RS Vfgh 2008/6/12 B1085/07

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Veröffentlicht am 12.06.2008
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Index

10 Verfassungsrecht
10/10 Grundrechte, Datenschutz, Auskunftspflicht

Norm

B-VG Art8
StGG Art19
StV Wien 1955 Art7 Z3
VolksgruppenG §15 Abs3

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durchBeiziehung einer gerichtlich beeideten Dolmetscherin für diekroatische Sprache in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung voreinem Unabhängigen Verwaltungssenat; keine Verletzung im subjektivenRecht auf Verwendung der kroatischen Sprache als Amtssprache; keineVerfassungswidrigkeit einer Bestimmung des Volksgruppengesetzes überdie subsidiäre Beiziehung eines Dolmetschers; keine Verpflichtung desStaates zur Bestellung von der Minderheitensprache mächtigenOrganwaltern

Rechtssatz

Zwar ergibt sich aus Art7 Z3 StV Wien 1955 eine - dem Recht des einzelnen Volksgruppenangehörigen korrespondierende (vgl VfSlg 9744/1983) - Verpflichtung des Gesetzgebers und der Vollziehung, den Gebrauch der Minderheitensprache rechtlich und faktisch zu ermöglichen, was auch beinhaltet, im Rahmen des tatsächlich Möglichen eine Vorsorge zu treffen, dass der Minderheitensprache mächtige Organwalter zum Einsatz kommen. Aus der Zulassung der Minderheitensprache als "Amtssprache" kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass zweisprachige Organwalter bei den Behörden für den Verkehr mit Minderheitenangehörigen eingesetzt werden müssen. Eine Verpflichtung zu einem "ethnischen Proporz", also etwa zur Bestellung einer bestimmten Anzahl zweisprachiger Organwalter, kann aus Art7 Z3 erster Satz StV Wien (wie auch aus Z4 leg cit) nicht abgeleitet werden (siehe hiezu auch das Bundesgesetz vom 19.03.59, BGBl 102, zur Durchführung der die Amtssprache bei Gericht betreffenden Bestimmungen des Art7).

Gegen eine Regelung wie jene des §15 Abs3 VolksgruppenG, die gleichsam "subsidiär" auf die Beiziehung von Dolmetschern abstellt, wenn kein zweisprachiger Organwalter zur Verfügung steht, bestehen daher unter dem Blickwinkel des Art7 Z3 erster Satz StV Wien keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Zu Art19 StGG betreffend die "Volksstämme" und ihre "landesüblichen Sprachen" siehe bereits VfSlg 2459/1952 (auf Monarchie und Vielvölkerstaat abgestellt; heute Minderheiten und deren Rechte).

Die Staatszielbestimmung des Art8 Abs2 B-VG stellt zwar ein Bekenntnis der Republik zu ihrer kulturellen Vielfalt in Gestalt ihrer autochthonen Volksgruppen dar, es ergibt sich jedoch auch aus Art8 Abs2 B-VG keine Verpflichtung des Staates, dafür Vorsorge zu treffen, dass seine Organwalter der Minderheitensprache(n) mächtig sind. Diese Bestimmung enthält keine - über jene gemäß Art7 StV Wien hinausgehenden - Verpflichtungen, sodass die Beiziehung von Dolmetschern den Anforderungen gemäß Art8 Abs2 B-VG jedenfalls genügt.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Volksgruppen, Minderheiten, Amtssprache, UnabhängigerVerwaltungssenat

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:B1085.2007

Zuletzt aktualisiert am

18.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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