TE Vfgh Erkenntnis 2005/10/11 G42/05, V38/05

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Veröffentlicht am 11.10.2005
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6650 Flurverfassung

Norm

B-VG Art15
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art116a
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
ABGB §829, §830, §833, §834
F-VG 1948 §3
Verordnung der Vlbg Landesregierung über den Gemeindeverband Forstfonds des Standes Montafon - ForstfondsV, LGBl 1/2005
Vlbg GdG 1985 §50 Abs2, §60 Abs1, §94
Vlbg GemeindegutG §15, §16, §20 Abs7

Leitsatz

Keine Bedenken gegen die Errichtung des Gemeindeverbandes "Forstfonds des Standes Montafon" zur Verwaltung des Gemeindegutes durch den Landesgesetzgeber; sachliche Rechtfertigung der Regelung der Zuständigkeiten der Forstfondsverwaltung; keine Bedenken gegen die die Verwaltung des Forstfonds regelnde Forstfondsverordnung, insbesondere hinsichtlich der Kostenaufteilung auf die verbandsangehörenden Gemeinden

Spruch

Die Anträge werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Die Gemeinde Gaschurn begehrt a) die Aufhebung der §§15 und 16 sowie des §20 Abs7 des Vorarlberger Gesetzes über das Gemeindegut, LGBl. Nr. 49/1998 idF LGBl. Nr. 58/2001 (nachfolgend: Gemeindegutgesetz) als verfassungswidrig und b) die Aufhebung der Verordnung der Vorarlberger Landesregierung vom 13. Jänner 2005 über den Gemeindeverband Forstfonds des Standes Montafon, LGBl. Nr. 1/2005 (nachfolgend: Forstfondsverordnung) als gesetzwidrig. In eventu wird beantragt, bloß einzelne bestimmte - größere oder kleinere - Teile dieser Vorschriften aufzuheben.

1. Die §§15 und 16 bilden den 5. Abschnitt des Gemeindegutgesetzes und lauten:

"§15

Forstfonds des Standes Montafon

(1) Die Gemeinden Bartholomäberg, Gaschurn, Schruns, Silbertal, St. Anton i.M., St. Gallenkirch, Tschagguns und Vandans bilden einen Gemeindeverband zur Verwaltung des in ihrem ungeteilten Miteigentum stehenden Gemeindegutes oder von sonstigem Gemeindeeigentum.

(2) Der Gemeindeverband führt den Namen Forstfonds des Standes Montafon. Für ihn gilt, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, das VII. Hauptstück des Gemeindegesetzes. Seine Organe sind der Verbandsobmann (Standesrepräsentant) und die Verbandsversammlung (Forstfondsvertretung), die aus gewählten Vertretern der Gemeinden zu bilden ist. Die näheren Bestimmungen sind in einer Vereinbarung gemäß §93 Gemeindegesetz festzulegen.

(3) Der Forstfonds des Standes Montafon hat sich Satzungen (§8) zu geben. Ihm obliegen die der Gemeinde nach diesem Gesetz zustehenden Rechte und Pflichten. Der Verbandsversammlung obliegen die sonst der Gemeindevertretung und dem Gemeindevorstand zukommenden Aufgaben.

(4) Zur Beratung der Verbandsversammlung ist ein Beirat der Nutzungsberechtigten einzurichten. Die Mitglieder des Beirates sind von den Gemeindevertretungen zu entsenden. Aus jeder Gemeinde ist mindestens ein Mitglied, das auch selbst nutzungsberechtigt sein muss, zu entsenden. Die näheren Bestimmungen sind in den Satzungen festzulegen.

§16

Nutzungsrechte

Die Bestimmungen dieses Gesetzes über Nutzungsrechte und die Nutzungsberechtigten finden auf den Forstfonds des Standes Montafon mit der Maßgabe Anwendung, dass Nutzungsberechtigte Personen sein können, die in einer der im Forstfonds vertretenen Gemeinden des Standes Montafon ihren Hauptwohnsitz haben und österreichische Staatsbürger oder diesen nach dem Recht der Europäischen Union gleichgestellt sind."

