RS Vfgh 2005/10/11 G42/05, V38/05

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Veröffentlicht am 11.10.2005
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6650 Flurverfassung

Norm

B-VG Art15
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art116a
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
ABGB §829, §830, §833, §834
F-VG 1948 §3
Verordnung der Vlbg Landesregierung über den Gemeindeverband Forstfonds des Standes Montafon - ForstfondsV, LGBl 1/2005
Vlbg GdG 1985 §50 Abs2, §60 Abs1, §94
Vlbg GemeindegutG §15, §16, §20 Abs7

Leitsatz

Keine Bedenken gegen die Errichtung des Gemeindeverbandes "Forstfonds des Standes Montafon" zur Verwaltung des Gemeindegutes durch den Landesgesetzgeber; sachliche Rechtfertigung der Regelung der Zuständigkeiten der Forstfondsverwaltung; keine Bedenken gegen die die Verwaltung des Forstfonds regelnde Forstfondsverordnung, insbesondere hinsichtlich der Kostenaufteilung auf die verbandsangehörenden Gemeinden

Rechtssatz

Zulässigkeit der Anträge einer Gemeinde auf Aufhebung des §15, §16 und §20 Abs7 Vlbg GemeindegutG, LGBl 49/1998 idF LGBl 58/2001, sowie der Verordnung der Vorarlberger Landesregierung über den Gemeindeverband Forstfonds des Standes Montafon, LGBl 1/2005.

Gemäß §50 Abs2 Vlbg GdG 1985 kann die Gemeindevertretung für bestimmte Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung, die für die Gemeinde von wesentlicher Bedeutung sind, das - sonst aufgrund der Generalklausel des §60 Abs1 Vlbg GdG 1985 dem Gemeindevorstand obliegende - Beschlussrecht an sich ziehen. Von dieser Möglichkeit wurde zulässigerweise Gebrauch gemacht.

§15 und §16 Vlbg GemeindegutG wenden sich unter anderem namentlich an die antragstellende Gemeinde. Die darin vorgesehenen Rechtsfolgen dauern an und regeln die Rechtssphäre der antragstellenden Gemeinde in Bezug auf ihren Anteil am gemeinschaftlichen Gemeindegut. Inwieweit das im ersten Satz des §20 Abs7 leg cit enthaltene befristete Gebot, eine Vereinbarung abzuschließen als solches noch wirksam ist, kann dahingestellt bleiben, weil die im zweiten Satz des '20 Abs7 der Landesregierung erteilte Ermächtigung zur Erlassung einer Verordnung von der Nichterfüllung dieser Verpflichtung abhängig war und die Ermächtigung nicht bloß als solche, sondern in Verbindung mit der erlassenen Verordnung angefochten wird. Auch die Forstfondsverordnung hat die antragstellende Gemeinde zum Adressaten und betrifft ihre Rechtsstellung bei Verwaltung der in Rede stehenden Waldungen. Sie bildet sowohl für alle im Gemeindeverband zusammengeschlossenen Gemeinden wie auch in allen ihren Teilen unter dem Blickwinkel der primär vorgetragenen Bedenken eine untrennbare Einheit.

Kein zumutbarer Umweg.

Abweisung der Anträge.

Die im Gemeindeverband Forstfonds des Standes Montafon zusammengeschlossenen Gemeinden sind nach ihrem Selbstverständnis seit Jahrhunderten Miteigentümer der in Rede stehenden, sich über ihre Gemeindegebiete erstreckenden Liegenschaften. Die Liegenschaften sind mit Nutzungsrechten öffentlich-rechtlicher Art zugunsten bestimmter Personen mit Hauptwohnsitz in einer dieser Gemeinden belastet. Allein schon deshalb ist die antragstellende Gemeinde für die Ausübung der Eigentumsrechte an diesen Liegenschaften in eine Gemeinschaft eingefügt und auf einen bloßen Anteil verwiesen, der im Wesentlichen nur in Mitwirkungsrechten an der gemeinsamen Verwaltung der Liegenschaften bestehen kann.

Die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers zur Bildung und Regelung des Gemeindeverbandes folgt aus seiner Zuständigkeit zur Regelung der Rechtsverhältnisse am Gemeindegut, die notwendigerweise zivilrechtliche Angelegenheiten miteinschließt. Dass zur Besorgung einzelner Aufgaben der Privatwirtschaftsverwaltung Gemeindeverbände nicht durch Gesetz vorgesehen werden dürften, lässt sich aus keiner Vorschrift der Verfassung ableiten. Der Landesgesetzgeber ist zur Einrichtung des Gemeindeverbandes gemäß Art15 B-VG zuständig. Dass es sich bloß um die Besorgung einzelner Aufgaben handelt, folgt schon daraus, dass die Verwaltung des Gemeindegutes eine besondere, auf ein bestimmtes Objekt begrenzte Aufgabe ist, die vielen Gemeinden mangels eines Gemeindegutes gar nicht zukommt. Daher kann auch die Funktion der Gemeinde als Selbstverwaltungskörper und Verwaltungssprengel durch die Bildung dieses Gemeindeverbandes nicht gefährdet sein. Alle Mitgliedsgemeinden haben auch den ihnen gebührenden (und damit maßgeblichen) anteiligen Einfluss.

Was die Verfügung über die Substanz - insbesondere also die Veräußerung oder Belastung einer gemeinsamen Liegenschaft - betrifft, ist dazu nach Bürgerlichem Recht (weil sie immer auch den ideellen Anteil aller als solchen betrifft) das Einvernehmen aller Teilhaber nötig (§828 ABGB e contrario). Die von der antragstellenden Gemeinde auch unter dem Blickwinkel der Gleichheits- und der Eigentumsverletzung gerügte Ermächtigung der Forstfondsvertretung, selbst die Veräußerung und Belastung von Grundstücken mit Mehrheit zu beschließen, ist jedoch in Anbetracht der Zweckbindung des Gemeindegutes sachlich gerechtfertigt. Die Veräußerung (und Belastung) von Gemeindegut steht den Gemeinden nicht frei und ist nur bei überwiegendem öffentlichen Interesse zulässig; grundsätzlich ist das Gemeindegut ungeschmälert zu erhalten (§5, §11 Abs1 Vlbg GemeindegutG). Wenn dennoch die Zuständigkeit der Forstfondsvertretung für (mit Stimmenmehrheit zu fassende) "Beschlüsse über ... den Ankauf, Erwerb und Verkauf von Liegenschaften" vorgesehen ist (§2 Abs2 lite ForstfondsV), trägt das dem Interesse an einem gewissen Spielraum bei Bestimmung des Umfanges des Gemeindegutes Rechnung, wobei allfälligen Verkäufen entsprechende Ankäufe gegenüberstehen müssen. Schon die daraus fließende Möglichkeit, Nutzungsrechte an Teilen des Gemeindegutes unter Wahrung der Substanz auf neue Liegenschafen zu übertragen, rechtfertigt es auch, im Zuge der Verwaltung der Waldungen gemeinsame, also vom Forstfonds erworbene Liegenschaften, die nicht zum Gemeindegut gehören, im Übrigen den Regeln über dessen Verwaltung mit zu unterwerfen.

Die Bestimmungen der ForstfondsV über den von den verbandsangehörenden Gemeinden im Verhältnis der Einwohnerzahl zu tragenden Aufwand des Gemeindeverbandes entsprechen §94 Abs5 Vlbg GdG 1985. §3 F-VG hat die Finanzierung der Gemeindeverbände (mit Ausnahme der im Zeitpunkt des Inkrafttreten des Gesetzes bestehenden Gemeindeverbände) ungeregelt gelassen. Zuständigkeit des Landesgesetzgebers zur Kostenaufteilung gegeben.

Entscheidungstexte

  • G 42/05,V 38/05
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 11.10.2005 G 42/05,V 38/05

Schlagworte

Bodenreform, Flurverfassung, Gemeinderecht, Gemeindeverband, Vertretung nach außen, Kompetenz Bund - Länder, Annexmaterie, Kompetenz Bund - Länder Bodenreform, Kompetenz Bund - Länder Zivilrechtswesen, Privatwirtschaftsverwaltung, VfGH / Individualantrag, VfGH / Legitimation, Zivilrecht, Übergangsbestimmung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:G42.2005

Dokumentnummer

JFR_09948989_05G00042_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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