RS Vfgh 2006/6/8 B239/06

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Veröffentlicht am 08.06.2006
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Index

L9 Sozial- und Gesundheitsrecht
L9440 Krankenanstalt, Spital

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
Bund-Länder-Vereinbarung gemäß Art15a Abs1 B-VG über die Neustrukturierung des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung, BGBl I 60/2002 - LKF-Vereinbarung
KAKuG §2, §3 Abs2 lita, §10a, §26
Oö KAG 1997 §5 Abs1 Z5, Abs2
Vereinbarung gemäß Art15a B-VG über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens, BGBl I 73/2005, für die Jahre 2005 bis 2008

Leitsatz

Keine Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit durch die im Oberösterreichischen Krankenanstaltengesetz vorgesehene Bedarfsprüfung bei Erteilung der Errichtungsbewilligung einer Krankenanstalt in Form eines selbständigen Ambulatoriums in Hinblick auf das Versorgungsangebot der Ambulanzen der "Fondskrankenanstalten"; verfassungskonforme Auslegung im Sinne einer Berücksichtigung lediglich eines gleichartigen Bedarfs hinsichtlich des Versorgungsangebotes; keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Versagung der Errichtungsbewilligung für eine Tagesklinik für Fuß-, Gelenks- und Handchirurgie in Hinblick auf die bestehende Versorgungslage durch die umliegenden Krankenanstalten

Rechtssatz

Keine Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit durch die in §5 Abs2 erster Satz Oö KAG 1997 idF der 3. Oö KAG-Nov 2005, LGBl 99 vorgesehene Bedarfsprüfung.

Die Ambulanzen öffentlicher und privater gemeinnütziger Krankenanstalten bilden nach dem aktuellen Stand der Rechtsentwicklung einen integrierenden Teil auch der extramuralen Gesundheitsversorgung.

Verlagerung der Behandlung vom kostspieligen stationären in den kostengünstigeren ambulanten Bereich angestrebt, ohne Verlust der qualitätssichernden Infrastruktur einer bettenführenden Krankenanstalt.

Wie das von der belangten Behörde geführte Ermittlungsverfahren gezeigt hat, trifft das jedenfalls für den Bereich von operativen Eingriffen der vom Beschwerdeführer beabsichtigten Art zu, bei denen je nach Lage des Falles eine stationäre Aufnahme geboten sein oder aber auch eine ambulante Durchführung des Eingriffs in Betracht kommen kann, also jedenfalls nicht von vornherein feststeht, dass eine stationäre Aufnahme nicht in Frage kommt. Das Gesetz trägt diesem Umstand ua dadurch Rechnung, dass gemäß §2 Z7 letzter Satz Oö KAG 1997 (bzw §2 Abs1 Z7 KAKuG) der Verwendungszweck eines selbständigen Ambulatoriums dann keine Änderung erfährt, wenn dieses Ambulatorium über eine angemessene Zahl von Betten verfügt, die für eine kurzfristige Unterbringung zur Durchführung ambulanter diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen unentbehrlich ist.

Es trifft daher insoweit, als die Krankenhausambulanzen zur extramuralen Versorgung berufen sind, von vornherein nicht zu, dass sich ihr Versorgungsangebot an einen ganz anderen Personenkreis richtet als jenen, der von niedergelassenen Ärzten oder von Ambulatorien mit Kassenvertrag versorgt wird. Dies gilt ganz besonders dann, wenn es um chirurgische Eingriffe geht, die zwar entweder stationär oder ambulant durchgeführt werden können, hinsichtlich derer aber die Versorgung geradezu typischerweise nicht durch niedergelassene Ärzte sondern durch bettenführende Krankenanstalten bzw deren chirurgische Ambulanzen erfolgt. Soweit daher die in Rede stehenden krankenanstaltenrechtlichen Bestimmungen anordnen, dass das Leistungsangebot von Krankenhausambulanzen in dem Umfang, als es zur extramuralen Versorgung der Bevölkerung dient, bei der Prüfung des Bedarfs nach weiteren Ambulatorien mit vergleichbarem Leistungsangebot berücksichtigt werden soll, besteht dagegen nicht das vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 15456/1999 formulierte Bedenken (Einbeziehung eines anderen Personenkreises bei der Bedarfsprüfung).

Nun enthält zwar §5 Abs2 Oö KAG 1997 (bzw §3 Abs2 lita KAKuG idF KAKuG-Novelle 2005) keine ausdrückliche Anordnung, in welchem Umfang Krankenhausambulanzen bei der Bedarfsprüfung für selbständige Ambulatorien einzubeziehen sind. Wortlaut, Zweck der Norm und systematischer Zusammenhang lassen aber eine verfassungskonforme Auslegung dahin zu, dass die Ambulanzen öffentlicher, privater gemeinnütziger und sonstiger Krankenanstalten mit Kassenverträgen bei der Bedarfsprüfung (nur) insoweit zu berücksichtigen sind, als sie einen dem beantragten selbständigen Ambulatorium örtlich und fachlich gleich gelagerten Versorgungsauftrag für krankenversicherte Patienten zu erfüllen haben.

Keine Willkür, ausreichendes Ermittlungsverfahren, denkmögliche Verneinung der Verbesserung der Versorgungssituation der Patienten in Hinblick auf die bereits derzeit kurzen Wartezeiten.

Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht kommt es bei der Beurteilung des Bedarfs nach medizinischen Leistungen nicht auf die Zahl der bisher in den umliegenden öffentlichen Krankenhäusern ambulant oder stationär durchgeführten einschlägigen Eingriffe sondern darauf an, ob durch das geplante selbständige Ambulatorium die Versorgungssituation für die krankenversicherten Personen auf dem Gebiet der Fuß-, Gelenks- und Handchirurgie verbessert wird.

Das geplante Ambulatorium (in Unterach am Attersee) brächte im Hinblick auf die Dislozierung von den öffentlichen Krankenanstalten (zB im Fall eines Operations- oder Narkosezwischenfalls oder anderen Komplikationen) ein erhöhtes Behandlungsrisiko mit sich, was der Sache nach jedenfalls denkmöglich als ein Fehlen der Bewilligungsvoraussetzung des §5 Abs1 Z5 Oö KAG 1997 (Gewährleistung einer den Grundsätzen und anerkannten Methoden der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Behandlung) beurteilt werden konnte, wobei diese Beurteilung im Einklang mit dem in §10a Abs2 Z10 KAKuG normierten Grundsatz steht, dass Tageskliniken nur an Standorten von bzw im organisatorischen Verbund mit gut erreichbaren bettenführenden Abteilungen, Departments oder Fachschwerpunkten der betreffenden Fachrichtung einzurichten sind.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Krankenanstalten, Krankenanstaltenfinanzierung, Erwerbsausübungsfreiheit, Bedarfsprüfung, Ambulatorien, Vereinbarungen nach Art15a B-VG, Auslegung verfassungskonforme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:B239.2006

Dokumentnummer

JFR_09939392_06B00239_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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