TE Vfgh Erkenntnis 2005/10/12 WI-10/04

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Veröffentlicht am 12.10.2005
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Index

60 Arbeitsrecht
60/03 Kollektives Arbeitsrecht

Norm

B-VG Art141 Abs1 lita
AKG 1992 §21 Z3
Assoziierungsabkommen EWG-Türkei. Beschluß des Assoziationsrates Nr 1/80 Art10 Abs1
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
EG Art310

Leitsatz

Keine Stattgabe der Anfechtung der Arbeiterkammerwahl für Wien 2004; keine Diskriminierung durch den Ausschluss bestimmter Drittstaatsangehöriger vom passiven Wahlrecht aufgrund des Arbeiterkammergesetzes und der unmittelbaren Anwendbarkeit bestimmter europarechtlicher Abkommen; sachliche Rechtfertigung für daraus resultierende nach der Staatsangehörigkeit von Fremden differenzierende gesetzliche Regelungen aufgrund der Mitwirkungsbefugnisse der Arbeiterkammer an der staatlichen Verwaltung und der entwicklungs- und außenpolitischen Ziele der Assoziierungsabkommen

Spruch

Der Wahlanfechtung wird nicht stattgegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Der Wahl zur Vollversammlung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien (im Folgenden: Arbeiterkammer Wien) vom 3. bis 14. Mai 2004 lagen die von den folgenden wahlwerbenden Gruppen eingebrachten, gemäß §37 Arbeiterkammergesetz 1992, BGBl. 1991/626, idF BGBl. I 2001/98, (AKG) und §32 Arbeiterkammer-Wahlordnung, BGBl. II 1998/340, idF BGBl. II 2001/490, (AK-WO) abgeschlossenen und veröffentlichten Wahlvorschläge zu Grunde:

1. Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter/innen - Liste Herbert Tumpel (FSG), 2. ÖAAB - Christliche Gewerkschafter (ÖAAB),

3. Freiheitliche Arbeitnehmer (FPÖ) (FA), 4. Alternative und Grüne GewerkschafterInnen/Unabhängige GewerkschafterInnen (AUGE/UG),

5. Grüne Arbeitnehmer (GA), 6. Bündnis Mosaik - Liste Levent Öztürk (BM), 7. Gewerkschaftlicher Linksblock (GLB), 8. Bunte Demokratie für Alle (BDFA).

1.2. Laut Kundmachung der Hauptwahlkommission bei der Arbeiterkammer Wien vom 25. Mai 2004 entfiel (bei insgesamt 605.943 Wahlberechtigten) von den insgesamt 278.857 abgegebenen gültigen Stimmen - 4.746 Stimmen wurden als ungültig bewertet - und von den 180 zu vergebenden Mandaten auf diese wahlwerbenden Gruppen jeweils die nachstehend genannte Anzahl von Stimmen und Mandaten:

        FSG               193.241 Stimmen, 128 Mandate,

        ÖAAB               40.274 Stimmen,  26 Mandate,

        FA                 12.012 Stimmen,   7 Mandate,

        AUGE/UG            15.890 Stimmen,  10 Mandate,

        GA                  6.753 Stimmen,   4 Mandate,

        BM                  4.946 Stimmen,   3 Mandate,

        GLB                 3.016 Stimmen,   1 Mandat,

        BDFA                2.725 Stimmen,   1 Mandat.

2.1. Mit Schreiben vom 1. Juni 2004 (berichtigt mit Schriftsatz vom 3. Juni 2004) focht die wahlwerbende Gruppe "Bunte Demokratie für Alle (BDFA)" (im Folgenden: "BDFA") gemäß §42 Abs1 AKG und §57 Abs1 AK-WO die Gültigkeit der Wahl beim zuständigen Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit an. Begründend wurde dazu - im Wesentlichen - ausgeführt:

In dem von der wahlwerbenden Gruppe BDFA eingebrachten Wahlvorschlag sei ursprünglich an erster Stelle ein Wahlwerber gereiht gewesen, der Staatsbürger der Bundesrepublik Serbien-Montenegro ist. Die Hauptwahlkommission habe jedoch in ihrer Sitzung am 5. April 2004 entschieden, diesen Wahlwerber (wegen des Fehlens der österreichischen oder "einer dieser gleich zu haltenden Staatsbürgerschaft") mangels Wählbarkeit vom Wahlvorschlag zu streichen. Da kraft unmittelbar anwendbaren Rechts der Europäischen Gemeinschaft Bürgern jener Staaten, die entweder der Europäischen Union bzw. dem Europäischen Wirtschaftsraum angehörten oder mit der Europäischen Gemeinschaft ein Assoziationsabkommen geschlossen hätten, (bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen) das passive Wahlrecht zur Vollversammlung der Arbeiterkammer zukomme, stelle der mit §21 AKG iVm. §29 AK-WO bewirkte Ausschluss von Angehörigen der übrigen Staaten eine iSd. ArtI des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 1973/390, verbotene Diskriminierung dar. Darin liege eine Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens, die das Wahlergebnis maßgeblich beeinflusst habe.