Die Übergangsbestimmung des §20 Abs7 lautet:

"(7) Die den Forstfonds des Standes Montafon bildenden Gemeinden haben innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes eine Vereinbarung im Sinne des §93 des Gemeindegesetzes zu beschließen. Liegt bis zu diesem Zeitpunkt eine den Bestimmungen dieses Gesetzes entsprechende Vereinbarung nicht vor, so hat die Landesregierung eine Verordnung nach §94 des Gemeindegesetzes zu erlassen."

Das VII. Hauptstück des in den bekämpften Vorschriften bezogenen Vorarlberger Gemeindegesetzes enthält im ersten Abschnitt (§§93-96) Bestimmungen über Gemeindeverbände, und zwar über deren Bildung durch Vereinbarung der Gemeinden (§93) und durch Verordnung (§94) - die auch für die durch Gesetz oder Verordnung des Bundes gebildeten Gemeindeverbände gelten (§95) - sowie gemeinsame Bestimmungen (§96).

Die Forstfondsverordnung sieht unter anderem vor, dass die Forstfondsvertretung (Verbandsversammlung aus acht von den Gemeinden zu bestellenden Mitgliedern) unter anderem Beschlüsse über die Nutzung des Gemeindegutes, den Ankauf, Erwerb und Verkauf von Liegenschaften sowie die Beteiligung an Unternehmen beschließt (§2 Abs2 lite) und ordnet für die Abstimmung die sinngemäße Anwendung des §44 Gemeindegesetz an (§5 Abs1), der in seinem Abs1 für einen Beschluss der Gemeindevertretung die unbedingte Mehrheit der abgegebenen Stimmen fordert (und ausreichen lässt). Die Lasten werden anteilig auf die acht Gemeinden aufgeteilt.

2. Ihre Legitimation stützt die antragstellende Gemeinde auf den Umstand, dass sie als Mitglied des Gemeindeverbandes genannt und deshalb Adressat der bekämpften Gesetzesbestimmungen und der gesamten Forstfondsverordnung ist, die Verwaltung der in ihrem Miteigentum stehenden Liegenschaft eine Angelegenheit der Privatwirtschaftsverwaltung bilde und im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen sei; bei der Verordnung handle es sich zudem um ein typisches Aufsichtsmittel des Gemeinderechts.

Die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Gesetzesbestimmungen sieht sie im Übergriff auf die Zivilrechtskompetenz des Bundes und in Verstößen gegen die verfassungsrechtlichen Grundlagen für Gemeindeverbände (in Art116a B-VG), nämlich in der Unzulässigkeit der gesetzlichen Bildung von Gemeindeverbänden für die Privatwirtschaftsverwaltung und für einen weitläufigen und nicht ausreichend bestimmten Aufgabenkomplex, im Fehlen von Gründen der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und in der Verletzung des Selbstverwaltungsrechts der antragstellenden Gemeinde, insbesondere als selbständigem Wirtschaftskörper, und schon allein durch dessen bloße Gefährdung sowie im Fehlen des maßgebenden Einflusses auf die Besorgung der Aufgaben des Verbandes (weil mit bloßer Mehrheit über ordentliche und außerordentliche Verwaltung und die Veräußerung und Belastung des Gemeindegutes entschieden werde), was alles die Gemeinde auch im Gleichheits- und im Eigentumsrecht verletze.

Der Forstfondsverordnung wirft sie - abgesehen von den auch gegen das Gesetz erhobenen Bedenken - vor, ohne gesetzliche Grundlage ergangen zu sein, eine unzulässige Ersatzvornahme darzustellen und eine kompetenzwidrige Regelung der Finanzierung zu enthalten.

3. Die Vorarlberger Landesregierung als die Verordnung vertretende und zur Vertretung des Gesetzes berufene Behörde vermisst den ihrer Meinung nach erforderlichen Beschluss des Gemeindevorstandes über die Antragstellung und bezweifelt den Eingriff in die Rechtssphäre der antragstellenden Gemeinde: Der Forstfonds sei schon vor Erlassung des Gemeindegutgesetzes ein Gemeindeverband gewesen, die bekämpften Bestimmungen hätten keinen die einschlägigen Bestimmungen des Gemeindegesetzes verändernden Inhalt, die Verpflichtung zur Vereinbarung sei durch den ungenützten Ablauf der Zeit erloschen und die Verordnungsermächtigung enthalte als solche keinen Eingriff in die Rechtssphäre; bei der Forstfondsverordnung handle es sich auch nicht um eine aufsichtsbehördliche Verordnung iS des Art119a Abs6 B-VG (weil sie nicht in einem aufsichtsbehördlichen Verordnungsprüfungsverfahren ergangen sei).

In der Sache hält die Vorarlberger Landesregierung den Anträgen entgegen, dass Gegenstand des Gemeindeverbandes die Verwaltung der "seit unfürdenklichen Zeiten und seit mehreren Jahrhunderten" für die "Gerichtsangehörigen von Montafon und jeden Montafoner" von den acht "Gemeinden des Thales Montafon" (gemeinsam) als Eigentum beanspruchten Waldungen sei, auf denen öffentlich-rechtliche Nutzungsrechte für bestimmte Bürger dieser acht Gemeinden ("Standesbürger") lasteten. Schon nach der Gemeindeordnung 1864 (und gleichlautend noch jener aus 1904 sowie ähnlich nach der Gemeindeordnung 1935) sei ein gemeinsamer Ausschuss (Standesausschuss) zwecks gemeinsamer Verwaltung zu bestellen gewesen. Dieser habe im "Statut für den Standesausschuß von Montafon" vom 7. März 1865 seine Grundlage erhalten; die Nutzungsrechte seien im "Statut zur Regelung des Holzbezuges aus Montafoner Standeswaldungen" vom 1. Mai 1929 geregelt (eine von den Nutzungsberechtigten angestrebte Regulierung nach dem Flurverfassungsgesetz sei wegen Aufhebung der das Gemeindegut einbeziehenden Vorschriften durch VfSlg. 9336/1982 unterblieben, vgl. VwGH 93/07/0140 vom 28. März 1996). Bücherlicher Eigentümer der als Gemeindegut anzusehenden Waldungen sei die "Interessentschaft Stand Montafon-Forstfonds" mit teilweise leicht variierender Bezeichnung (ohne dass für die acht ihn bildenden Gemeinden Anteile ausgeworfen wären) und zu keiner Zeit hätten die Gemeinden über "ihren Anteil" am ungeteilten Miteigentum frei verfügen können.

Insgesamt laufen die Ausführungen der Vorarlberger Landesregierung darauf hinaus, dass das Gemeindegutgesetz nur den bisherigen Zustand dem neuen Gemeinderecht angepasst hätte. Es handle sich um eine gemeinderechtliche Regelung, die selbst bei Heranziehung des Art15 Abs9 B-VG nur in der erforderlichen Weise vom sonstigen Zivilrecht abweiche, Gemeindeverbände seien auch im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung zulässig und die Verwaltung der gemeinsamen Waldungen sei ein zureichend genau umschriebener einzelner Zweck, die Beibehaltung der gemeinsamen Verwaltung durch ein handlungsfähiges Organ auch zweckmäßig (zumal die Nutzungsrechte der Berechtigten aus allen acht Gemeinden sich auf alle Liegenschaften erstreckten), das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden werde durch die Bildung von Gemeindeverbänden weder verneint noch gefährdet, die Wirtschaftsfreiheit schon durch die öffentlich-rechtlichen Nutzungsrechte entscheidend beschränkt und der maßgebende Einfluss sei dadurch gesichert, dass jede der acht Gemeinden mit Sitz und Stimme gleicherweise in der Verbandsversammlung vertreten sei; das Mehrheitsprinzip verletze unter diesen Gegebenheiten weder den Gleichheitssatz noch das Eigentumsrecht der beteiligten Gemeinden.

