TE Vfgh Erkenntnis 1980/2/28 B541/78

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Veröffentlicht am 28.02.1980
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Index

40 Verwaltungsverfahren
40/01 Verwaltungsverfahren außer Finanz- und Dienstrechtsverfahren

Norm

B-VG Art83 Abs2
AVG §33 Abs3
PostO 1957 §30
PostO 1957 §32
VStG §51 Abs3

Leitsatz

AVG 1950; zur Frage des Postenlaufes nach §33 Abs3

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 29. Juli 1976 wurden über den Beschwerdeführer wegen Übertretung mehrerer Bestimmungen des Weingesetzes Geldstrafen verhängt. Dieses Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer mit RSa am 5. August 1976 zugestellt.

Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschwerdeführer eine mit 12. August 1976 datierte, an die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck adressierte Berufung erhoben. Diese wurde vom Beschwerdeführer als nichtbescheinigte Briefsendung zur Post gegeben. Auf dem Kuvert scheint ein Absender-Freistempel nach §30 der Postordnung, BGBl. 110/1957, mit der Orts- und Tagesangabe "H. in Tirol - 12. 8. 1976" auf. Die Berufung langte am 16. August 1976 bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck ein.

Der Landeshauptmann für Tirol hat mit Bescheid vom 7. August 1978 die Berufung als verspätet zurückgewiesen.

2. Gegen dieses Berufungserkenntnis wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet und die Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB Slg. 6216/1970) wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter ua. dann verletzt, wenn die Behörde eine Sachentscheidung zu Unrecht verweigert, etwa indem sie entgegen dem Gesetz eine Berufung zurückweist.

Die Frage, ob die Berufungsfrist eingehalten wurde, ist - falls nicht eine Übergangsvorschrift anderes vorsieht - anhand der Rechtslage zum Zeitpunkt der Erhebung der Berufung (und nicht etwa anhand jener zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung) zu beurteilen. Die Berufungsfrist betrug nach dem (also hier maßgeblichen) §51 Abs3 VStG 1950, idF vor dem mit 1. März 1977 erfolgten Inkrafttreten der Nov. BGBl. 101/1977, eine Woche. Diese VStG-Nov. enthält keine Übergangsbestimmungen.

Der erstinstanzliche Bescheid nennt als Rechtsmittelfrist eine Woche.

Da die Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses am Donnerstag, dem 5. August 1976, erfolgte, hat die (damals) einwöchige Berufungsfrist am Donnerstag, dem 12. August 1976, geendet (s. zur Berechnung der nach Wochen bestimmten Fristen §32 Abs2 AVG iVm §24 VStG).

Die Tage des Postenlaufes werden nach §33 Abs3 AVG 1950 iVm §24 VStG in die Frist nicht eingerechnet.

Die Berufung ist bei der Behörde erster Instanz erst am Montag, dem 16. August 1976, also nach Ablauf der Berufungsfrist, eingelangt. Es ist daher hier wesentlich, ob die Berufung noch innerhalb der Berufungsfrist, sohin spätestens am Donnerstag, dem 12. August 1976, zur Post gegeben wurde.

Für den Beginn des Postenlaufes ist nur maßgeblich, wann das Schriftstück von der Post in Behandlung genommen wird; wenn das Schriftstück in einen Briefkasten eingelegt wird, kommt es darauf an, wann der Briefkasten tatsächlich ausgehoben wird; es muß daher das Schriftstück vor der (am Briefkasten vermerkten) Aushebezeit in den Briefkasten eingelegt werden, um noch als an diesem Tage aufgegeben zu gelten (vgl. VwSlg. 6086 A/1963). Die Regel, daß der Tag der Postaufgabe grundsätzlich durch den Poststempel nachgewiesen wird (VwSlg. 6086 A/1963), kann für den Fall, daß eine Absender-Freistempelmaschine nach §30 der Postordnung, BGBl. 110/1957, verwendet wird - ungeachtet der Vorschrift des §32 dieses Gesetzes - nicht gelten (s. hiezu VwSlg. 3345 A/1954). Vielmehr muß der Tag der Postaufgabe im Zweifelsfall auf andere Weise nachgewiesen werden.

Die belangte Behörde hat vergeblich versucht, den - rechtskundig vertretenen - Beschwerdeführer zu verhalten, den Nachweis zu erbringen, wann er die Berufung tatsächlich zur Post gegeben hat.

In der vorliegenden Verfassungsgerichtshofbeschwerde wird ausgeführt, daß nunmehr - also Jahre nach der Berufungserhebung - ein Beweis über den Zeitpunkt der Postaufgabe dieses Rechtsmittels nicht mehr erbracht werden könne. Üblicherweise werde die Geschäftspost des Beschwerdeführers mit einer Absender-Freistempelmaschine gestempelt und danach zwischen etwa 18.15 und 18.25 Uhr dem Postamt H. in Tirol zur Beförderung übergeben. Anders könne der Vorgang der Postaufgabe auch nicht am 12. August 1976 gewesen sein.

Es ist gerichtsbekannt, daß in der Regel Briefe, die in H. in Tirol zur Post gegeben werden und an einen Empfänger in I. adressiert sind, bereits am nächsten Arbeitstag zugestellt werden. Der VfGH nimmt sohin als erwiesen an, daß der der Bezirkshauptmannschaft I. erst am Montag, dem 16. August 1976, zugestellte Brief mit der Berufungsschrift erst am Freitag, dem 13. August 1976 (und nicht bereits am 12. August 1976), von der Post in Behandlung genommen worden ist.

Der VfGH sieht keinen Grund anzunehmen, daß hier ausnahmsweise eine Verzögerung bei der Postzustellung eingetreten wäre. Insbesondere ist aus dem Umstand, daß das Postamt H. in Tirol an Arbeitstagen bis 19 Uhr geöffnet und dort eine Briefaufgabe bis zu diesem Zeitpunkt möglich ist, kein Beweis für die fristgerechte Aufgabe der Berufungsschrift abzuleiten.

Die belangte Behörde hat daher die Berufung zu Recht als verspätet zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist also nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Daran ändert nichts, daß die belangte Behörde ihre die Berufung zurückweisende Entscheidung erst etwa zwei Jahre nach Einlangen des Rechtsmittels getroffen hat, zumal es dem Beschwerdeführer freigestanden wäre, eine Säumnisbeschwerde an den VwGH zu erheben, oder aber noch während des erwähnten etwa zweijährigen Zeitraumes den Nachweis der Rechtzeitigkeit der Berufung nachzubringen.

2. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist. Es ist damit ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer durch ihn in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden ist (vgl. zB VfSlg. 7810/1976).

Anhaltspunkte für die Annahme, daß der Beschwerdeführer infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in Rechten verletzt worden wäre, hat das Beschwerdeverfahren nicht ergeben.

Die Beschwerde war sohin abzuweisen.

Schlagworte

Verwaltungsverfahren, Fristen (Berufung)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:B541.1978

Dokumentnummer

JFT_10199772_78B00541_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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