2.2. Mit Bescheid vom 7. Oktober 2004 wies der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit diese Anfechtung - auf das Wesentliche zusammengefasst - mit folgender Begründung ab:

Zu Folge §21 Z3 AKG iVm. §41 der Nationalrats-Wahlordnung 1992 (NRWO) komme das passive Wahlrecht zu den Vollversammlungen der Arbeiterkammern grundsätzlich nur österreichischen Staatsbürgern zu. Im Hinblick auf das Urteil des EuGH vom 8. Mai 2003, Rs. C-171/01, dürfe jedoch kraft unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechtes - neben Bürgern eines Mitgliedstaates der Europäischen Union - auch ausländischen Beschäftigten, die aus einem Abkommen der Gemeinschaft mit jenem Staat, dessen Angehörige sie sind, Anspruch auf Gleichbehandlung hinsichtlich der Arbeitsbedingungen haben, das passive Wahlrecht zu den Vollversammlungen nicht verwehrt werden. Zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Serbien-Montenegro bestehe aber ein derartiges Assoziationsabkommen nicht; für die Beurteilung der Wählbarkeit von Angehörigen dieses Staates sei daher - wovon die Hauptwahlkommission zu Recht ausgegangen sei - allein §21 Z3 AKG iVm.

§41 NRWO maßgeblich. Die unterschiedliche Behandlung von Staatsangehörigen Serbien-Montenegros und von Angehörigen von "Assoziationsstaaten" sei daher auf Grund der - durch das Gemeinschaftsrecht bewirkten - unterschiedlichen Rechtsstellung dieser Personen sachlich gerechtfertigt. Die von der Anfechtungswerberin behauptete Verletzung des BVG BGBl. 1973/390 liege daher nicht vor.

3.1. Mit ihrer am 5. November 2004 zur Post gegebenen, auf Art141 Abs1 lita B-VG gestützten und an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Wahlanfechtung begehrt die Wählergruppe BDFA

"der Verfassungsgerichtshof möge ... in Stattgebung der Anfechtung die Wahl zur Vollversammlung der Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien 2004 für nichtig erklären und als rechtswidrig aufheben".

Dazu bringt die Anfechtungswerberin das Folgende vor:

"Zur Relevanz des unten näher dargelegten Verstoßes sei ausgeführt, dass die AW [(Anfechtungswerberin)] durch die Streichung des Hrn. [Z. K.] von ihrer KandidatInnenliste gerade eine von ihr besonders umworbene Gruppe von Wählerinnen und Wählern nicht oder nicht mehr im ursprünglich beabsichtigten Ausmaß ansprechen konnte, nämlich jene, welche der gestrichene Kandidat als Listenführer selbst repräsentiert - die Gruppe ausländischer ArbeitnehmerInnen, die nicht durch Assoziationsabkommen begünstigt sind. Diese WählerInnengruppe macht einen deutlichen, in vielen Betrieben sogar den relativ größten Anteil der Wählerinnen und Wähler aus. Von einem relevanten Einfluss des oben aufgezeigten Rechtsverstoßes auf das Wahlergebnis ist daher auszugehen. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass diese Streichung das WählerInnenverhalten und somit den Ausgang der Wahl beeinflussen konnte (siehe auch VfGH 3.12.2003 WI-14/99).

1. Verletzung des Rechts auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander

Nach dem Bundesverfassungsgesetz betreffend das Verbot rassischer Diskriminierung (BGBl. 1973/390 - BVG RDK), welches zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung erlassen worden ist, ist jede Form rassischer Diskriminierung untersagt. In den 90'er Jahren entwickelte der Verfassungsgerichthof die nunmehr ständige Rechtsprechung, dass ArtI Abs1 BVG RDK nicht nur eine objektive Staatszielbestimmung ist, sondern auch Einzelnen ein subjektives öffentliches Recht einräumt. Mit der genannten Bestimmung wird der Inhalt des österreichischen Gleichheitssatzes gem. Art7 B-VG und Art2 StGG auf das Verhältnis von Fremden untereinander ausgeweitet ... Dieses Diskriminierungsverbot bedeutet jedoch nicht, dass Fremde immer absolut gleich zu behandeln sind, sondern lediglich solche Unterscheidungen normiert werden können, welche eine sachliche Rechtfertigung haben. Für Differenzierungen muss also ein vernünftiger Grund vorliegen und die Maßnahme muss verhältnismäßig sein.

Die belangte Behörde stellt im angefochtenen Bescheid zunächst fest, dass das Primär- und Sekundärrecht der Europäischen Gemeinschaften den Staatsangehörigen der EU-Staaten das passive Wahlrecht bei den Wahlen der Vollversammlung der Kammer für Arbeiter und Angestellte einräumt und aufgrund des Diskriminierungsverbotes, welches ein Bestandteil der von der EU mit verschiedenen Staaten abgeschlossenen Abkommen ist, dieses Recht auch den Staatsangehörigen der Türkei, Marokko, Tunesien, Algerien, Rumänien und Bulgarien gewährt werden muss. Auch der EuGH bestätigt dies mit seinem Urteil in der Rs. C-465/01 (Kommission/Österreich) vom 16.09.2004.

Es ist unzweifelhaft, dass die Bestimmung des §21 AKG bzw. §29 AK-WO, welche sich bei den Wählbarkeitsvoraussetzungen an §41 NRWO orientiert, bei gemeinschaftsrechtskonformer Interpretation dahingehend verstanden werden muss, dass nicht nur die österreichischen StaatsbürgerInnen zur Vollversammlung der Kammer für Arbeiter und Angestellte gewählt werden können, sondern auch EWR-BürgerInnen, sowie Staatsangehörige der Staaten, mit denen die Europäische Union ein Abkommen gem. Art238 EGV-alt abgeschlossen hat, in welchem [die] Gleichbehandlung von ArbeitnehmerInnen hinsichtlich der sonstigen Arbeitsbedingungen normiert wird.

