RS Vfgh 2008/11/6 G86/08 ua

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Veröffentlicht am 06.11.2008
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Index

40 Verwaltungsverfahren
40/01 Verwaltungsverfahren außer Finanz- und Dienstrechtsverfahren

Norm

B-VG Art132
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien, Art13
AVG §73
VStG §31 Abs3, §51 Abs7, §52b

Leitsatz

Verletzung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz innerhalbangemessener Zeit durch eine Bestimmung des Verwaltungsstrafgesetzesüber die Ausnahme der Mehrparteienverfahren vom Geltungsbereich derfünfzehnmonatigen Frist für das Außer-Kraft-Treten einesStraferkenntnisses seit Einlangen der Berufung beim UVS;Rechtfertigung nur bei Privatanklagesachen aufgrund der Möglichkeitder Devolution bzw Säumnisbeschwerde

Rechtssatz

Aufhebung der Wortfolge ", in dem nur dem Beschuldigten das Recht der Berufung zusteht," in §51 Abs7 VStG idF BGBl I 158/1998.

Gerechtfertigte Ausnahme der Privatanklagesachen von der fünfzehnmonatigen Frist durch die Möglichkeit der Erhebung eines Devolutionsantrages gemäß §73 AVG (nach §52b VStG) und allenfalls einer Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art132

B-VG.

Keine Möglichkeit der Erhebung einer Säumnisbeschwerde für die übrigen Verwaltungsstrafverfahren im Anwendungsbereich des §51 Abs7 VStG; Schutz vor Säumnis in diesen Verfahren auf die dreijährige Frist für die Strafbarkeitsverjährung (§31 Abs3 VStG) beschränkt.

Eine gesetzlich verfügte Höchstdauer für einen Verfahrensabschnitt wie jene des §51 Abs7 VStG vermag grundsätzlich dazu beizutragen, dass ein hinreichender Effektivitätsstandard für die Zwecke von Art13 EMRK gegeben ist. §51 Abs7 VStG wird diesen Anforderungen aber wegen der Ausnahme jener Verwaltungsstrafverfahren, in denen auch anderen Parteien als dem Beschuldigten ein Berufungsrecht eingeräumt wird (mit Ausnahme der Privatanklagesachen) nicht gerecht, da die Bestimmung für diese Verfahren weder eine Höchstdauer des Berufungsverfahrens verfügt noch die Möglichkeit präventiven Säumnisschutzes vorsieht.

Verjährungsfrist des §31 Abs3 VStG kein Schutz gegen überlange Verfahrensdauer iSd Art6 Abs1 EMRK, keine Gewähr für Zustellung des Berufungsbescheides innerhalb dieser drei Jahre, kein effektives Rechtsmittel zur Beschleunigung des Verfahrens iSd Art13 EMRK.

Möglichkeit der Strafmilderung für sich genommen nicht ausreichend, um in jedem Fall den Anforderungen des Art13 EMRK zu entsprechen.

Verstoß der Regelung gegen das Recht auf eine effektive Beschwerde wegen behaupteter Verletzung des Rechts auf eine Entscheidung in angemessener Frist nach Art13 iVm Art6 Abs1 EMRK.

Ausspruch gem Art140 Abs7 B-VG, dass die unter Fristsetzung (31.10.09) aufgehobene Wortfolge auf die zum Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung des Gesetzesprüfungsverfahrens am 09.10.08 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahren, denen ein Bescheid zugrunde liegt, der nach Ablauf der fünfzehnmonatigen Frist des §51 Abs7 VStG erlassen wurde (mit Ausnahme von Privatanklagesachen), nicht mehr anzuwenden ist.

Anlassfall B1323/07 ua, E v 06.11.08, Aufhebung der angefochtenen Bescheide; Quasianlassfall B1632/08, E v 24.02.09.

Entscheidungstexte

  • G 86/08 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 06.11.2008 G 86/08 ua

Schlagworte

Verwaltungsstrafrecht, Verwaltungsverfahren, Berufung, Säumnis,Devolution, Unabhängiger Verwaltungssenat, Rechtsschutz, Entscheidungin angemessener Zeit, Verfahrensdauer überlange, Verjährung,Verwaltungsgerichtshof, Säumnisbeschwerde, VfGH / Anlassverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:G86.2008

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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