RS Vwgh 2002/7/25 2002/07/0050

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Veröffentlicht am 25.07.2002
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/02 Novellen zum B-VG
19/05 Menschenrechte

Norm

B-VG Art12 Abs2;
B-VG Art129;
B-VG Art129a Abs1 Z1 idF 1988/685;
B-VGNov 1988;
MRK Art6;
VwRallg;

Rechtssatz

Aus den Ausführungen in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur B-VG-Nov 1988 (132 Blg. NR XVII. GP, 5), durch die Art 129a in das B-VG eingefügt wurde, ergibt sich die Absicht des Verfassungsgesetzgebers, Bereiche, in denen eine der MRK entsprechende Behörde (Tribunal) zur Entscheidung über Berufungen eingesetzt ist, von der Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate auszunehmen. Die Ausführungen in den Erläuterungen über die eigenständige Entwicklung bei den Finanzstrafbehörden und deren Übereinstimmung mit der MRK, aus der die Erläuterungen folgern, dass es weder organisatorisch zweckmäßig noch verfassungspolitisch geboten sei, diesen Bereich in die Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate zu überführen, treffen in vollem Umfang auch auf das Gebiet der Bodenreform und die dort tätigen Behörden zu. Die Anführung lediglich der Finanzstrafsachen des Bundes erklärt sich daraus, dass es sich hiebei um eine wesentliche Materie handelt, die der Verfassungsgesetzgeber in eindeutiger Weise regeln wollte, während es sich bei den verbleibenden sonstigen verfassungsrechtlichen Bestimmungen, die Verwaltungsstrafbehörden einrichten, nur um "Nebenschauplätze" handelt, die der Verfassungsgesetzgeber offenbar übersehen hat, ohne dass daraus der Schluss gezogen werden kann, dass der Verfassungsgesetzgeber gegen Entscheidungen solcher Behörden die Anrufbarkeit des unabhängigen Verwaltungssenates vorsehen wollte. Aus der Bestimmung des Art. 129 B-VG, wonach zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern und der VwGH in Wien berufen sind, lässt sich kein Argument für eine alle Verwaltungsstrafsachen mit Ausnahme der Finanzstrafsachen des Bundes umfassende Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate gewinnen, da dieser Grundsatz vom Verfassungsgesetzgeber nicht annähernd verwirklicht ist. Die Textierung des Art. 129 B-VG ist daher irreführend. Es wäre auch ein Wertungswiderspruch, wenn der Verfassungsgesetzgeber ausgerechnet in einem Bereich, in welchem bereits eine Berufungsbehörde vorhanden ist, die Tribunalqualität im Sinne der MRK aufweist, verfassungsrechtlich einen dreistufigen Instanzenzug in Verwaltungsstrafangelegenheiten installiert hätte, während er für den weitaus überwiegenden Teil der Verwaltungsstrafsachen einen bloß zweigliedrigen Instanzenzug zulässt. Der VwGH geht daher davon aus, dass gegen Entscheidungen von Berufungsbehörden in Verwaltungsstrafsachen, die durch spezielle verfassungsgesetzliche Bestimmungen MRK-konform eingerichtet sind, keine Anrufung des unabhängigen Verwaltungssenats möglich ist.

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002070050.X05

Im RIS seit

07.11.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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