TE Vfgh Beschluss 2005/12/1 V68/05

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Veröffentlicht am 01.12.2005
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Index

83 Natur- und Umweltschutz
83/01 Natur- und Umweltschutz

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
UVP-G 2000 §24 Abs11
VfGG §57 Abs3
VfGG §85 Abs2 / Allg

Leitsatz

Zurückweisung des Antrags auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung für den Antrag einer Bürgerinitiative auf Aufhebung einer Trassenverordnung betreffend die Inntal Autobahn, Anschlussstelle Innsbruck Mitte; keine Befugnis des VfGH zur Erlassung einer einstweiligen Anordnung zur Durchsetzung von Gemeinschaftsrecht

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Die antragstellende Bürgerinitiative beantragt, ihrem auf Art139 B-VG iVm §24 Abs11 UVP-G 2000 (idF vor BGBl. I 153/2004) gestützten Antrag auf Aufhebung der Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Bestimmung des Straßenverlaufes der A 12 Inntal Autobahn - Anschlussstelle Innsbruck Mitte im Bereich der Stadt Innsbruck, BGBl. II 71/2005, (im Folgenden: TrassenVO) aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Die antragstellende Bürgerinitiative führt zur Begründung dieses Antrages aus, dass zwar weder im VfGG noch im §24 Abs11 UVP-G 2000 die Möglichkeit vorgesehen sei, einem Verordnungsprüfungsantrag aufschiebende Wirkung iSd §85 VfGG zuzuerkennen. Der vorliegende Fall stelle sich jedoch aufgrund der Besonderheiten des UVP-G idF vor BGBl. I 153/2004 iVm BStG anders dar. Nach Ansicht der antragstellenden Bürgerinitiative liege aufgrund des bescheidähnlichen Charakters der TrassenVO eine planwidrige Unvollständigkeit des §24 Abs11 UVP-G aF vor, die durch Analogie zu schließen sei, sodass einem nach §24 Abs11 UVP-G aF eingebrachten Antrag auf Verordnungsprüfung auf Antrag der im §19 Abs3 und 4 leg.cit. geregelten Parteien unter den in §85 Abs2 VfGG normierten Voraussetzungen eine aufschiebende Wirkung zuzuerkennen sei.

Zum selben Ergebnis gelange man nach Auffassung der antragstellenden Bürgerinitiative aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben: "Die Effektivität des Gemeinschaftsrechts wäre ernsthaft in Frage gestellt, wenn einer Überprüfung einer Entscheidung im Rahmen eines UVP-Verfahrens nicht aufschiebende Wirkung zuerkannt werden könnte, weil damit die Öffentlichkeit vor vollendete Tatsachen gestellt würde." Als derartige auf ihre Gemeinschaftsrechtswidrigkeit zu prüfende "Entscheidung" im Rahmen eines Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahrens wird von der Antragstellerin offenkundig die bekämpfte TrassenVO verstanden.

2. Der Antrag ist unzulässig.

Das VfGG erkennt bei Regelung des Verfahrens über die Anfechtung der Gesetzmäßigkeit von Verordnungen einem Antrag iSd Art139 B-VG eine aufschiebende Wirkung nicht zu und sieht in diesem Fall auch eine Zuerkennung durch den Verfassungsgerichtshof nicht vor. Dies ist, wie die Regelung des §57 Abs3 VfGG, welche den Antrag eines Gerichts iSd Art139 Abs1 erster Satz B-VG betrifft, zeigt und wie auch die gleichzeitige Neuregelung der aufschiebenden Wirkung von Beschwerden durch §85 VfGG erkennen lässt, keine Gesetzeslücke, sondern eine beabsichtigte, sich aus den Besonderheiten des Art139 B-VG erklärende Regelung. Wo aber die gesetzlichen Bestimmungen eine eindeutige Regelung treffen, ist für eine Gesetzesanalogie kein Raum (VfSlg. 8717/1979, 13.706/1994).

Da im Verfahren nach Art139 B-VG sohin die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung weder gegenüber der antragstellenden Bürgerinitiative noch gegenüber der Allgemeinheit vorgesehen ist und eine analoge Anwendung des §85 VfGG im Normenprüfungsverfahren nach Art139 B-VG nicht in Betracht kommt, war der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zurückzuweisen.

Daran vermag auch die Berufung der Antragstellerin auf das Gemeinschaftsrecht schon aus folgendem Grund nichts zu ändern: Der Verfassungsgerichtshof verweist diesbezüglich auf die Überlegungen, die ihn in VfSlg. 16.127/2001 im Zusammenhang mit einem Individualantrag auf Aufhebung eines Gesetzes veranlassten, einen in jenem Verfahren gestellten Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung keine Folge zu geben. Ebenso wie aufgrund der damals zu beurteilenden Rechtslage zielt nämlich die von der antragstellenden Bürgerinitiative als Grundlage ihres Antrages auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes behauptete Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der bekämpften TrassenVO auf ein dem Verfassungsgerichtshof weder nach Art139 noch nach Art140 B-VG (noch aufgrund einer anderen bundesverfassungsgesetzlichen Vorschrift) zugängliches Prozessthema. Hat er doch weder nach Art139 noch nach Art140 B-VG über die Gemeinschaftsrechtskonformität einer innerstaatlichen generellen Norm zu befinden. Wenn er aber diesbezüglich einer Zuständigkeit ermangelt, fehlt ihm auch die Befugnis, im Zuge des zur Durchsetzung der behaupteten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit gestellten Antrages eine einstweilige Anordnung zu erlassen. In diesem Sinne sprach auch der EuGH in den Rs. C-143/88 und C-92/89, Zuckerfabrik Süderdithmarschen, Slg. 1991, I-414 (Rz 30), sowie C-92/89, Atlanta Fruchthandelsgesellschaft mbH, Slg. 1995, I-3761 (Rz 42), aus, dass die grundsätzliche Verpflichtung des nationalen Gerichts, bei der Anwendung des Gemeinschaftsrechts dessen "volle Wirkung" auch im Wege des Provisorialrechtsschutzes sicherzustellen, lediglich "im Rahmen seiner Zuständigkeit" besteht.

3. Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

EU-Recht, Rechtsschutz, Analogie, Trassierungsverordnung, Straßenverwaltung, Straßenverlaufsfestlegung, Umweltschutz, VfGH / Individualantrag, VfGH / Verfügung einstweilige, VfGH / Wirkung aufschiebende, Umweltverträglichkeitsprüfung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:V68.2005

Dokumentnummer

JFT_09948799_05V00068_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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