RS Vfgh 2008/9/24 G44/07 ua

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Veröffentlicht am 24.09.2008
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Index

50 Gewerberecht
50/02 Sonstiges Gewerberecht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
BAO §125
BilanzbuchhaltungsG §1, §2, §77, §98
WirtschaftstreuhandberufsG §2, §14, §95

Leitsatz

Teilweise Zurückweisung der Individualanträge SelbständigerBuchhalter auf Aufhebung neu geschaffener Regelungen für den Berufdes Bilanzbuchhalters sowie dazu ergangener Übergangsbestimmungenmangels unmittelbarer rechtlicher Betroffenheit; keineGleichheitswidrigkeit von Regelungen über die Berechtigung zurErstellung von Bilanzen im Wirtschaftstreuhandberufsgesetz und imBilanzbuchhaltungsgesetz hinsichtlich der Wertgrenzen und derVertretungsbefugnis angesichts der größeren gesamtwirtschaftlichenBedeutung der Bilanz sowie des Verbots der Annahme von Provisionenbzw Weitergabe von Aufträgen unter Provisionsvorbehalt; keineVerletzung der Erwerbsausübungsfreiheit; keine Unverhältnismäßigkeitin Hinblick auf das Ziel der Sicherung der Unabhängigkeit derselbständig tätigen Berufsausübenden

Rechtssatz

Keine Zulässigkeit der Individualanträge Selbständiger Buchhalter auf Aufhebung einer Novellierungsanordnung betr §14 Abs1 WirtschaftstreuhandberufsG in ArtII Z7 des Bundesgesetzes BGBl I 161/2006 (Novelle zur GewO 1994, zum WirtschaftstreuhandberufsG sowie Erlassung des BilanzbuchhaltungsG), der Z2 dieser Bestimmung (Streichung der Selbständigen Buchhalter aus der Liste der Wirtschaftstreuhänder), des §1 Abs3 BilanzbuchhaltungsG (betr Qualifikation des Bilanzbuchhalters: kein Gewerbe und kein freier Beruf), des §14 Abs1 Z3 WirtschaftstreuhandberufsG (betr den Zugang zur Fachprüfung Steuerberater) und der Übergangsregelungen in §98 Abs4 und Abs7 BilanzbuchhaltungsG (betr Anträge auf öffentliche Bestellung als Gewerblicher oder Selbständiger Buchhalter bzw Befreiung von bestimmten Fachprüfungen dieser Antragsteller).

Keine unmittelbare rechtliche Betroffenheit durch eine Novellierungsanordnung; keine Verschlechterung der steuerrechtlichen Position durch den Verlust der Zugehörigkeit zu einem freien Beruf (Bilanzierung bzw Umsatzbesteuerung nach vereinbarten Entgelten nur bei Überschreitung der Buchführungsgrenze des §125 BAO); nur Geltendmachung abstrakter Rechtsfolgen bei bestimmten Einkunftsarten; Zulassung zur Fachprüfung Steuerberater nicht angestrebt, Geltung der Zulassungsvoraussetzungen für die Antragsteller noch in der früheren Fassung BGBl I 120/2005; ebenso keine Geltung der Übergangsregelungen des §98 BilanzbuchhaltungsG für die Antragsteller; kein offenes Prüfungsverfahren für den Beruf Gewerblicher oder Selbständiger Buchhalter, keine öffentliche Bestellung angestrebt.

§98 Abs8 BilanzbuchhaltungsG bereits außer Kraft (BGBl I 11/2008), keine Wirkung für die Antragsteller.

Zulässigkeit hingegen der Anträge auf Aufhebung des §95 WirtschaftstreuhandberufsG und §77 BilanzbuchhaltungsG betreffend ein Verbot der Annahme von Provisionen bzw Weitergabe von Aufträgen unter Provisionsvorbehalt (she E v 04.12.07, G113/06) sowie des §2 WirtschaftstreuhandberufsG und §2 BilanzbuchhaltungsG hinsichtlich des Berechtigungsumfangs Selbständiger und Bilanzbuchhalter (she VfSlg 17171/2004 und B v 02.10.07, G19/07).

Notwendigkeit der Weitergabe von Aufträgen bei der Berufsausübung, Wirkung des Verbots der Annahme von Provisionen beim Abschluss einer Honorarvereinbarung. Provozierung eines Disziplinarverfahrens nicht zumutbar.

Keine Gleichheitswidrigkeit der Regelungen der Berechtigung zur Erstellung von Bilanzen in §2 WirtschaftstreuhandberufsG und §2 BilanzbuchhaltungsG hinsichtlich der Wertgrenzen und der Vertretungsbefugnis; auch keine Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit.

Für Geschäftsbuchhaltung keine Wertgrenzen vorgesehen; Wertgrenzen für den Bereich der Erstellung von Bilanzen im Erk VfSlg 17171/2004 ausdrücklich als zulässig angesehen.

Bilanzen für einen größeren Adressatenkreis von Bedeutung, zunehmende Umsatzhöhe geeignetes Indiz für Unternehmensgröße, daher auch größere gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Bilanz, höhere Komplexität der bei der Bilanzierung zu lösenden Fragen, größeres Maß an Verantwortung.

Es ist angesichts dessen unbedenklich, wenn der Gesetzgeber bei Überschreiten einer Umsatzgrenze höhere Anforderungen an die Qualifikation der mit dem Abschluss der Bücher und der Bilanzerstellung betrauten Personen stellt.

Der Gesetzgeber hat mit der Schaffung der Berufe des Gewerblichen Buchhalters, des Selbständigen Buchhalters und nunmehr des Bilanzbuchhalters innerhalb der Wirtschaftstreuhandberufe (iwS) ein abgestuftes System von in ihrem Berechtigungsumfang und ihren Qualifikationen aufeinander aufbauenden Berufen verwirklicht. Es kann nicht als Verstoß gegen den Gleichheitssatz oder die Freiheit der Erwerbsausübung angesehen werden, dass der Gesetzgeber die Vertretung im Verfahren vor den Finanzbehörden jenen Berufen innerhalb dieses "Stufenbaues" vorbehalten hat, deren Ausbildung speziell auf die Erfordernisse der Vertretung von Parteien vor Abgabenbehörden abgestimmt ist und für deren Ausübung die Ablegung von Fachprüfungen vorgesehen ist, die die Kenntnis der einschlägigen Rechtsbereiche sicherstellt.

Keine Gleichheitswidrigkeit und kein Verstoß gegen die Erwerbsausübungsfreiheit des §95 WirtschaftstreuhandberufsG und §77 BilanzbuchhaltungsG betreffend ein Verbot der Annahme von Provisionen bzw Weitergabe von Aufträgen unter Provisionsvorbehalt.

Der Verfassungsgerichtshof kann nicht finden, dass das an Ausübende eines Wirtschaftstreuhandberufes gerichtete Verbot der Annahme von Provisionen und der Weitergabe von Aufträgen unter Provisionsvorbehalt, das insofern auch zur Vermeidung des äußeren Anscheins der Abhängigkeit geeignet ist, zur Erreichung des vom Gesetzgeber angestrebten Ziels der Sicherung der Unabhängigkeit der selbständig tätigen Berufsausübenden unverhältnismäßig wäre.

Keine Ersichtlichkeit einer Gleichheitswidrigkeit der Berufsausübungsregel des §95 WirtschaftstreuhandberufsG für der Kammer der Wirtschaftstreuhänder angehörige Personen, Kammerzugehörigkeit kein unsachliches Differenzierungsmerkmal. Keine Bedenken gegen unterschiedliche Berufsausübungsregelungen für Selbständige Buchhalter und Bilanzbuchhalter.

Keine Bedenken gegen das nur an Bilanzbuchhalter, die der Wirtschaftstreuhänderkammer angehören, gerichtete Verbot der Ausübung der Berechtigung auf Provisionsbasis. Bilanzbuchhalter können zwischen Mitgliedschaft zur Kammer der Wirtschaftstreuhänder oder einer Wirtschaftskammer wählen. Kein Gebot der Gleichstellung von dem WirtschaftstreuhandberufsG unterliegenden Bilanzbuchhaltern mit solchen, die der Wirtschaftskammer angehören.

Entscheidungstexte

  • G 44/07 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 24.09.2008 G 44/07 ua

Schlagworte

Bilanzbuchhalter, Wirtschaftstreuhänder, Gewerberecht, VfGH /Individualantrag, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes,Novellierung, Übergangsbestimmung, Erwerbsausübungsfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:G44.2007

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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