RS Vfgh 2006/12/5 V47/05

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Veröffentlicht am 05.12.2006
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art148e
B-VG Art148i Abs1
Plandokument Nr 7527. Beschluss des Wr Gemeinderates vom 23.05.03
Wr BauO 1930 §1 Abs4, §5 Abs4 litn, §6 Abs3, Abs3a, Abs15, §59 Abs3
Wr Stadtverfassung §139a Abs1

Leitsatz

Keine Gesetzwidrigkeit der Widmungsänderung in Grünland/Schutzzone Wald- und Wiesengürtel, landwirtschaftliche Nutzung, in einem Wiener Plandokument; ausreichende Grundlagenforschung und Interessenabwägung im Zusammenhang mit dem Erfordernis des Vorliegens wichtiger Rücksichten

Rechtssatz

Zulässigkeit des Antrags der Volksanwaltschaft auf Aufhebung eines Wiener Plandokuments (vgl Art148i Abs1 B-VG iVm §139a Abs1 Wr Stadtverfassung).

Daran ändert der Umstand nichts, dass auf Grund der Formulierung des Antrages unklar bleibt, ob die Volksanwaltschaft "einstimmig" oder "mit Stimmenmehrheit" die Antragstellung beschlossen hat.

Keine Gesetzwidrigkeit des Plandokuments Nr 7527, Beschluss des Wr Gemeinderates vom 23.05.03, hinsichtlich der Umwidmung des Gebietes Pelargonienweg/Rautenweg/Spargelfeldstraße/Zinnienweg von Grünland/ländliches Gebiet in Grünland/Schutzzone Wald- und Wiesengürtel, landwirtschaftliche Nutzung (SwwL) sowie der Festlegung eines Verbots der Errichtung landwirtschaftlicher Nutzbauten für einen Teil des Gebietes (BB7).

Keine Bedenken gegen §59 Abs3 Wr BauO 1930 betreffend den Ausschluss eines Einlösungsanspruches der Grundeigentümer für - der landwirtschaftlichen Nutzung vorbehaltene - Flächen im Wald- und Wiesengürtel.

Die Frage, ob nach einer Widmungsänderung eine Entschädigung zusteht, spielt für die Beurteilung, ob eine hinreichende Interessenabwägung vorgenommen wurde, eine Rolle; die vorgebrachten Bedenken gegen die Widmungsänderung beziehen sich auch auf die mangelnde Berücksichtigung der Interessen der Grundstückseigentümer. Die Bestimmung über den Ausschluss eines - einer Entschädigung gleichzuhaltenden - Einlösungsanspruchs ist daher präjudiziell.

Flächen des Wald- und Wiesengürtels, die der landwirtschaftlichen Nutzung "vorzubehalten" sind, lassen sich wesentlich ertragreicher nutzen als solche ohne diesen Vorbehalt (vgl §6 Abs3 und Abs3a Wr BauO 1930 betreffend die Zulässigkeit verschiedener Bauten). Unterschiedliche Regelung hinsichtlich des Einlösungsanspruches daher sachlich gerechtfertigt.

Kein unlösbarer Normwiderspruch zwischen der gesetzlichen Grundlage der Festlegung BB7 (Verbot der Errichtung landwirtschaftlicher Nutzbauten) in §5 Abs4 litn Wr BauO 1930 zur allgemeinen Bestimmung über die Zulässigkeit unbedingt erforderlicher baulicher Anlagen gemäß §6 Abs15 leg cit.

Eine spezielle Anordnung für Grundstücke im Wald- und Wiesengürtel trifft §6 Abs15 nur für den (hier nicht vorliegenden) Fall, dass auf bestimmten Grundstücken ausnahmsweise die Bebauung mit Bauten und baulichen Anlagen für bestimmte Zwecke für zulässig erklärt wurde (gewissermaßen der erste Fall des §5 Abs4 litn).

Vorliegen wichtiger Gründe für die Widmungsänderung iSd §1 Abs4 Wr BauO 1930 (Sicherung übergeordneter Grünverbindungen, Erhaltung des Großbiotops "Bahnhof Breitenlee" als Rückgrat des übergeordneten Landschafts- und Freiraums im Nordosten Wiens).

Ausreichende Interessenabwägung mit den Interessen der betroffenen Grundeigentümer; wirtschaftlich sinnvolle landwirtschaftliche Nutzung weiterhin möglich. Dass die Festlegung einer anderen Widmungskategorie (etwa Bauland, Schutzzone Wald- und Wiesengürtel ohne Landwirtschaftsvorbehalt oder Kleingartengebiet) für die betroffenen Grundeigentümer gewisse Vorteile gebracht hätte, die über die Interessen an der Beibehaltung der früheren Widmung hinausgehen, ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Widmungsänderung nicht ausschlaggebend. Kein "Verlust" eines Einlösungsanspruches, da die neue Widmung an die Stelle einer früheren Widmung tritt, die ebenfalls keinen Einlösungsanspruch begründete.

Ausreichende Grundlagenforschung; Überlegungen und Untersuchungen übergeordneter Planungen als Teil der Grundlagenforschung; keine Überschreitung des planerischen Gestaltungsspielraums der verordnungserlassenden Behörde.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan, Entschädigung, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Bedenken, Volksanwaltschaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:V47.2005

Dokumentnummer

JFR_09938795_05V00047_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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