Dieses Zwischenergebnis fördert zu Tage, dass gewissen Drittstaatsangehörigen (Staatsangehörigen der Türkei, Algerien, Marokko, Tunesien, Bulgarien, Rumänien) das passive Wahlrecht bei den Wahlen zur Vollversammlung der Kammer für Arbeiter und Angestellte zuerkannt ist und anderen Drittstaatsangehörigen wiederum nicht, sodass eine Ungleichbehandlung zwischen diesen beiden Gruppen von Fremden vorliegt. Wie jedoch bereits oben ausgeführt, ist nicht jedwede Ungleichbehandlung schlechthin verfassungsgesetzlich untersagt, sondern nur solche, die sachlich nicht gerechtfertigt sind.

Die belangte Behörde vertritt im angefochtenen Bescheid die Rechtsauffassung, dass die sachliche Rechtfertigung für eine unterschiedliche Behandlung von serbischen Staatsangehörigen und Staatsangehörigen aus Assoziationsstaaten in deren unterschiedlicher Rechtstellung zu sehen ist und nach der Judikatur des OGH Staatsverträge, insbesondere der EU-Beitrittsvertrag, eine sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung von AusländerInnen darstellen. Weiters argumentiert die belangte Behörde, dass der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 13.836/1994 ausgesprochen hat, dass Regelungen unsachlich wären, die eine Schlechterstellung von Angehörigen bestimmter Staaten bewirken und keine sachlichen Gründe haben, sondern eine nach ihrer Staatsangehörigkeit abgegrenzte Gruppe von Fremden allein aus dem Grund ihrer Angehörigkeit zu einem bestimmten Staat diskriminieren.

Es ist zunächst der Rechtsansicht der belangten Behörde zuzustimmen, dass Staatsverträge eine sachliche Rechtfertigung für eine unterschiedliche Behandlung darstellen können. Dies ist jedoch nicht schrankenlos. So z.B. erkennt Korinek in der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zwei Grenzen: Diese Abkommen müssen der allgemeinen Staatenpraxis entsprechen und ihr Inhalt darf nicht auf eine nach dem Übereinkommen zur Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung und damit auf eine vom BVG RDK verpönte Diskriminierung hinauslaufen. Er folgert daraus, dass Staatsverträge nicht schlechthin vom Gewährleistungsgehalt der Konvention eximieren können, sondern auf ihre sachliche Rechtfertigung zu hinterfragen sind (siehe Korinek Karl, Der gleichheitsrechtliche Gehalt des BVG gegen rassische Diskriminierung, in: FS Rill, 1995, S. 189). So begründet Korinek, ... dass es evident ist, dass die vom Verfassungsgerichtshof entwickelten Kriterien, unter welcher Voraussetzung eine staatsvertragliche Regelung einen Rechtfertigungsgrund für eine Ungleichbehandlung von AusländerInnen darstellt, für die Zugehörigkeit zu einer supranationalen Organisation, wie sie die EU ist oder für die Teilnahme an einem umfassenden Wirtschaftsraum, zutreffen.

Daher sind gemäß Korinek die jeweiligen Abkommen nach ihrem Inhalt und Zweck zu überprüfen. Dieser Auffassung folgend, kann hinsichtlich der Besserstellung der EU- bzw. EWR-BürgerInnen keine vom BVG RDK verpönte Diskriminierung festgestellt werden. Dasselbe gilt auch für die Besserstellung von türkischen ArbeitnehmerInnen aufgrund des von der damaligen EWG mit der Republik Türkei abgeschlossenen völkerrechtlichen Vertrags (das Assoziationsabkommen EWG - Türkei), da der Zweck dieses Abkommens die schrittweise Heranführung der Republik Türkei an die EWG war, mit dem Ziel, der Türkei einen Beitritt zu ermöglichen (Beitrittsassoziation). Das Assoziierungsabkommen hat nach seinem Artikel 2 das Ziel, eine beständige und ausgewogene Verstärkung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien zu fördern, und zwar im Bereich der Arbeitskräfte durch die schrittweise Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Artikel 12) sowie durch die Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit (Artikel 13) und des freien Dienstleistungsverkehrs (Artikel 14), um die Lebenshaltung des türkischen Volkes zu verbessern und den späteren Beitritt der Republik Türkei zur Gemeinschaft zu erleichtern (vierte Begründungserwägung der Präambel und Artikel 28). Zu diesem Zweck war auch die Herstellung einer Zollunion zwischen der Türkei und der EWG vorgesehen, welche mit dem Beschluss des Assoziationsrates EG-Türkei Nr. 1/1995 ab dem 01.01.1996 verwirklicht wurde. In diesem Abkommen wird auch eindeutig festgestellt, dass die Vertragsparteien sich von den Art48, 49, 50 EGV-alt leiten lassen werden, um untereinander die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schrittweise herzustellen (Art12 Ass.Abk. EWG-Türkei). Ähnliches gilt auch für die Staatsangehörigen von Rumänien und Bulgarien, welche ihre Integration mit der EU derart vertieft haben, dass sie in nächster Zeit als Mitglieder dieser supranationalen Organisation aufgenommen werden.

Hinsichtlich der Abkommen mit den maghrebinischen Staaten Marokko, Algerien und Tunesien ist jedoch festzustellen, dass keine derartig umfassenden Ziele vereinbart worden sind, sodass eine unterschiedliche Behandlung (Besserstellung) zu rechtfertigen wäre. So ist zum Beispiel das Ziel des Abkommens mit Marokko nach seinem

Artikel 1, eine globale Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien zu fördern, um zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung Marokkos beizutragen und die Vertiefung ihrer Beziehungen zu erleichtern. Diese Zusammenarbeit wird nach Titel I auf wirtschaftlichem, technischem und finanziellem Gebiet, nach Titel II auf dem Gebiet der handelspolitischen Zusammenarbeit und nach Titel III im Bereich der Arbeitskräfte hergestellt. Die Zielbestimmungen der Abkommen mit Algerien und Tunesien sind mit der oben zitierten Bestimmung wortident. Daraus ist ersichtlich, dass die Vertragsparteien keine umfassende Vertiefung der Beziehungen erreichen wollten, sodass diesen Staaten z.B. die Teilnahme an einem gemeinsamen Markt im Wege der Ausweitung der Zollunion ermöglicht würde. Nach Inhalt und Zielbestimmungen dieser Abkommen ist kein vernünftiger Grund zu erkennen, welcher die diskriminatorische Besserstellung dieser Staatsangehörigen gegenüber anderen Drittstaatsangehörigen zu rechtfertigen vermag.

Aus diesem Grund verstößt die Schlechterstellung von Drittstaatsangehörigen im Verhältnis zu den Staatsangehörigen von Algerien, Tunesien und Marokko [gegen] ArtI Abs1 BVG RDK und ist somit verfassungswidrig, da die Ziele und der Inhalt der Abkommen der EU mit diesen Staaten keine sachliche Rechtfertigung für diese unterschiedliche Behandlung darstellen. Bei einer verfassungskonformer Interpretation des §21 AKG bzw. des §29 AK-WO hätte die belangte Behörde zum Ergebnis kommen müssen, dass die Streichung des Hrn. [Z. K.] aus dem Wahlvorschlag der AW verfassungswidrig gewesen ist und ihm das passive Wahlrecht einräumen müssen. Aufgrund der Aberkennung der Wählbarkeit des Hrn. [Z. K.], welche entweder auf einer verfassungswidrigen Bestimmung basiert, oder darauf, dass die Behörde dem Gesetz fälschlich einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt, ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit behaftet.

2. Verletzung des Gleichheitssatzes

Art 7 B-VG und Art2 StGG enthält das Verbot der Ungleichbehandlung aus sachlich nicht gerechtfertigten Gründen. Dieses generelle Diskriminierungsverbot ist jedoch grundsätzlich den StaatsbürgerInnen vorbehalten. Fraglich ist jedoch, ob eine Beschränkung der Normsetzungsbefugnis des Gesetzgebers bei der Differenzierung auch zwischen In- und AusländerInnen vorliegt. Hierzu vertritt Korinek in seiner bereits zuvor genannten Abhandlung (... hier S. 190 ff) die Auffassung, 'dass die maßgebliche Bestimmung des ArtI Abs2 BVG gegen rassische Diskriminierung als Ermächtigung an den (einfachen) Gesetzgeber formuliert ist: Es heißt nicht, dass Ausländer und Staatsbürger anders zu behandeln sind, sondern, dass Abs1 'nicht hindert' österreichischen Staatsbürgern besondere Rechte einzuräumen und besondere Verpflichtungen aufzuerlegen'. Daraus leitet er ab, dass diese Ermächtigung nicht völlig schrankenlos und ohne jede weitere Determinierung sein kann. Vielmehr begrenze das BVG RDK diese Ermächtigung dahingehend, dass die Differenzierung zwischen In- und AusländerInnen auf ihre sachliche Rechtfertigung hinterfragt werden muss ...

Daher ist der Ausschluss von Drittstaatsangehörigen von der Teilnahme an den Wahlen der Vollversammlung der Kammer für Arbeiter und Angestellte dahingehend zu hinterfragen, ob diesbezüglich eine sachliche Rechtfertigung vorliegt.

Korinek vertritt die Auffassung, dass eine allfällige Sonderbehandlung österreichischer StaatsbürgerInnen häufig dann sachlich rechtfertigbar ist, wenn sie als Ausdruck des völkerrechtlichen Grundsatzes des spezifischen Treueverhältnisses des Staates und seiner Angehörigen zueinander gesehen werden kann. Nach Seidl-Hohenveldern steht ein Volk zu einem bestimmten Staat in einem gegenseitigen Treueverhältnis. Dieses gegenseitige Treueband umfasst ein Aufenthalts- und Rückkehrrecht in das Staatsgebiet und das Recht an der politischen Willensbildung im Staat teilzunehmen bzw. auf die Regierung Einfluss zu nehmen. Diesen Rechten entspricht die Wehr- oder Dienstpflicht der Staatsbürger (siehe Seidl-Hohenveldern Ignaz,

Die Staaten, in: Neuhold Hanspeter/Hummer Waldemar/Schreuer Christoph, Österreichisches Handbuch des Völkerrechts, Bd. I, S. 134 ff). Auch mit diesem Grundsatz verbunden ist die Besorgung hoheitlicher Aufgaben und die Wahrnehmung allgemeiner Belange des Staates. Demnach dürfen Verwendungen, die ein Verhältnis besonderer Verbundenheit zu Österreich voraussetzen, nur mit StaatsbürgerInnen besetzt werden (siehe Öhlinger Theo, Verfassungsrecht, 2003, 349 f).

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 2.3.2001 WI-14/99 dargelegt, dass die Arbeiterkammer im übertragenen Wirkungsbereich Aufgaben der staatlichen Verwaltung, die ihnen durch Gesetz übertragen werden, wahrnehmen können, tatsächlich nennenswerte gesetzliche Regelungen dieser Art, mit Ausnahme von Regelungen des ArbVG, allerdings nicht bestehen.