Die Erlassung der Forstfondsverordnung sei für den Fall des Nichtzustandekommens einer Vereinbarung in §20 Abs7 Gemeindegutgesetz vorgesehen, sei keine Ersatzvornahme, aber auch das einzige Mittel, die erforderlichen Festlegungen zu treffen; ihr Inhalt entspreche den Vorgaben des Gemeindegesetzes. Dass das Mehrheitsprinzip auch für den Ankauf, Erwerb und Verkauf von Liegenschaften gelte und die Gesamtzuständigkeit der Forstfondsvertretung zukomme, sei keineswegs neu - §10 des historischen Statuts fordere die Zustimmung der Gemeindevertretungen nur für die Einhebung von Steuerzuschlägen und Gemeindeumlagen für neue Erwerbungen und Unternehmungen bzw. Darlehen hiefür anstelle der damals vom Gemeinderecht für solche Maßnahmen vorgesehenen "Volksabstimmung" -, sei aber auch sachlich notwendig und im Hinblick darauf unbedenklich, dass die Veräußerung von Gemeindegut ohnedies nur unter Bedachtnahme auf den Bedarf der Nutzungsberechtigten und nur dann zulässig ist, wenn öffentliche Interessen das Interesse an der ungeschmälerten Erhaltung des Gemeindegutes überwiegen (§11 Gemeindegutgesetz iVm §6 der Forstfondsverordnung und des dort verwiesenen §70 Gemeindegesetz), und daher auch nur selten vorkomme. Die Regelung der Finanzierung des Gemeindeverbandes obliege dem zuständigen Gesetzgeber, der eine Umlegung der Kosten auf die Mitgliedsgemeinden vorsehen könne (Hinweis auf VfSlg. 14.457/1996).

II. Die Anträge sind zulässig.

Mit der Beschwerde wurde ein die Antragstellung betreffender Beschluss der Gemeindevertretung vorgelegt. Gemäß §50 Abs2 des Vorarlberger Gemeindegesetzes kann die Gemeindevertretung für bestimmte Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung, die für die Gemeinde von wesentlicher Bedeutung sind, das - sonst aufgrund der Generalklausel des §60 Abs1 Vorarlberger Gemeindegesetz dem Gemeindevorstand obliegende - Beschlussrecht an sich ziehen. Von dieser Möglichkeit wurde zulässigerweise Gebrauch gemacht.

Die §§15 und 16 des Gemeindegutgesetzes wenden sich unter anderem namentlich an die antragstellende Gemeinde. Die darin vorgesehenen Rechtsfolgen dauern an und regeln die Rechtssphäre der antragstellenden Gemeinde in Bezug auf ihren Anteil am gemeinschaftlichen Gemeindegut. Inwieweit das im ersten Satz des §20 Abs7 enthaltene befristete Gebot, eine Vereinbarung abzuschließen als solches noch wirksam ist, kann dahingestellt bleiben, weil die im zweiten Satz der Landesregierung erteilte Ermächtigung zur Erlassung einer Verordnung von der Nichterfüllung dieser Verpflichtung abhängig war und die Ermächtigung nicht bloß als solche, sondern in Verbindung mit der erlassenen Verordnung angefochten wird (vgl. VfSlg. 15.316/1998, 16.808/2003 und G200/03 ua bzw. V93/03 ua). Auch die Forstfondsverordnung der Vorarlberger Landesregierung hat die antragstellende Gemeinde zum Adressaten und betrifft ihre Rechtsstellung bei Verwaltung der in Rede stehenden Waldungen. Sie bildet sowohl für alle im Gemeindeverband zusammengeschlossenen Gemeinden wie auch in allen ihren Teilen unter dem Blickwinkel der primär vorgetragenen Bedenken eine untrennbare Einheit. Es wäre nicht möglich, einzelne - allenfalls nicht aktuell wirksame - Teile herauszulösen.

Es ist auch kein anderer zumutbarer Weg erkennbar, auf dem die von der antragstellenden Gemeinde erhobenen Bedenken an den Verfassungsgerichtshof herangetragen werden könnten.

Soweit sich die Bedenken nur auf einzelne Teile der angegriffenen Normen beziehen, ist der Sitz dieser Bedenken in den Eventualanträgen zureichend bestimmt.

III. Die vorgetragenen Bedenken treffen aber nicht zu. Aus diesen Gründen sind weder die §§15, 16 und 20 Abs7 des Gemeindegutgesetzes verfassungswidrig noch die Regelungen der Forstfondsverordnung gesetzwidrig.

1. Auszugehen ist davon, dass die im Gemeindeverband Forstfonds des Standes Montafon zusammengeschlossenen Gemeinden nach ihrem Selbstverständnis seit Jahrhunderten Miteigentümer der in Rede stehenden, sich über ihre Gemeindegebiete erstreckenden Liegenschaften sind und diese Liegenschaften mit Nutzungsrechten öffentlich-rechtlicher Art zugunsten bestimmter Personen mit Hauptwohnsitz in einer dieser Gemeinden belastet sind. Allein schon deshalb ist die antragstellende Gemeinde für die Ausübung der Eigentumsrechte an diesen Liegenschaften in eine Gemeinschaft eingefügt und auf einen bloßen Anteil verwiesen, der im Wesentlichen nur in Mitwirkungsrechten an der gemeinsamen Verwaltung der Liegenschaften bestehen kann; auch nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Rechts würde dabei die Mehrheit der Stimmen entscheiden (§§833, 834 ABGB; nur bei wichtigen Veränderungen könnten die Überstimmten, wenn sie nicht austreten wollen, den Richter anrufen). Die im Bürgerlichen Recht mögliche Verfügung über den Anteil als solchen (§829) und die Möglichkeit, die Aufhebung der Gemeinschaft durch Teilung zu verlangen (§830), ist durch die öffentlich-rechtliche Zweckbindung als Gemeindegut ausgeschlossen.

Wenn unter diesen Umständen zur Verwaltung des im Miteigentum stehenden Gemeindegutes ein in Art116a B-VG vorgesehener Gemeindeverband gebildet wird, ist das geradezu unvermeidlich. Der öffentlich-rechtliche Zusammenschluss überformt die privatrechtliche Grundlage ohnedies nur, soweit der Zweck des Gemeindegutes es erfordert.

Der Verfassungsgerichtshof kann daher keinem der Vorwürfe gegen die Bildung des Gemeindeverbandes beipflichten.

Die einschlägigen Abs2 und 3 des Art116a B-VG lauten:

"(2) Im Interesse der Zweckmäßigkeit kann die zuständige Gesetzgebung (Art10 bis 15) zur Besorgung einzelner Aufgaben die Bildung von Gemeindeverbänden vorsehen, doch darf dadurch die Funktion der Gemeinden als Selbstverwaltungskörper und Verwaltungssprengel nicht gefährdet werden. Bei der Bildung von Gemeindeverbänden im Wege der Vollziehung sind die beteiligten Gemeinden vorher zu hören.

(3) Soweit Gemeindeverbände Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde besorgen sollen, ist den verbandsangehörigen Gemeinden ein maßgebender Einfluss auf die Besorgung der Aufgaben des Gemeindeverbandes einzuräumen."

Die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers zur Bildung und Regelung des Gemeindeverbandes folgt aus seiner Zuständigkeit zur Regelung der Rechtsverhältnisse am Gemeindegut (vgl. VfSlg. 9336/1982 Pkt. II.2. und III.1.), die notwendigerweise zivilrechtliche Angelegenheiten miteinschließt. Dass zur Besorgung einzelner Aufgaben der Privatwirtschaftsverwaltung Gemeindeverbände nicht durch Gesetz vorgesehen werden dürften, lässt sich aus keiner Vorschrift der Verfassung ableiten (vgl. daher auch VfSlg. 12.189/1989 und 13.985/1994). Es braucht folglich nicht untersucht werden, inwieweit die Verwaltung des Gemeindegutes angesichts des öffentlich-rechtlichen Charakters der Nutzungsrechte überhaupt Privatwirtschaftsverwaltung darstellt. Der Landesgesetzgeber ist zur Einrichtung des Gemeindeverbandes daher gemäß Art15 B-VG zuständig. Dass es sich bloß um die Besorgung einzelner Aufgaben handelt, folgt schon daraus, dass die Verwaltung des Gemeindegutes eine besondere, auf ein bestimmtes Objekt begrenzte Aufgabe ist, die vielen Gemeinden mangels eines Gemeindegutes gar nicht zukommt. Daher kann auch die Funktion der Gemeinde als Selbstverwaltungskörper und Verwaltungssprengel durch die Bildung dieses Gemeindeverbandes nicht gefährdet sein. Alle Mitgliedsgemeinden haben auch den ihnen gebührenden (und damit maßgeblichen) anteiligen Einfluss.

