RS Vfgh 2008/6/11 B2024/07

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Veröffentlicht am 11.06.2008
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

B-VG Art137 / sonstige zulässige Klagen
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
EMRK Art13
Richtlinie 2003/9/EG zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten (Aufnahmerichtlinie) Art16
AVG §73
Oö GrundversorgungsG §4

Leitsatz

Zurückweisung der Beschwerde eines tschetschenischen Asylwerbersgegen die Zurückweisung eines Devolutionsantrages betreffend dieEinschränkung der Grundversorgungsleistungen durch das LandOberösterreich mangels Legitimation; keine Anwendbarkeit einergemeinschaftsrechtswidrigen Bestimmung im Oö Grundversorgungsgesetzhinsichtlich einer erst nachträglichen bescheidmäßigen Feststellungder bereits erfolgten Einschränkung bzw Entziehung von Leistungenaufgrund des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts; keinEingriff in die Rechtssphäre des Beschwerdeführers durch dieZurückweisung seines Devolutionsantrages mangels Erlassung einesBescheides

Rechtssatz

Nach Art16 Abs5 Aufnahmerichtlinie 2003/9/EG gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass Grundversorgungsleistungen nicht entzogen oder eingeschränkt werden, bevor eine abschlägige Entscheidung ergeht.

Demgegenüber sieht §4 Abs1 Oö GrundversorgungsG vor, dass eine bescheidmäßige Feststellung der Einschränkung oder Entziehung von Grundversorgungsleistungen ergeht, wenn der betreffende Fremde dies binnen vier Wochen nach der faktischen Einschränkung bzw Entziehung verlangt hat. Eine derartige Regelung, die lediglich eine ex post-Feststellung ermöglicht, widerspricht offenkundig dem Gemeinschaftsrecht. Keine Anwendung daher dieser Bestimmung aufgrund Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts.

Grundversorgungsleistungen daher mangels Erlassung eines Bescheides weiter zu gewähren; kein Eingriff in die Rechtssphäre des Beschwerdeführers durch Zurückweisung seines auf eine Bescheiderlassung gerichteten Devolutionsantrages trotz faktisch bereits erfolgter Einschränkung bzw Entziehung der Leistungen.

Um dem gemeinschaftsrechtlichen Gebot im Rahmen des österreichischen Rechtsschutzsystems zu entsprechen, könnte der Beschwerdeführer bei faktischer Vorenthaltung der Grundversorgung eine Klage nach Art137 B-VG erheben, solange und insoweit die Entziehung der Grundversorgung noch nicht durch Bescheid verfügt wurde (anders die B v 27.11.06, A4/06 ua, zu Grunde liegende Rechtslage nach dem GrundversorgungsG-Bund 2005).

Entscheidungstexte

  • B 2024/07
    Entscheidungstext VfGH Beschluss 11.06.2008 B 2024/07

Schlagworte

Asylrecht, EU-Recht Richtlinie, Rechtsschutz, VfGH / Legitimation,Devolution

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:B2024.2007

Zuletzt aktualisiert am

18.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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