RS Vfgh 2006/6/27 V89/02 ua

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 27.06.2006
beobachten
merken

Index

96 Straßenbau
96/01 Bundesstraßengesetz 1971

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Richtlinie 79/409/EWG über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (Vogelschutz-RL) Art4
BStG 1971 §4, §7, §15
Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. 92/43/EWG
TrassenV der S 18 Bodensee Schnellstraße und der A 14 Rheintal Autobahn - Anschlußstelle Wolfurt/Lauterach
UVP-G 2000 §19 Abs3, §24 Abs5, §46 Abs4
VfGG §17a, §61a

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit von Teilen der Trassenverordnung der S 18 Bodensee Schnellstraße und der A 14 Rheintal Autobahn - Anschlußstelle Wolfurt/Lauterach mangels ausreichender Erhebung der Entscheidungsgrundlagen für die Umweltverträglichkeit des Straßenbauvorhabens; keine ausreichende Berücksichtigung an ein Landschaftsschutzgebiet angrenzender ebenfalls in Hinblick auf den Vogelschutz schutzwürdiger Gebiete

Rechtssatz

Zulässigkeit der Anfechtung der TrassenV der S 18 Bodensee Schnellstraße und der A 14 Rheintal Autobahn - Anschlußstelle Wolfurt/Lauterach im Bereich der Gemeinden Wolfurt, Lauterach, Dornbirn, Lustenau, Fußach und Höchst, BGBl II 96/1997, durch eine österreichische und eine Schweizer Gemeinde insoweit, als die antragstellenden Gemeinden Eigentümer von Grundstücken im Bundesstraßenbaugebiet (§15 BStG 1971) sind (hier: im so genannten Schweizer Ried).

Keine Anwendung des UVP-G auf die angefochtene Verordnung gem §46 Abs4 UVP-G, da das Anhörungsverfahren zum Straßenbauvorhaben bereits vor dem 30.06.94 eingeleitet wurde (siehe hiezu VwGH 03.10.96, Z95/06/0246).

Die Wortfolge "verläuft sodann durch das Schweizer Ried," in der Z1 der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend die Bestimmung des Straßenverlaufes der S 18 Bodensee Schnellstraße und der A 14 Rheintal Autobahn - Anschlußstelle Wolfurt/Lauterach im Bereich der Gemeinden Wolfurt, Lauterach, Dornbirn, Lustenau, Fußach und Höchst, BGBl II 96/1997, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Für jeden der drei Entscheidungsparameter iSd §4 BStG 1971 (Verkehrserfordernisse, Wirtschaftlichkeit des Straßenbauvorhabens und dessen Umweltverträglichkeit) müssen ausreichende Entscheidungsgrundlagen erarbeitet werden, weil ohne hinreichend erhobene Entscheidungsgrundlagen die vom Gesetz geforderte rationale, auf einem gehörigen Abwägungsvorgang beruhende Trassenplanung unmöglich und daher die Trassenverordnung rechtswidrig ist.

Für die tatbestandliche Voraussetzung der "Umweltverträglichkeit" der verordneten S 18 Bodensee Schnellstraße sind die allgemeinen Ausführungen zum "Detailprojekt 1994", Anhang Umwelt, ebenso wenig ausreichend wie die "Umweltverträglichkeitserklärung" vom 07.03.94 zum Bauvorhaben "Bundesstraße S 18 Bodensee Schnellstraße", auf die sich der die Verordnung verteidigende Bundesminister beruft.

Die Dokumentation der Umweltverhältnisse einschließlich der zu erwartenden Wechselwirkungen im Falle des Baus der S 18 Bodensee Schnellstraße berücksichtigt nämlich nicht, dass die an das bestehende Landschaftsschutzgebiet "Lauteracher Ried" angrenzenden Gebiete "Soren" und "Gleggen-Köblern" mit jenem - was das Schutzbedürfnis anbelangt - eine Einheit bilden.

In Anwendung des Rechtsbegriffs der "Umweltverträglichkeit" gemäß §4 und §7 BStG 1971 ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Trassenverordnung demnach davon auszugehen, dass sich die unter dem Titel der "Umweltverträglichkeit" zu erarbeitenden Entscheidungsgrundlagen für den Verlauf der Trasse nicht mit der Beurteilung der Auswirkungen des Trassenbaus und -betriebs auf das "Lauteracher Ried" begnügen dürfen, wiewohl dieses allein zum Landschaftsschutzgebiet erklärt sowie als besonderes Schutzgebiet nach der Vogelschutz-RL gemeldet worden war. Vielmehr zeigt das Urteil des EuGH vom 23.03.06, Rs C-209/04, dass vor den Anforderungen des Art4 der Vogelschutz-RL ein zusammenhängendes besonderes Schutzgebiet besteht, das neben dem "Lauteracher Ried" im engeren Sinn auch die Gebietsteile "Soren" und "Gleggen-Köblern" umfasst.

Es ist evident und bedarf keiner besonderen Begründung, dass die unter dem Titel der Umweltverträglichkeit einer Trasse erhobenen und untersuchten Entscheidungsgrundlagen anders beschaffen sind, je nachdem ob eine Trasse lediglich in einer gewissen Distanz zu einem bestehenden Landschaftsschutzgebiet sowie besonderen Schutzgebiet verläuft oder dieses durchschneidet. Während die Riedwiesen, auf welche die verordnungserlassende Behörde in ihrer Äußerung als vom Bau der S 18 betroffen verweist, über keinen besonderen rechtlichen Schutzstatus verfügen, trennt nach der gebotenen Einbeziehung der Gebietsteile "Soren" und "Gleggen-Köblern" die Trasse im Ergebnis ein dieserart zusammenhängendes Landschaftsschutzgebiet sowie besonderes Schutzgebiet.

Kostenzuspruch an die antragstellenden Gemeinden iSd §61a VfGG.

In den zugesprochenen Beträgen sind jeweils Umsatzsteuer in der Höhe von € 327,-- und Reisekosten in Höhe von € 263,48, die den antragstellenden Parteien für die Teilnahme an der öffentlichen mündlichen Verhandlung erwachsen sind, sowie im Fall der (Schweizer) Ortsgemeinde Au eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in Höhe von € 180,-- enthalten. Der Gemeinde Lustenau war der Ersatz der Eingabengebühr wegen der bestehenden Gebührenbefreiung für Gebietskörperschaften (§17a Abs1 erster Satz VfGG in der im Antragszeitpunkt geltenden Fassung BGBl I 136/2001) indes nicht zuzusprechen.

Entscheidungstexte

  • V 89/02 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 27.06.2006 V 89/02 ua

Schlagworte

Trassierungsverordnung, EU-Recht, Verordnungserlassung, Naturschutz, Landschaftsschutz, Vogelschutz, VfGH / Individualantrag, Umweltschutz, Umweltverträglichkeitsprüfung, VfGH / Legitimation, Straßenverwaltung, Straßenverlaufsfestlegung, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Übergangsbestimmung, Anwendbarkeit, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:V89.2002

Dokumentnummer

JFR_09939373_02V00089_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten