RS Vfgh 2007/6/20 B1470/06

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Veröffentlicht am 20.06.2007
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
ASVG §308, §311
Bundesbahn-PensionsG §1
BundesbahnG 1992 §29, §52 idF BundesbahnstrukturG 2003

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Vorschreibung vonÜberweisungsbeträgen für Dienstnehmer nach Ausscheiden aus einempensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis an die ÖBB INFRASTRUKTURBAU AG infolge Ausgliederung der ÖBB; verfassungskonforme Auslegungdes Dienstgeberbegriffes des ASVG im Sinne einer Verpflichtung desBundes als gesetzlicher Träger der Pensionslast zur Leistung dieserBeträge geboten

Rechtssatz

Im BundesbahnG ist ein - insoweit dem Umlageverfahren der gesetzlichen Pensionsversicherung vergleichbares - Pensionssystem vorgesehen, in dem der Bund den Aufwand für die aktuellen Ruhe- und Versorgungsgenüsse (auch) der Mitarbeiter der beschwerdeführenden Partei trägt, während die beschwerdeführende Partei und ihre Mitarbeiter laufend Beiträge an den Bund zur Deckung dieses Aufwandes leisten.

Adressat der Verpflichtung zur Leistung des Überweisungsbetrages iSd §311 ASVG ist der den Ruhe(Versorgungs)genuss zusagende Dienstgeber, also jene Institution, welche die Beiträge für den Erwerb der ruhe(versorgungs)genussfähigen Dienstzeiten erhalten hat und daher die jeweilige Pensionsleistung zu tragen hätte.

Die Verpflichtung des "Dienstgebers" zur Leistung einer pauschalierten Abgeltung an jene Institution, die an Stelle der bisherigen die Pensionslasten übernimmt, lässt sich sachlich nur mit der damit Hand in Hand gehenden wirtschaftlichen Entlastung von der Verpflichtung zur Pensionsleistung rechtfertigen.

Als Folge der gesetzlichen Regelungen über die "Ausgliederung" der ÖBB aus der Bundesverwaltung ist jener Dienstgeber, der im Umfang des §52 Abs1 BundesbahnG die Rechte und Pflichten des Bundes gegenüber den aktiven Bediensteten und den Empfängern von Ruhe- und Versorgungsgenüssen fortsetzt (vgl dazu VfSlg 14075/1995), nicht (mehr) mit dem Bund ident, dem nach dem Gesetz während sämtlicher Zeiträume seit der "Ausgliederung" die Beiträge zur Tragung der Pensionslasten zugeflossen sind und der diese auch wirtschaftlich zur Gänze zu übernehmen hat.

Soweit der Begriff des "Dienstgebers" in §311 Abs1 ASVG nach seiner Wortbedeutung auch auf Unternehmen zuträfe, welche solche Pensionslasten gar nicht zu tragen haben (und daher auch beim Ausscheiden von Dienstnehmern nicht um diese entlastet werden) und selbst keine Pensionsbeiträge vereinnahmt haben, sondern vielmehr solche für ihre Dienstnehmer an den Bund entrichtet haben, ist das Begriffsverständnis teleologisch um solche Unternehmen - zu denen auch die beschwerdeführende Partei zählt - zu reduzieren.

Für die - eine solche teleologische Reduktion rechtfertigende - überschießende Planwidrigkeit des Gesetzeswortlautes spricht, dass die Besonderheiten der Änderung der "Rollenverteilung" im Zuge der "Ausgliederung" und Umstrukturierung der ÖBB, die von einem zweipoligen zu einem (sozialversicherungsähnlichen) dreipoligen Rechtsverhältnis zwischen dem Dienstgeber im arbeits(dienst)rechtlichen Sinne, dem Pensionsträger (Bund) und den Dienstnehmern geführt hat, vom Gesetzgeber im ASVG bisher anscheinend absichtslos nicht nachvollzogen wurde.

Wenngleich somit §311 Abs1 ASVG für Dienstverhältnisse, bei denen nicht der Dienstgeber, sondern weiterhin der Bund Träger der Pensionslast ist, keine Regelung enthält, so ist diese Bestimmung im vorliegenden Zusammenhang - entsprechend der insofern zweifelsfreien, auf die Aufrechterhaltung erworbener Pensionszeiten im jeweils anderen System gerichteten Absicht des Gesetzgebers - auf den Bund als gesetzlichen Träger der Pensionslast pensionsversicherungsfreier Dienstverhältnisse analog anzuwenden.

Das von der belangten Behörde gewählte wörtliche Verständnis des Dienstgeberbegriffs des §311 Abs1 ASVG führt hingegen zu dem unsachlichen und damit gleichheitswidrigen Ergebnis, dass die beschwerdeführende Partei, obwohl sie selbst Beiträge zur Deckung des Pensionsaufwandes an den Bund zu leisten und die Pensionsbeiträge ihrer Angestellten an diesen abzuführen hat, durch die Vorschreibung von Überweisungsbeträgen im Ergebnis (ein weiteres Mal) mit einem Beitrag zur Deckung eines Pensionsaufwandes belastet wird, um den jedoch der Bund entlastet wird.

Keine nähere Erörterung der von der belangten Behörde offenbar für möglich gehaltenen (im Gesetz aber nicht ausdrücklich vorgesehenen) Regressmöglichkeit der beschwerdeführenden Partei gegenüber dem Bund.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Bundesbahnen, Bundesbahnbedienstete, Sozialversicherung,Pensionsversicherung, Pensionsrecht, Ausgliederung, Auslegungverfassungskonforme, Analogie

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:B1470.2006

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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