TE Vfgh Beschluss 2005/12/5 G55/05

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Veröffentlicht am 05.12.2005
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Index

16 Medienrecht
16/02 Rundfunk

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
AVG §39 Abs3, §44 Abs3
PrivatradioG §28 Abs3

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags eines Hörfunkveranstalters auf Aufhebung einer Bestimmung des Privatradiogesetzes über die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung im Verfahren über den Entzug der Zulassung mangels aktueller Betroffenheit und in Folge zumutbaren Umwegs

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Mit dem mit 3. Mai 2005 datierten und am selben Tag beim Verfassungsgerichtshof eingelangten Antrag begehrt die antragstellende Gesellschaft gemäß Art140 Abs1 B-VG das Wort "öffentliche" in §28 Abs3 Privatradiogesetz (im Folgenden: PrR-G) als verfassungswidrig aufzuheben.

1.1. Zum Vorliegen der Antragslegitimation führt die antragstellende Gesellschaft aus, dass die Zulassung zur Veranstaltung von Hörfunk im näher bezeichneten Versorgungsgebiet mit Bescheid der Kommunikationsbehörde Austria (im Folgenden: KommAustria) vom 20. November 2002 ihrer Vorgängerin übertragen worden sei und dieses Hörfunkprogramm seit Sommer 2004 auf Sendung sei. Die KommAustria habe nun ein Verfahren zum Widerruf dieser Zulassung eingeleitet und die Verhandlung auf der Website der Rundfunk & Telekom Regulierungs-GmbH öffentlich kundgemacht. Diese "öffentliche Anberaumung von Verhandlungen" stelle einen unmittelbaren Eingriff in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft dar. Durch diese Vorgangsweise würden auch einschlägige Medien von der Einleitung des Verfahrens gemäß §28 Abs3 PrR-G Kenntnis erlangen und in weiterer Folge darüber berichten, wodurch Geschäftspartner und Werbekunden verunsichert würden. Ein weiterer Nachteil einer öffentlichen mündlichen Verhandlung bestünde darin, dass die antragstellende Gesellschaft zur Untermauerung ihres Rechtsstandpunktes mitunter Geschäftsgeheimnisse und Betriebsinterna offen legen müsste. Zum Fehlen eines zumutbaren Umwegs führt sie aus, dass eine Berufung gegen einen in der Sache ergehenden Bescheid wirkungslos sei, weil die "unmittelbar drohenden Nachteile [die aus der öffentlichen Anberaumung und Durchführung der Verhandlung resultieren] ... im Zeitpunkt der Überprüfung bereits unwiderruflich verwirklicht [sind]".

1.2. Die antragstellende Gesellschaft sieht sich durch die Anwendung des hinsichtlich des Wortes "öffentliche" als verfassungswidrig erachteten §28 Abs3 PrR-G in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt.

2. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in welcher sie die Antragslegitimation bestreitet und die Zurückweisung des Antrags, eventualiter seine Abweisung, begehrt.

3. Der Antrag ist nicht zulässig.

3.1. Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen (Gesetzesstellen) auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Personen unmittelbar eingreift und sie - im Fall seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).

3.2. §28 PrR-G, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 97/2004, hat samt Überschrift folgenden Wortlaut (die angefochtene Gesetzesstelle ist hervorgehoben):

"Widerruf der Zulassung

§28. (1) Bei wiederholten oder schwer wiegenden Rechtsverletzungen durch den Hörfunkveranstalter oder wenn der Hörfunkveranstalter die in den §§7 bis 9 genannten Voraussetzungen nicht mehr erfüllt oder der Anzeigepflicht gemäß §22 Abs5 erster Satz nicht nachgekommen ist, hat die Regulierungsbehörde von Amts wegen das Verfahren zum Entzug der Zulassung einzuleiten.

(2) Das Verfahren zum Entzug der Zulassung ist weiters einzuleiten, wenn ein Veranstalter von Hörfunk den Charakter des von ihm im Antrag auf Zulassung dargestellten und in der Zulassung genehmigten Programms (§3 Abs2) wie insbesondere durch eine Änderung der Programmgattung oder eine wesentliche Änderung der Programmdauer grundlegend verändert hat, ohne dafür über eine Genehmigung durch die Regulierungsbehörde zu verfügen.

(3) Die Regulierungsbehörde hat eine öffentliche mündliche Verhandlung abzuhalten.

(4) Liegt eine Rechtsverletzung im Sinne des Abs1 oder 2 vor, so hat die Regulierungsbehörde

1. außer in den Fällen der Z2 dem Hörfunkveranstalter mit Bescheid aufzutragen, den rechtmäßigen Zustand herzustellen und geeignete Vorkehrungen zu treffen, um künftige Rechtsverletzungen zu vermeiden; der Hörfunkveranstalter hat diesem Bescheid binnen der von der Regulierungsbehörde festgesetzten, längstens achtwöchigen Frist zu entsprechen und darüber der Regulierungsbehörde zu berichten;

2. in den Fällen, in denen gegen einen Hörfunkveranstalter bereits mehr als einmal ein Bescheid gemäß Z1 ergangen ist oder wenn der Hörfunkveranstalter einem Bescheid gemäß Z1 nicht entspricht, die Zulassung zu entziehen."

3.3. Mit dem vorliegenden Antrag begehrt die antragstellende Gesellschaft das Wort "öffentliche" in §28 Abs3 PrR-G aufzuheben.

3.3.1. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in den Erkenntnissen VfSlg. 14.339/1995, 14.667/1996 und 14.933/1997 ausgesprochen hat, muss die aktuelle Betroffenheit des Antragstellers nicht nur zum Zeitpunkt der Einbringung des Antrages, sondern auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes gegeben und die angefochtene Norm daher noch im Entscheidungszeitpunkt für den Antragsteller wirksam sein. Angesichts der Tatsache, dass die KommAustria - nachdem bereits zwei Tagsatzungen durchgeführt worden sind - die Verhandlung gemäß §44 Abs3 AVG für geschlossen und die Sache iSd. §39 Abs3 AVG für entscheidungsreif erklärt hat, fehlt es der antragstellenden Gesellschaft insoweit auch an der aktuellen Betroffenheit (nach Ansicht Rohreggers, Art140, in Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG, Rz. 176, liegt keine aktuelle Betroffenheit vor, wenn eine Bestimmung angefochten wird, die dem Antragsteller eine Pflicht auferlegt, welche er aber bereits erfüllt hat).

3.3.2. Gemäß §28 PrR-G ist das Verfahren zum Entzug der Zulassung mit einem Bescheid abzuschließen, gegen den nach Erschöpfung des Instanzenzuges gemäß Art144 B-VG Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden kann. Damit verfügt die antragstellende Gesellschaft außerdem über einen anderen zumutbaren Weg, um ihre Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Norm an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

3.4. Der antragstellenden Gesellschaft fehlt schon aus diesen Gründen die Legitimation zur Antragstellung nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG und ihr Antrag war daher - ohne zu prüfen, ob allenfalls weitere Zurückweisungsgründe vorliegen - gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Schlagworte

Rundfunk, Privatradio, Verwaltungsverfahren, Ermittlungsverfahren, Verhandlung mündliche, VfGH / Individualantrag, Öffentlichkeitsprinzip

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:G55.2005

Dokumentnummer

JFT_09948795_05G00055_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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