RS Vfgh 2005/3/11 B1542/04

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Veröffentlicht am 11.03.2005
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art90 Abs2
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
DSt 1990 §26
StPO §75

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt wegen Verhaltensweisen in Zusammenhang mit einer Honorarabrechnung sowie mit der Ausfolgung von Klientengeldern; keine Verletzung im Recht auf ein faires Verfahren; keine Befangenheit des Kammeranwaltes sowie des Vorsitzenden im Disziplinarverfahren, keine unzulässige Erweiterung des Einleitungsbeschlusses

Rechtssatz

Dem Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im Folgenden: DSt) sind gesonderte Bestimmungen, in welchen Fällen der Kammeranwalt vom Disziplinarverfahren ausgeschlossen ist bzw als befangen abgelehnt werden kann, nicht zu entnehmen. §25 DSt regelt lediglich die Fälle einer Befangenheit der Mitglieder des Disziplinarrates, denen der Kammeranwalt nicht zuzurechnen ist. Die Frage des Ausschlusses bzw der Befangenheit des Kammeranwaltes ist somit in sinngemäßer Anwendung der den Staatsanwalt betreffenden Bestimmungen der StPO zu beantworten. Gemäß §75 StPO können Staatsanwälte aus den dort taxativ angeführten Gründen ausgeschlossen werden, eine Ablehnung aus anderen Gründen ist nicht vorgesehen.

Der bloße Umstand, dass der Vorsitzende Kanzleikollege von Dr. O. ist, der die Mandantin des Beschwerdeführers - und spätere Anzeigenlegerin - am Sprechtag der Rechtsanwaltskammer unentgeltlich beraten hat, kann im Hinblick auf die strenge Verschwiegenheitsverpflichtung, die Anwälte auch als Kanzleikollegen trifft, die nach Art6 EMRK geforderte Unparteilichkeit des Vorsitzenden nicht zweifelhaft erscheinen lassen (VfSlg 13731/1994).

Einleitungsbeschluss keine Anklageschrift, Unbedenklichkeit iSd Art90 Abs2 B-VG, spätere "Erweiterung" der im Einleitungsbeschluss genannten Anschuldigungspunkte daher nicht ausgeschlossen.

Das DSt kennt weiters - analog zu den Bestimmungen der StPO - nur eine einzige Ausführung des Rechtsmittels und Nachträge zur ersten Ausführung sind auch dann unbeachtlich, wenn sie noch innerhalb der Ausführungsfrist eingebracht werden.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Rechtsanwälte, Disziplinarrecht, Strafprozeßrecht, Befangenheit, fair trial, Anklageprinzip

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:B1542.2004

Dokumentnummer

JFR_09949689_04B01542_2_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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