In diesem Beschluss stellte der Gerichtshof auch fest, dass die zahlreichen Befugnisse der österreichischen Arbeiterkammern zur Mitwirkung an der staatlichen (Wirtschafts- und Sozial-)Verwaltung, insbesondere auch zur Entsendung von Mitgliedern in staatliche (Verwaltungs-)Organe, diesen im Allgemeinen keinen Anteil an der staatlichen Hoheitsverwaltung geben.

Die Tätigkeit als Kammerrat bedingt kein spezifisches gegenseitiges Treueverhältnis. Dies ist auch daraus ersichtlich, dass auch die Unionsbürger das passive Wahlrecht bei den Wahlen zur Vollversammlung der Kammer für Arbeiter und Angestellte haben. Würde die Tätigkeit als Kammerrat nämlich dieses Treueverhältnis voraussetzen, so würde diese Funktion unter die Ausnahmeregelung des Art39 Abs4 EG fallen. Die ständige Rechtsprechung des EuGH sieht solche Funktionen als aus dem Geltungsbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit ausgenommen, welche 'ein Verhältnis besonderer Verbundenheit des jeweiligen Stelleninhabers zum Staat sowie die Gegenseitigkeit von Rechten und Pflichten voraussetzen, die dem Staatsangehörigkeitsband zugrunde liegen' (siehe EuGH Rs. 149/79, Kommission/Belgien, Urteil vom 17.02.1980, Rndnr. 10 ...). Der EuGH hat jedoch bereits mehrmals entschieden, dass diese Ausnahmeregelung des Art39 Abs4 EG im beschwerdegegenständlichen Sachverhalt nicht greift (beginnend mit dem Urteil in der Rs. C-213/90, ASTI I, vom 04.07.1991, Slg. 1991, I-03507, und zuletzt hinsichtlich der Arbeiterkammer in Österreich mit seinem Urteil in der Rs. C-171/01, Wählergruppe Gemeinsam, vom 08.05.2003, Slg. 2003, I-4301; sowie mit dem Urteil in der Rs. C-465/01, Kommission/Österreich, vom 16.09.2004).

Aus diesen Gründen stellt der Grundsatz eines spezifischen Treueverhältnisses des Staates und seiner Angehörigen zueinander keinen Grund dar, welcher die unterschiedliche Behandlung von Drittstaatsangehörigen hinsichtlich des passiven Wahlrechts bei den Wahlen zur Vollversammlung der Kammer für Arbeiter und Angestellte sachlich rechtfertigt. Es sind auch keine sonstigen gewichtigen Gründe auffindbar, welche diese Unterscheidung sachlich rechtfertigen und verhältnismäßig erscheinen lassen.

Da aufgrund der oben genannten Ausführungen Bedenken hinsichtlich der Verfassungskonformität der §21 AKG bzw. §29 AK-WO bestehen, wird die Einleitung eines Gesetzesüberprüfungsverfahrens nach Art140 B-VG angeregt."

3.2. Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit legte die Wahlakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der beantragt wird, der Wahlanfechtung nicht stattzugeben.

In der Gegenschrift wird ua. das Folgende ausgeführt:

"Zur Verletzung des Rechtes auf Gleichstellung von Fremden untereinander ...:

...

Die belangte Behörde kam in dem angefochtenen Bescheid zu dem Ergebnis, dass nach dem Gemeinschaftsrecht die Gleichbehandlung von Staatsangehörigen der Assoziationsstaaten mit eigenen Staatsangehörigen bzw. Angehörigen von Staaten, die Vertragsparteien des EWR-Abkommens sind, geboten ist. Umgekehrt folgt daraus, dass eine Gleichbehandlung von Angehörigen von Staaten, die kein Assoziationsabkommen mit der Europäischen Gemeinschaft abgeschlossen haben, gerade nicht geboten ist. Die sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung von serbischen Staatsangehörigen und Staatsangehörigen aus Assoziationsstaaten ist also in deren unterschiedlicher Rechtsstellung zu sehen.

Auch die Anfechtungswerberin stimmt in ihren Ausführungen der Rechtsansicht zu, dass Staatsverträge eine sachliche Rechtfertigung für die Differenzierung zwischen den Angehörigen verschiedener Staaten bilden können. In weiterer Folge gesteht die Anfechtungswerberin auch zu, dass hinsichtlich der Besserstellung von Angehörigen von Mitgliedstaaten der Europäischen Union bzw. von Staaten, die Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind, keine dem Bundesverfassungsgesetz gegen rassische Diskriminierung widersprechende Diskriminierung festgestellt werden kann. Zu demselben Ergebnis kommt die Anfechtungswerberin schließlich auch hinsichtlich der Arbeitnehmer aus Staaten, die mit der Europäischen Gemeinschaft Assoziationsabkommen mit dem Ziel einer weiter gehenden Vertiefung der Integration bzw. einem geplanten Beitritt abgeschlossen haben (Türkei, Bulgarien, Rumänien).

Der Verstoß gegen das Bundesverfassungsgesetz gegen rassische Diskriminierung ergebe sich laut den Ausführungen der Anfechtungswerberin vielmehr ausschließlich daraus, dass in den Abkommen mit Marokko, Algerien und Tunesien eine solche Vertiefung der Beziehungen nicht beabsichtigt ist.

Diesen Ausführungen ist entgegen zu halten, dass zur Beurteilung der Frage, ob ein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung ausländischer Arbeitnehmer - je nach ihrer Staatsangehörigkeit - besteht, ausschließlich auf ihre unterschiedliche Rechtsstellung abzustellen ist. Diese ergibt sich je nachdem, ob der betreffende Staat mit der Europäischen Gemeinschaft ein Assoziationsabkommen abgeschlossen hat, das ein arbeitsrechtliches Diskriminierungsverbot bzw. Gleichbehandlungsgebot hinsichtlich der Arbeitsbedingungen beinhaltet oder nicht. Wenn ein solches Abkommen abgeschlossen wurde, haben die Mitgliedstaaten kraft Gemeinschaftsrecht die aus diesem Abkommen folgenden Verpflichtungen einzuhalten. Dabei hat die Frage der mit dem jeweiligen Abkommen verfolgten Ziele selbstverständlich außer Betracht zu bleiben.

Grundlage für die Einräumung des passiven Wahlrechtes für ausländische Arbeitnehmer aus Assoziationsstaaten ist somit das in dem jeweiligen Assoziationsabkommen verankerte arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbot bzw. Gleichbehandlungsgebot. Eine solche gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung zur Einräumung des passiven Wahlrechtes besteht aber hinsichtlich der Angehörigen von Staaten, die mit der Europäischen Gemeinschaft kein Assoziationsabkommen abgeschlossen haben, das eine Gleichbehandlung hinsichtlich der Arbeitsbedingungen vorsieht, gerade nicht.

Somit ist der Ausschluss serbischer Staatsbürger vom passiven Wahlrecht bei Arbeiterkammerwahlen aber keineswegs ausschließlich in ihrer Staatsangehörigkeit begründet, sondern folgt aus ihrer - im Vergleich mit Angehörigen aus Assoziationsstaaten - mangelnden gemeinschaftsrechtlichen Begünstigung hinsichtlich der Arbeitsbedingungen.

Soweit die Anfechtungswerberin im Zusammenhang mit der behaupteten Verfassungswidrigkeit des §21 Z3 AKG auf die Verpflichtung der belangten Behörde zur verfassungskonformen Interpretation der fraglichen Bestimmung verweist, ist ihr entgegen zu halten, dass für eine solche auf Grund des eindeutigen Wortlautes des §21 Z3 AKG kein Raum bleibt. Die belangte Behörde hat bereits in dem angefochtenen Bescheid darauf hingewiesen, dass sie gesetzliche Bestimmungen auch dann anzuwenden hat, wenn gegen diese verfassungsrechtliche Bedenken bestehen sollten.

Zur Verletzung des Gleichheitssatzes ...:

Die Ausführungen ... hinsichtlich der sachlichen Rechtfertigung für den Ausschluss bestimmter ausländischer Arbeitnehmer vom passiven Wahlrecht in eine Arbeiterkammer gelten in gleicher Weise auch für diesen Punkt der Anfechtung."

3.3. Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst erstattete - auf Einladung des Verfassungsgerichtshofes - eine Äußerung, in der es zu den in der Anfechtungsschrift aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen wie folgt Stellung nimmt:

"Aus den Urteilen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 8. Mai 2003 (Rs C-171/01, Wählergruppe Gemeinsam) und vom 16. September 2004 (Rs C-465/01, Kommission/Österreich) ergibt sich für die hier interessierende Rechtsfrage, dass es gemeinschaftsrechtlich geboten ist, kammerzugehörigen Arbeitnehmern aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Vertragsstaaten des EWR-Abkommens sowie aus Staaten, mit denen die Gemeinschaft ein Abkommen geschlossen hat und dieses Abkommen 'ein Verbot der Diskriminierung in Bezug auf die Arbeitsbedingungen' vorsieht, das passive Wahlrecht zu den Vollversammlungen der Arbeiterkammern einzuräumen.

Nach Kenntnis des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst wurden die Arbeiterkammerwahlen 2004 unter Zugrundelegung dieser Rechtsansicht durchgeführt, was auch in der Wahlanfechtung nicht bestritten wird. Ebenfalls ist unstrittig, dass der vom Wahlvorschlag gestrichene Wahlwerber nicht Staatsangehöriger eines Staates ist, auf den die gerade angeführte Rechtslage zutrifft.

...

Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. bloß VfSlg. 16.314/2001) ausgesprochen, dass das BVG-Rassendiskriminierung das an Gesetzgebung und Vollziehung gerichtete Verbot enthält, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen, wobei diese Verfassungsnorm auch das Sachlichkeitsgebot umfasse. Nach dieser Rechtsprechung ist eine Ungleichbehandlung dann und insoweit zulässig, als hierfür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Nach Ansicht des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst sind im gegenständlichen Fall [diese] Voraussetzungen erfüllt: Alle von der Anfechtungswerberin angeführten Assoziations- oder Kooperationsabkommen wurden von der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten mit bestimmten Drittstaaten aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht auf der Grundlage des Art310 EG-Vertrag (früher: Art238 EG-Vertrag) geschlossen, wobei die unterschiedliche Bezeichnung nicht rechtliche, sondern politische Gründe hat (vgl. dazu Schmalenbach, Art310 Rz 2, in Callies/Ruffert, Kommentar zum EU-Vertrag und EG-Vertrag).

Nach der mit dem Urteil vom 30. April 1974 (Rs 181/73, Haegemann/Belgien, Slg. 1974, 460) beginnenden ständigen Rechtsprechung des EuGH bilden derartige auf der Grundlage des Art310 EG-Vertrag geschlossene Abkommen ab ihrem Inkrafttreten einen integralen Bestandteil des Gemeinschaftsrechts. Dies bedeutet, dass die von den Abkommen entfalteten Rechtswirkungen durch das Gemeinschaftsrecht bestimmt werden. Jeder Mitgliedstaat der Europäischen Union ist daher kraft Gemeinschaftsrecht zur Einhaltung der Abkommen verpflichtet. Jede Nichtbeachtung von Abkommen stellt eine vom EuGH nach Art226 EG-Vertrag festzustellende Vertragsverletzung dar, wie gerade das bereits genannte Urteil vom 16. September 2004 zeigt.

Die gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung zur Einräumung des passiven Wahlrechts stellt nach Ansicht des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst bereits eine sachliche Begründung der unterschiedlichen Behandlung von Fremden im Sinn des BVG-Rassendiskriminierung dar. Aus Sicht des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst stützt das Erkenntnis VfSlg. 13.836/1994 diese Auffassung.

Das Erkenntnis bezog sich allerdings noch nicht auf das Gemeinschaftsrecht selbst, sondern das EWR-Abkommen. Vor diesem Hintergrund führte der Verfassungsgerichtshof aus, dass ein völkerrechtlicher Vertrag einen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung darstellen kann, soferne diese Ungleichbehandlung nicht alleine aus dem Grund der nationalen Herkunft erfolgt.

Selbst wenn man wie die Antragstellerin - anders als das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst, das schon in der gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtung zur Einhaltung der Abkommen selbst einen sachlichen Grund für die Differenzierung erblickt - auf die Ebene der Abkommen abstellt, ist diese Auffassung verfehlt; die Argumente der Anfechtungswerberin sind unzutreffend.

Gerade im Hinblick auf die Einräumung des passiven Wahlrechts zu den Vollversammlungen der Arbeiterkammern besteht zwischen dem 'internen Gemeinschaftsrecht' und den Assoziations- und Kooperationsabkommen kein Unterschied.

Wie sich aus den Urteilen des EuGH vom 8. Mai 2003 und vom 16. September 2004 ergibt, enthalten der von der Anfechtungswerberin herangezogene Beschluss des Assoziationsrates EWG/Türkei 1/80 und die Abkommen mit den Maghrebstaaten ein wortidentes Gleichbehandlungsgebot hinsichtlich der sonstigen Arbeitsbedingungen, welches die Einräumung des passiven Wahlrechts sichert. Hier geht es allein um diese Frage, sodass andere generell mit den Abkommen verfolgte Zielsetzungen nicht maßgeblich sind, weshalb die getroffene Unterscheidung in der Wahlanfechtung im entscheidenden Punkt gar nicht vorliegt und damit auch keine Verletzung des BVG-Rassendiskriminierung begründet werden kann, selbst wenn man die einzelnen Abkommen betrachtet.

Zu den in Bezug auf Art7 B-VG in der Wahlanfechtung getroffenen Aussagen verweist das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst auf seine oben stehenden Ausführungen zum BVG-Rassendiskriminierung, in welchen die Sachlichkeit der durch das Gemeinschaftsrecht bewirkten Ungleichbehandlung von Fremden dargelegt wurde.

Was die [in] der Anfechtung geäußerte Ansicht betrifft, die Wahlbehörde hätte §21 AKG verfassungskonform interpretieren und dem Wahlwerber das passive Wahlrecht einräumen müssen, verweist das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst auf den hinsichtlich des Erfordernisses der österreichischen Staatsbürgerschaft eindeutigen Wortlaut der Bestimmung, der keine andere Auslegung zulässt. Es könnte nur ein Widerspruch zum BVG-Rassendiskriminierung vorliegen, der aber - anders als im Gemeinschaftsrecht, wo von jeder Behörde die Vereinbarkeit des nationalen Rechts mit diesem zu prüfen ist - allein vom Verfassungsgerichtshof wahrzunehmen wäre."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Gemäß Art141 Abs1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof unter anderem über Anfechtungen von Wahlen zu den satzungsgebenden Organen (Vertretungskörpern) der gesetzlichen beruflichen Vertretungen, so auch zur Vollversammlung einer Arbeiterkammer. Nach Art141 Abs1 zweiter Satz B-VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden.

1.2. Nach §68 Abs1 VfGG muss die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides eingebracht werden.

Nun sieht §42 AKG - iS eines Instanzenzuges nach §68 Abs1 VfGG - die Anfechtung der Wahl der Vollversammlung einer Arbeiterkammer beim zuständigen Bundesminister (nunmehr: für Wirtschaft und Arbeit) vor.

1.3. Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn des Laufes der vierwöchigen Anfechtungsfrist iSd. ersten Teilsatzes des §68 Abs1 VfGG ist daher die Zustellung des genannten Bescheides des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 7. Oktober 2004. Diese Zustellung erfolgte am 11. Oktober 2004. Die am 5. November 2004 zur Post gegebene Wahlanfechtungsschrift (s. Pkt. I.3.1.) wurde daher rechtzeitig eingebracht.

1.4. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist die Wahlanfechtung zulässig.

2. Die Wahlanfechtung ist aber nicht begründet:

2.1. Gemäß Art141 Abs1 dritter Satz B-VG hat der Verfassungsgerichtshof einer Wahlanfechtung stattzugeben, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit eines Wahlverfahrens erwiesen wurde und auf das Wahlergebnis von Einfluss war. Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung, dass er ein Wahlverfahren und dessen behauptete Rechtswidrigkeit nur innerhalb der durch die Anfechtungserklärung gezogenen Grenzen zu überprüfen hat (zB VfSlg. 12.738/1991, 14.556/1996, 15.033/1997), wobei diese Grenzen auch für die Anwendung allfälliger ihm verfassungsrechtlich bedenklich erscheinender Gesetzesstellen maßgeblich sind (VfSlg. 14.556/1996).

