RS Vfgh 2007/6/20 A20/06 - A14/06

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 20.06.2007
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Index

91 Post-und Fernmeldewesen
91/02 Post

Norm

B-VG Art137 / sonstige zulässige Klagen
B-VG Art137 / sonstige Klagen
StGG Art5
EMRK 1. ZP Art1
PostG §14
Richtlinie 97/67/EG über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaften und die Verbesserung der Dienstequalität, geändert durch die Richtlinie 2002/39/EG (Postrichtlinie) Art9

Leitsatz

Zulässigkeit einer Staatshaftungsklage gegen den Bund wegen nichtordnungsgemäßer Umsetzung der Postrichtlinie durch eine - vomVerfassungsgerichtshof mittlerweile aufgehobene - Bestimmung desPostgesetzes betreffend die Verpflichtung des Gebäudeeigentümers zurErrichtung von Brieffachanlagen; Abweisung der Klage mangelsErlassung der Regelung in Umsetzung von Gemeinschaftsrecht;gemeinschaftsrechtlicher Grundrechtsschutz nur im Fall der Umsetzunggemeinschaftsrechtlicher Rechtsakte

Rechtssatz

Die Förderung der stufenweise und kontrollierten Liberalisierung des Postmarktes ist ein Hauptziel der Gemeinschaftspolitik; mit der Postrichtlinie wurde ein Rechtsrahmen für den Postsektor geschaffen, der auf die Garantie eines Universaldienstes und eine weitere Öffnung des Marktes für den Wettbewerb abzielt.

Die Postrichtlinie enthält bezüglich der Errichtung und Finanzierung von Hausbrieffächern überhaupt keine Vorgaben.

Mit den - mittlerweile aufgehobenen (vgl E v 25.04.06, G100/05 ua) - innerstaatlichen Vorschriften des §14 PostG, welche die Errichtung von Hausbrieffächern durch die Hauseigentümer vorgesehen haben, wurde keine Bestimmung der Postrichtlinie umgesetzt, die der Gesetzgeber hätte verletzen können.

Nach Erwägungsgrund 26 der Richtlinie 2002/39/EG besteht die Möglichkeit, die Erteilung von Lizenzen an Wettbewerber an die Bedingung zu knüpfen, dass diese einen Betrag zur Bereitstellung des Universaldienstes leisten. Eine Kostentragungsregelung für die Errichtung neuer Hausbrieffachanlagen ist darin nicht zu erblicken.

Art5 StGG ist nicht Teil des Gemeinschaftsrechts.

Der Eigentumsschutz ist Teil der allgemeinen Rechtsgrundsätze, also des Primärrechts der EG; hiebei kommt der EMRK (vgl Art1 des 1. ZPEMRK) besondere Bedeutung zu. Dennoch ist aus einer Norm der EMRK, die Teil des österreichischen Verfassungsrechts ist, ein gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch als solcher nicht unmittelbar abzuleiten (vgl VfSlg 17002/2003), unter anderem schon deshalb, weil sich der gemeinschaftsrechtliche Grundrechtsschutz nach der Rechtsprechung des EuGH auf mitgliedstaatliche Rechtsakte nur bezieht, soweit sie gemeinschaftsrechtliche Rechtsakte umsetzen (mit Judikaturhinweisen). Die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Bestimmung des Postgesetzes ist nicht in Umsetzung von Gemeinschaftsrecht erlassen worden, sondern sie ist eine Regelung des Parlaments eines Mitgliedstaates, die autonom bloß aus Anlass anderer gesetzlicher Änderungen, die Gemeinschaftsrecht umsetzten, ergangen ist.

Siehe auch A14/06, E v 08.10.07: Kein Verstoß gegen Europäisches Primärrecht wegen Nichtbeachtung des Art1 des 1. ZPEMRK; keine Umsetzung von Gemeinschaftsrecht durch die aufgehobene Regelung des PostG über die Kostentragung für Hausbrieffachanlagen (vgl A20/06).

Keine Lücke im Grundrechtsschutz: Bei Stellung eines Individualantrags vor Beauftragung der Hausbrieffachanlagen hätten die Kläger den nunmehr behaupteten Schaden vermeiden können (vgl G100/05).

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Klagen, Staatshaftung, Post- und Fernmelderecht, Briefkasten,EU-Recht Richtlinie, Schadenersatz, Rechtsgrundsätze

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:A20.2006

Zuletzt aktualisiert am

19.12.2011
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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