TE Vfgh Beschluss 2006/2/28 B182/06

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Veröffentlicht am 28.02.2006
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

AVG §61a
VfGG §33
VfGG §82 Abs1
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit

Spruch

I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

II. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit dem am 31. Jänner 2006 zur Post gegebenen Schriftsatz begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellung eines Verfahrenshilfeantrages zur Erhebung einer Beschwerde gemäß Art144 B-VG gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 25. November 2005, Zl. 143.667/5-III/4/05, betreffend die Abweisung des Antrages auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für "jeglichen Aufenthaltszweck". In demselben Schriftsatz wird der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe gestellt.

2. Den Wiedereinsetzungsantrag begründet der Antragsteller damit, dass er nach Zustellung des Bescheides der Bundesministerin für Inneres von der Organisation "Asyl in Not" sowie der Rechtsanwaltskammer Wien beraten worden sei. Im Zuge dieser Beratungen sei er lediglich über die Möglichkeit aufgeklärt worden, eine Beschwerde gegen diesen Bescheid beim Verwaltungsgerichtshof, nicht jedoch eine Beschwerde nach Art144 B-VG beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Im Einzelnen führt der Antragsteller nach Erläuterungen zur Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes aus:

"[...] bei Vorliegen besonderer Umstände [kann] sowohl aufgrund mangelnder Kenntnis der Rechtslage als auch des Fehlens einer Rechtsmittelbelehrung ein Wiedereinsetzungsgrund vorliegen ..., wenn besondere Umstände hinzutreten. Diese besonderen Umstände sind im gegebenen Fall schon allein dadurch bewirkt, dass nicht nur die gänzliche Unkenntnis des österreichischen Verfahrensrechtes[,] sondern auch die §61a AVG widersprechende unvollständige und in ihrem Umfang sogar irreführende 'Rechtsmittelbelehrung' kumulativ vorliegen. Hinzu kommt, dass der Antragsteller unvertreten war und darüber hinaus noch Auskünfte bei der für ihn als wesentlichen Ansprechpartner fungierenden Organisation 'Asyl in Not' sowie der Rechtsanwaltskammer Wien eingeholt hat. ...

         [...] Die durch die eben geschilderten Umstände der

mangelhaften Rechtskenntnis, Unvertretenheit, Ausländereigenschaft,

mehrfachen mangelhaften Beratung sowie dem Vorliegen eines nach §61a

AVG rechtswidrigen und irreführenden Hinweises auf die

Nichtbekämpfbarkeit des angefochtenen Bescheides resultierende

Fristversäumnis für die Einbringung einer Beschwerde gemäß Art144

B-VG stellt in ihrer Gesamtheit ganz besondere Umstände dar, aufgrund

derer es dem Antragsteller unmöglich und unzumutbar gewesen war,

rechtzeitig einen entsprechenden Antrag auf Gewährung der

Verfahrenshilfe ... zu stellen oder die Beschwerde an sich

einzubringen. Dieser unverschuldete bzw - wenn überhaupt - nur leicht

fahrlässig herbeigeführte Umstand wurde erst am 17.01.2006 durch

den ... zum Verfahrenshelfer für die beim Verwaltungsgerichtshof

einzubringende Beschwerde bestellten Rechtsanwalt beseitigt."

II.     Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen

die Versäumung der Beschwerdefrist ist zulässig, aber nicht begründet:

1. Gemäß §33 VfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VfGG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 VfGG die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff ZPO sinngemäß anzuwenden.

a) Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg. 9817/1981, 14.639/1996, 15.913/2000 und 16.325/2001 mwN).

b) Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muss gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Zugleich mit dem Antrag ist dem §149 Abs1 ZPO zufolge auch die versäumte Prozesshandlung nachzuholen.

2. Das Hindernis für die rechtzeitige Einbringung des Verfahrenshilfeantrages fiel am 17. Jänner 2006 weg. Mit dem am 31. Jänner 2006 zur Post gegebenen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde daher diese Frist gewahrt.

3. Jedoch kann von einem minderen Grad des Versehens des Antragstellers im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden.

Der Bescheid der Bundesministerin für Inneres enthält - entgegen dem Antragsvorbringen - folgenden Hinweis:

"Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen nach seiner Zustellung Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof und/oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Bei der Einbringung einer solchen Beschwerde ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten."

Schon aus diesem Grund lagen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vor, weshalb der darauf gerichtete Antrag abzuweisen war.

III. Der unter einem eingebrachte Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe war aufgrund der wegen der Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist (§82 Abs1 VfGG) offenbar aussichtslosen weiteren Rechtsverfolgung abzuweisen (§35 Abs1 VfGG iVm. §63 Abs1 ZPO).

IV. Diese Beschlüsse konnten gemäß §33 zweiter Satz VfGG sowie §72 Abs1 ZPO iVm. §35 Abs1 VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

Schlagworte

VfGH / Verfahrenshilfe, VfGH / Fristen, Beschwerdefrist, Asylrecht, Bescheid Rechtsmittelbelehrung, VfGH / Wiedereinsetzung, Aufenthaltsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:B182.2006

Dokumentnummer

JFT_09939772_06B00182_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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