RS Vfgh 2004/9/30 G21/04 ua

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 30.09.2004
beobachten
merken

Index

82 Gesundheitsrecht
82/03 Ärzte, sonstiges Sanitätspersonal

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art89 Abs2
B-VG Art140 Abs1 / Allg
B-VG Art140 Abs3 erster Satz
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
B-VG Art129a Abs3
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
Medizinischer Masseur- und HeilmasseurG - MMHmG §84 Abs7

Leitsatz

Aufhebung einer Übergangsregelung hinsichtlich der Ausnahme bestimmter gewerblicher Masseure vom Erfordernis der Aufschulung nach dem Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz; unsachliches Abgrenzungskriterium des begünstigten Personenkreises in Folge alleiniger Anknüpfung an das Bestehen eines Kassenvertrages bzw eines Abrechnungsverhältnisses mit einem Sozialversicherungsträger

Rechtssatz

Zulässigkeit des amtswegigen Prüfungsverfahrens und von Anträgen Unabhängiger Verwaltungssenate auf Aufhebung des §84 Abs7 Medizinischer Masseur- und HeilmasseurG.

Die Auffassung der am Verfahren G68/04 beteiligten Partei, die in Art140 Abs1 B-VG genannten Stellen seien "nach dem Verständnis der Bundesverfassung nur dann zu einer Antragstellung legitimiert ..., wenn eine Aufhebung dem Berufungswerber zum Vorteil gereicht, sie jedoch niemals zur Antragstellung zu dessen Nachteil berufen sind", übersieht, dass weder Art129a Abs3 (iVm Art89 Abs2) B-VG noch eine andere Verfassungsbestimmung eine solche Differenzierung vorsehen.

Aufhebung der Wortfolge "durch direkte Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenversicherungsträgern" in §84 Abs7 Medizinischer Masseur- und HeilmasseurG - MMHmG, BGBl I 169/2002 idF BGBl I 66/2003.

An sich keine Bedenken gegen Sonderregelungen im Übergangsrecht bei Normierung neuer gesetzlicher Anforderungen für die Berufsausübung von Personen mit hinreichenden, den neuen gesetzlichen Anforderungen im Wesentlichen entsprechenden Kenntnissen; Sachlichkeit der Abgrenzungskriterien jedoch erforderlich.

Die alleinige Anknüpfung an das Bestehen eines Kassenvertrages bzw an das Bestehen eines - direkten oder indirekten - Abrechnungsverhältnisses mit einem Sozialversicherungsträger ist kein geeignetes Differenzierungskriterium: Auch wenn das Bestehen solcher Rechtsverhältnisse zu einem Sozialversicherungsträger geeignet wäre, die im vorliegenden Zusammenhang erforderliche Qualifikation nachzuweisen, so ist es sachlich nicht gerechtfertigt, andere Berufsausübende, die gleichwertige Kenntnisse und Berufserfahrungen erworben haben, jedoch keinen Vertrag eines Sozialversicherungsträgers erhalten konnten oder in vergleichbaren Vertragsverhältnissen zu Krankenfürsorgeträgern stehen, durch die Ausschließlichkeit dieses Differenzierungsmerkmals vom Nachweis ihrer Fähigkeiten und damit von der Begünstigung auszuschließen. Es wird daher im Ergebnis nur eine Gruppe aus dem in Betracht kommenden Personenkreis gleicher fachlicher Qualifikation begünstigt, der durch das strittige Differenzierungsmerkmal nicht annähernd vollständig erfasst wird.

Die in Prüfung stehende Bestimmung widerspricht daher insoweit sowohl dem (auch die Gesetzgebung bindenden) Gleichheitsgebot als auch dem Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung.

Zur Herstellung einer verfassungskonformen Rechtslage genügt es, die genannte Wortfolge in §84 Abs7 aufzuheben.

Der nach Entfall der aufgehobenen Wortfolge verbleibende Rest ist einer Auslegung im Sinne des Gesetzes und damit einer dem Rechtsstaatlichkeitsgebot entsprechenden Vollziehung zugänglich.

Auch in der bereinigten Fassung besteht - im Falle des Nachweises einer entsprechend qualifizierten Leistungserbringung (als Masseur) - eine Ausnahme von der Verpflichtung zur "Aufschulung"; diese Ausnahme ist jedoch - weiterhin - an das Vorliegen der in §84 Abs1 und Abs2 Medizinischer Masseur- und HeilmasseurG genannten allgemeinen Voraussetzungen geknüpft.

Damit kann dem Anliegen des Gesetzes, ein möglichst hohes Qualitätsniveau zu gewährleisten, weiterhin Rechnung getragen werden, und es ist auch die Beurteilung einer "qualifizierten Leistungserbringung" anhand der dem Gesetz (allenfalls auch unter Heranziehung von Gesetzesmaterialien) zu entnehmenden Wertungen in einer rechtsstaatlich einwandfrei nachvollziehbaren Weise im Einzelfall möglich.

Ausspruch iSd Art140 Abs7 B-VG, dass die aufgehobene Gesetzesstelle nicht mehr anzuwenden ist.

Im Übrigen keine Aufhebung von §84 Abs7 bzw Abweisung der Anträge der UVS.

Anlassfall B1396/03, E v 04.10.04; Quasi-Anlassfälle B1390/03 ua, B1399/03, B1551/03, alle E v 06.10.04, B169/04 ua und B795/04 ua, beide E v 30.11.04.

Entscheidungstexte

  • G 21/04 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 30.09.2004 G 21/04 ua

Schlagworte

Auslegung verfassungskonforme, Erwerbsausübungsfreiheit, Übergangsbestimmung, Gesundheitswesen, Heilmasseure, Gewerberecht, Masseure, Rechtsstaatsprinzip, VfGH / Anlaßverfahren, VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / Verwerfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:G21.2004

Dokumentnummer

JFR_09959070_04G00021_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten