RS Vfgh 2007/3/14 B729/06

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 14.03.2007
beobachten
merken

Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6500 Jagd, Wild

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art15 Abs9
B-VG Art83 Abs2
EMRK Art6 Abs1 / Tribunal
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
Bgld JagdG 1988 §108, §111, §115, §121, §130

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durchZuspruch von Schadenersatz für den an Obstkulturen entstandenenWildschaden; landesgesetzliche Ausnahmeregelungen von derverschuldensunabhängigen Haftung zB für Obstgärten imrechtspolitischen Gestaltungsspielraum und sachlich gerechtfertigt;Nichtanwendung der für Obstgärten geltenden Regelung aufErdbeerkulturen weder willkürlich noch denkunmöglich; keinewillkürliche Auswechslung des Geschädigten durch bloß fehlerhafteBezeichnung; keine verfassungswidrige Zusammensetzung derLandeskommission, keine Zweifel an der Unparteilichkeit; kein Verstoßgegen das Recht auf eine mündliche Verhandlung durch Unterlassung deröffentlichen Verkündung des Bescheides

Rechtssatz

Keine Bedenken gegen §115 Abs1 Bgld JagdG 1988.

Es ist an sich sachlich begründet, auf Grund der gegebenen Besonderheiten das Schadenersatzrecht für Wildschäden einer speziellen, von den Schadenersatzbestimmungen des ABGB allenfalls abweichenden Regelung zu unterziehen; dafür ist der Landesgesetzgeber als Jagdgesetzgeber gemäß Art15 Abs9 B-VG zuständig (VfSlg 15917/2000 mwN).

Dies gilt auch für Schäden, die an Obstkulturen verursacht werden. Es liegt im rechtspolitischen Spielraum des Gesetzgebers, ungeachtet des Prinzips der Verursacherhaftung ein (Mit-)Verschulden dessen, der die an sich üblichen und daher auch von ihm zu erwartenden Einzäunungen unterlässt, entsprechend zu berücksichtigen. Der Verfassungsgerichtshof kann aber nicht finden, dass der Landesgesetzgeber den ihm im vorliegenden Fall zukommenden Gestaltungsspielraum überschritten hätte oder dass §115 Abs1 Bgld JagdG 1988 eine unsachliche Differenzierung enthielte: Diese Bestimmung stellt für die in den Fällen des §115 leg cit gegenüber der Grundregel des §111 Abs1 litb leg cit eingeschränkte Schadenshaftung nicht schlechthin darauf ab, dass es sich um eine "wertvolle Anpflanzung" handelt. Vielmehr liegt der Sinn der Ausnahmevorschrift darin, dass in den dort aufgezählten Fällen, in welchen der Besitzer von sich aus normalerweise Schutzmaßnahmen ergreift, seine Nachlässigkeit zur Entlastung des Jagdberechtigten führen soll.

Der Verfassungsgerichtshof vermag dem Landesgesetzgeber aus verfassungsrechtlichen Überlegungen nicht entgegen zu treten, wenn er die Ausnahmebestimmung des §115 Abs1 Bgld JagdG 1988 - soweit sie Obstkulturen betrifft - auf in Obst"gärten" bewirtschaftete Obstkulturen beschränkt hat, sodass Wildschäden, die an anderen Formen von Obstkulturen entstehen, der allgemeinen Haftungsregel des §111 Abs1 litb leg cit unterliegen.

Schon im Hinblick auf die für "Ananaserdbeerkulturen" in §108 Abs6 Bgld JagdG 1988 getroffene Anordnung hat die belangte Behörde §115 Abs1 leg cit nicht denkunmöglich angewendet, wenn sie die im vorliegenden Fall strittigen Erdbeerkulturen nicht als "Obstgarten" iS dieser Bestimmung qualifiziert hat.

Kein willkürlicher Austausch der geschädigten Partei.

Die (örtliche) Schiedskommission hat sich offenkundig lediglich im Ausdruck vergriffen und tatsächlich die Sonnenobst H als Geschädigte angesprochen. Diese hat auch den Schaden iSd §121 leg cit geltend gemacht.

Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter; keine verfassungswidrige Zusammensetzung der Landeskommission durch Auswechslung sachkundiger Mitglieder zwischen den beiden Verhandlungsterminen.

Landeskommission für Jagd- und Wildschäden nach dem Bgld JagdG 1988 "Tribunal" iSd Art6 Abs1 EMRK.

Die Behörde hatte sich in der ersten mündlichen Verhandlung darauf beschränkt, einen Beschluss über die Beiziehung von Sachverständigen zu fassen; es wurden also keine Beweisaufnahmen oder andere Prozesshandlungen durchgeführt, hinsichtlich derer nach einer Änderung der Zusammensetzung der Kollegialbehörde eine Wiederholung geboten gewesen wäre.

Eine Beweisaufnahme durch Behandlung der von der belangten Behörde eingeholten Gutachten wurde vielmehr erstmals in der zweiten Verhandlung vorgenommen.

Keine Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Landeskommission durch Mitwirkung eines sachkundigen Mitglieds an der Entscheidungsfindung.

Angesichts des Umstandes, dass im Verfahren vor der belangten Behörde eine mündliche Verhandlung durchgeführt worden ist und jedermann die Möglichkeit hat, eine Kopie der Entscheidung dieser Behörde zu erlangen, überdies die - mit dem angefochtenen Bescheid im Wesentlichen bestätigte - Entscheidung der Bezirksschiedskommission mündlich verkündet wurde, kann die beschwerdeführende Partei nach den Umständen des vorliegenden Falles auch nicht mit Erfolg geltend machen, durch die Unterlassung der mündlichen Verkündung des angefochtenen Bescheides in ihrem Recht nach Art6 Abs1 EMRK verletzt worden zu sein.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Jagdrecht, Wildschaden, Kompetenz Bund - Länder Jagdwesen, KompetenzBund - Länder Zivilrechtswesen, Adhäsionskompetenz, Zivilrecht,Schadenersatz, Ausnahmeregelung - Regel, Kollegialbehörde,Behördenzusammensetzung, Sachverständige, Verhandlung mündliche,Bescheidverkündung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:B729.2006

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten