RS Vfgh 2005/11/2 B1619/04

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Veröffentlicht am 02.11.2005
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

RAO §10, §23, §28
DSt 1990 §1
RL-BA 1977 §1
ORF-G §19 Abs1, Abs4, §30
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Erteilung einer Weisung an eine als Mitglied des Publikumsrates des ORF tätige Rechtsanwältin zur Unterlassung von Vertretungen gegen den ORF und Auflösung der bestehenden Vollmachtsverhältnisse auf Grund des Vorliegens einer unechten formellen Doppelvertretung

Rechtssatz

Gemäß den einschlägigen Bestimmungen der RAO (insbesondere §10) und §1 RL-BA 1977 erfolgt jedwede berufsmäßige Besorgung fremder Angelegenheiten durch den Rechtsanwalt in Ausübung seines Berufes.

Der Auffassung der belangten Behörde, wonach es bereits aufgrund der gesetzlichen Befugnisse des Publikumsrates (vgl §30 ORF-G) möglich sei, dass der Beschwerdeführerin Tatsachen offenbar werden, die auch die gegen den ORF angestrengten Rechtsstreitigkeiten betreffen können, kann nicht entgegengetreten werden.

Auch der Umstand, dass sämtliche Mitglieder des Publikumsrates gemäß §19 Abs4 ORF-G zur Verschwiegenheit über alle ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit bekannt werdenden Umstände der Stiftung und der mit ihr verbundenen Unternehmen verpflichtet sind, spricht nicht gegen die Annahme des Vorliegens einer unechten Doppelvertretung (iSd §10 RAO), weil die konkrete Gefahr einer Interessenkollision keine Voraussetzung dafür bildet.

Der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer kann in Ausübung seines Überwachungs- und Aufsichtsrechtes allgemeine oder besondere Anordnungen an die Mitglieder erlassen (§23, §28 RAO). Ob eine individuell erteilte Anordnung gesetzmäßig ist, das heißt, ob der Adressat seine Pflichten als Anwalt verletzt hat, hat nur der Disziplinarrat in einem Verfahren festzustellen. In diesem Verfahren ist auch zu prüfen, ob der angefochtene Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer in den Grenzen des Gesetzes, insbesondere der RAO, gefasst wurde.

Den Disziplinarbehörden kommt bei der Beurteilung, ob ein Standesangehöriger gegen standesrechtliche Pflichten verstoßen hat, eine letzte Entscheidungsbefugnis zu.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Rechtsanwälte, Berufsrecht, Disziplinarrecht, Rundfunk

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:B1619.2004

Dokumentnummer

JFR_09948898_04B01619_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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