RS Vwgh 2004/2/19 99/20/0573

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Veröffentlicht am 19.02.2004
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Index

19/05 Menschenrechte
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 1997 §8;
FrG 1997 §57 Abs1 idF 2002/I/126;
MRK Art3;

Rechtssatz

Unmenschliche oder erniedrigende Haftbedingungen, wie sie dem Asylwerber seinen Behauptungen zufolge bei Inhaftierung in Nigeria drohen würden, hat der EGMR wiederholt unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 MRK gewürdigt. Er hat dabei - bezogen auf Haftbedingungen in einem Vertragsstaat - u.a. zum Ausdruck gebracht, ein derartiger Verstoß gegen Art. 3 MRK erfordere nicht unbedingt die Absicht, den Betroffenen zu misshandeln oder zu erniedrigen, und selbst ernste sozialökonomische Probleme eines Staates und schwierige wirtschaftliche Bedingungen für die Führung von Haftanstalten seien keine Rechtfertigung für Haftbedingungen, mit denen die Schwelle einer gegen Art. 3 MRK verstoßenden Behandlung erreicht werde (vgl. die Urteile vom 29. April 2003, Poltoratskiy, Dankevich und Kuznetsov jeweils gegen Ukraine). Diese Ausführungen müssen auch bei der Beurteilung der Verantwortung eines Vertragsstaates für die Folgen einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme von Bedeutung sein (vgl. im Zusammenhang mit einer Auslieferung schon das Urteil des EGMR vom 7. Juli 1989, Soering gegen Vereinigtes Königreich). Allerdings hat der EGMR im Fall Bensaid gegen Vereinigtes Königreich bemerkt, auf die "hohe Schwelle" des Art. 3 MRK sei "besonders" Bedacht zu nehmen, wenn der Fall nicht die "direkte" Verantwortung des Vertragsstaates für die Zufügung von Leid betreffe. Diese Äußerung steht - vor dem Hintergrund des Umstandes, dass die vom Vertragsstaat selbst zu verantwortende Aufenthaltsbeendigung als solche Gegenstand der Prüfung ist - im Zusammenhang mit der bloß prognostischen Beurteilung der einer weiteren Beeinflussung durch den Vertragsstaat in der Regel entzogenen Folgen der aufenthaltsbeendenden Maßnahme. In dieser Hinsicht setzt eine nicht durch die Behandlung im Zuge der aufenthaltsbeendenden Maßnahme, sondern durch deren mögliche Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat bedingte Verletzung des Art. 3 MRK nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") voraus (vgl. die Schrifttumsnachweise im vorliegenden E).

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:1999200573.X04

Im RIS seit

03.03.2004

Zuletzt aktualisiert am

06.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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