2.2. Die Anfechtungswerberin erachtet das Wahlverfahren allein wegen des zu Grunde liegenden §21 Z3 AKG, den sie für verfassungswidrig hält, als rechtswidrig: Gemäß §21 Z3 AKG sei das passive Wahlrecht zu den Vollversammlungen der Arbeiterkammern österreichischen Staatsbürgern vorbehalten. In Verbindung mit unmittelbar anwendbaren Vorschriften des Gemeinschaftsrechtes ergebe sich weiters, dass - abgesehen von Arbeitnehmern, die EWR-Bürger bzw. türkische Staatsangehörige sind (vgl. EuGH 8.5.2003, Rs. C-171/01, Wählergruppe Gemeinsam, Slg. 2003, I-4301; 16.9.2004, Rs. C-465/01, Kommission/Österreich) - zwar (auch) Arbeitnehmer, die Staatsangehörige Algeriens, Marokkos oder Tunesiens sind, zu Vollversammlungen der Arbeiterkammern wählbar seien, nicht aber Arbeitnehmer sonstiger Staatsangehörigkeit. Diese differenzierende Regelung sei unsachlich und verstoße gegen das BVG BGBl. 1973/390.

2.3. Der Verfassungsgerichtshof teilt dieses Bedenken aus den nachstehenden Erwägungen nicht:

Im Hinblick auf die für die Arbeiterkammern typischen, zahlreichen Befugnisse zur Mitwirkung an der staatlichen (Wirtschafts- und Sozial-)Verwaltung, insbesondere auch zur Entsendung von Mitgliedern in staatliche (Verwaltungs-)Organe, (vgl. VfSlg. 16.100/2001) ist es nicht unsachlich, wenn der einfache Gesetzgeber im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes das passive Wahlrecht zu den Vollversammlungen der Arbeiterkammern österreichischen Staatsbürgern vorbehält; auch der Umstand, dass durch diese (Mitwirkungs-)Befugnisse den Arbeiterkammern im Allgemeinen kein Anteil an der Führung der staatlichen Hoheitsverwaltung zukommt, ändert daran nichts.

Soweit sich das Anfechtungsvorbringen aber auf das BVG BGBl. 1973/390 stützt, ergibt sich Folgendes:

Nach der mit VfSlg. 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg. 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg. 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 BVG BGBl. 1973/390, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein - auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes - Gebot der Gleichbehandlung von Fremden; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Die hier zu beurteilende Regelung ergibt sich aus §21 Z3 AKG iVm. unmittelbar anwendbaren Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts, nämlich von (Assoziierungs-)Abkommen iSd. Art310 EG-Vertrag oder von Beschlüssen der durch solche Abkommen eingerichteten Organe iSd. Vorranges des Gemeinschaftsrechtes (vgl. zB EuGH 2.3.1999, Rs. C-416/96, Nour Eddline El-Yassini, Slg. 1999, I-1209; vgl. ferner VfSlg. 17.075/2003; EuGH 8.5.2003, Rs. C-171/01, Wählergruppe Gemeinsam, Slg. 2003, I-4301; 16.9.2004, Rs. C-465/01, Kommission/Österreich). Die hiedurch bewirkte Differenzierung zwischen Fremden, die Angehörige von Staaten sind, mit denen solche Abkommen bestehen, einerseits und Staatsangehörigen anderer Drittstaaten andererseits hinsichtlich des passiven Wahlrechts zu den Vollversammlungen der Arbeiterkammern ist aber keine nach dem BVG BGBl. 1973/390 verpönte Diskriminierung (vgl. auch VfSlg. 13.836/1994).

Dabei ist zu berücksichtigen, dass derartige Abkommen nach dem System des EG-Vertrages gerade dazu dienen, "besondere und privilegierte [vor allem Wirtschafts- und Handels-]Beziehungen mit einem Drittstaat" zu schaffen [s. zB EuGH 30.9.1987, Rs. 12/86, Demirel, Slg. 1987, 3719 (Rz. 9)]. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass nicht alle Assoziierungsabkommen so wie etwa das mit der Türkei geschlossene (auch) die Vorbereitung eines Drittstaates auf einen allfälligen späteren Beitritt zur Europäischen Union zum Gegenstand haben, sondern - wie ua. die von der anfechtenden wahlwerbenden Gruppe ins Treffen geführten Abkommen mit Algerien, Marokko und Tunesien - in erster Linie die (soziale und wirtschaftliche) Entwicklung des Vertragspartners oder den Aufbau von Freihandelszonen bezwecken (vgl. etwa Art1 des Europa-Mittelmeer-Abkommens mit Tunesien, ABl. 1998 L 97, S 2). Auch dieses (entwicklungs- bzw. außenpolitische) Anliegen bildet nämlich eine sachliche Rechtfertigung für daraus resultierende nach der Staatsangehörigkeit von Fremden differenzierende gesetzliche Regelungen.

3. Der Wahlanfechtung war aus diesen Gründen nicht stattzugeben.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Arbeiterkammern, EU-Recht, Anwendbarkeit, Wahlen, Wahlrecht passives, berufliche Vertretungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:WI10.2004

Dokumentnummer

JFT_09948988_04W0I010_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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