2. Was die Verfügung über die Substanz - insbesondere also die Veräußerung oder Belastung einer gemeinsamen Liegenschaft - betrifft, ist dazu nach Bürgerlichem Recht (weil sie immer auch den ideellen Anteil aller als solchen betrifft) das Einvernehmen aller Teilhaber nötig (§828 ABGB e contrario). Die von der antragstellenden Gemeinde auch unter dem Blickwinkel der Gleichheits- und der Eigentumsverletzung gerügte Ermächtigung der Forstfondsvertretung, selbst die Veräußerung und Belastung von Grundstücken mit Mehrheit zu beschließen, ist jedoch in Anbetracht der Zweckbindung des Gemeindegutes sachlich gerechtfertigt. Nicht nur, dass einer fehlenden Einstimmigkeit hier nicht durch die (im Bürgerlichen Recht gewährleistete) Möglichkeit einer Teilung begegnet werden könnte, die Veräußerung (und Belastung) von Gemeindegut steht den Gemeinden auch gar nicht frei und ist nur bei überwiegendem öffentlichen Interesse zulässig; grundsätzlich ist das Gemeindegut vielmehr ungeschmälert zu erhalten (§§5 und 11 Abs1 Gemeindegutgesetz). Wenn dennoch die Zuständigkeit der Forstfondsvertretung für (mit Stimmenmehrheit zu fassende) "Beschlüsse über ... den Ankauf, Erwerb und Verkauf von Liegenschaften" vorgesehen ist (§2 Abs2 lite der Verordnung), trägt das dem Interesse an einem gewissen Spielraum bei Bestimmung des Umfanges des Gemeindegutes Rechnung, wobei allfälligen Verkäufen entsprechende Ankäufe gegenüberstehen müssen. Schon die daraus fließende Möglichkeit, Nutzungsrechte an Teilen des Gemeindegutes unter Wahrung der Substanz auf neue Liegenschafen zu übertragen, rechtfertigt es auch, im Zuge der Verwaltung der Waldungen gemeinsame, also vom Forstfonds erworbene Liegenschaften, die nicht zum Gemeindegut gehören, im Übrigen den Regeln über dessen Verwaltung mit zu unterwerfen.

Die von den Parteien erörterte Frage, ob das Statut von 1865 für bestimmte Beschlüsse Einstimmigkeit vorgesehen hat, ist für die Beurteilung der Gesetzmäßigkeit der in Prüfung stehenden Verordnung ohne Bedeutung.

3. Nach §7 der Verordnung tragen die verbandsangehörenden Gemeinden zum Aufwand des Gemeindeverbandes im Verhältnis der Einwohnerzahl bei (Abs1); im selben Ausmaß haften sie untereinander für Verbindlichkeiten des Fonds (Abs2) und haben sie auch zur Deckung von Abgängen beizutragen, die nicht ohne Heranziehung der Substanz ausgeglichen werden können (Abs3). Das entspricht §94 Abs5 Vorarlberger Gemeindegesetz ("... entsprechend dem Umfang der Aufgaben, die der Gemeindeverband für die einzelnen Gemeinden besorgt ..."). Welche Verfassungsbestimmung einer solchen Regelung entgegenstehen sollte, ist unerfindlich. Dass §3 F-VG die Finanzierung der Gemeindeverbände (mit Ausnahme der im letzten Satz des Abs2 behandelten, im Zeitpunkt des Inkrafttreten des Gesetzes bestehenden Gemeindeverbände) ungeregelt gelassen hat, ist offenkundig. Dass aber der zuständige Gesetzgeber vorsehen kann, dass die Kosten auf die Mitgliedsgemeinden umgelegt werden, hat der Verfassungsgerichtshof schon in VfSlg. 14.457/1996 entschieden. Hier ist das nach dem Gesagten jedenfalls der Landesgesetzgeber.

Die Anträge sind daher insgesamt abzuweisen.

Eine mündliche Verhandlung war entbehrlich (§19 Abs4 erster Satz VfGG).

Schlagworte

Bodenreform, Flurverfassung, Gemeinderecht, Gemeindeverband, Vertretung nach außen, Kompetenz Bund - Länder, Annexmaterie, Kompetenz Bund - Länder Bodenreform, Kompetenz Bund - Länder Zivilrechtswesen, Privatwirtschaftsverwaltung, VfGH / Individualantrag, VfGH / Legitimation, Zivilrecht, Übergangsbestimmung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:G42.2005

Dokumentnummer

JFT_09948989_05G00042_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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