.730/1988, 15.863/2000, 16.088/2001, 16.120/2001).

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).

2.2. Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben im September 1960 geboren, wird also seinen 738. Lebensmonat erst im März 2022 vollenden und hätte erst dann das gesetzliche Mindestalter für die bisherige vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer (vgl. §253b Abs1 ASVG aF) erreicht.

Daraus folgt jedoch, dass jene - angefochtenen - Bestimmungen des Budgetbegleitgesetzes 2003 und des Pensionsharmonisierungsgesetzes, mit denen die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer beseitigt worden ist, die Rechtssphäre des Antragstellers derzeit nicht aktuell berühren (vgl. VfSlg. 16.661/2002, S 422).

Der Antrag war daher - schon aus diesem Grund - mangels Legitimation zurückzuweisen, was gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden konnte.

Schlagworte

Sozialversicherung, Pensionsversicherung, Pensionsalter, VfGH / Individualantrag, Übergangsbestimmung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:G77.2005

Dokumentnummer

JFT_09948997_05G00077_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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