TE Vfgh Erkenntnis 1980/3/13 B222/77

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Veröffentlicht am 13.03.1980
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
Bgld RaumplanungsG §14 Abs3 lite

Beachte

Anlaßfall zu VfSlg. 8701/1979

Leitsatz

Bgld. Raumplanungsgesetz; Gleichheitsverletzung nach Aufhebung einiger Worte in §14 Abs3 lite

Spruch

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Der Beschwerdeführer ist zusammen mit seiner Ehegattin Eigentümer von Grundstücken in Wulkaprodersdorf und hat um Bewilligung zur Errichtung eines neuen Wirtschaftsgebäudes angesucht. Das für den Neubau in Aussicht genommene Hofgrundstück ist im Flächenwidmungsplan als "gemischtes Baugebiet" iS des §14 Abs3 lite Bgld. Raumplanungsgesetz ausgewiesen. Im baubehördlichen Verfahren wurden Einwendungen wegen befürchteter Belästigung der Nachbarschaft erhoben. Der Gemeinderat von Wulkaprodersdorf versagte hierauf die begehrte Bewilligung. Der Vorstellung gegen den Bescheid des Gemeinderates wurde mit dem angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt keine Folge gegeben. Die Vorstellungsbehörde war der Auffassung, daß im gemischten Baugebiet nur solche Betriebsgebäude errichtet werden dürften, die in einem sachlich-begrifflichen Zusammenhang mit den in Wohn- und Geschäftsgebieten zugelassenen Gebäuden und Einrichtungen stehen und den Bedürfnissen der Bewohner des Wohngebietes dienen. Die Errichtung landwirtschaftlicher Betriebsgebäude sei nur bei Widmung als Dorfgebiet zulässig. Das Maß der Gefährdung und Belästigung der Nachbarn sei daher gar nicht zu prüfen. Im einzelnen wird zum Verwaltungsgeschehen und den Überlegungen der belangten Behörde auf die Begründung des Erk. in dem aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles eingeleiteten Normenprüfungsverfahren G 27, V35/79 vom 10. Dezember 1979 verwiesen.

Mit diesem Erk. wurden in §14 Abs3 lite des Bgld.

Raumplanungsgesetzes, LGBl. 18/1969 (RPG), die Worte "nach lita als auch nach litc" als verfassungswidrig aufgehoben. Hingegen wurde der in Prüfung gezogene Teil des Flächenwidmungsplanes nicht als gesetzwidrig aufgehoben.

II. Unter Zugrundelegung des Ergebnisses des Gesetzesprüfungsverfahrens erweist sich die Beschwerde als begründet.

Nach §93 Abs3 der Bgld. Bauordnung, LGBl. 13/1970, sind Ansuchen um Erteilung einer Baubewilligung ua. abzuweisen, wenn das Vorhaben dem Flächenwidmungsplan widerspricht. Ob das Bauvorhaben der Widmung "gemischtes Baugebiet" widerspricht, ist im vorliegenden Fall gem. Art140 Abs7 B-VG unter Außerachtlassung des aufgehobenen Teiles des §14 Abs3 lite RPG zu beurteilen. Folglich sind gemischte Baugebiete solche Flächen,

"... auf denen sowohl Gebäude und Einrichtungen ... errichtet werden dürfen. Die Errichtung solcher Betriebsgebäude, die aller Voraussicht nach eine das örtlich zumutbare Maß übersteigende Gefährdung oder Belästigung der Nachbarn oder eine übermäßige Belastung des Straßenverkehrs verursachen, ist unzulässig."

Es sind also in Gebieten dieser Widmung auch Betriebsgebäude jeder Art zulässig, soweit sie nicht aller Voraussicht nach eine das örtlich zumutbare Maß übersteigende Gefährdung oder Belästigung der Nachbarn oder eine übermäßige Belastung des Straßenverkehrs verursachen.

Zu diesem Punkt hat die belangte Behörde im Vorstellungsbescheid nur folgendes ausgeführt:

"Die Aufsichtsbehörde verkennt durchaus nicht, daß durch die derzeitige Rechtslage die bauliche Nutzungsmöglichkeit der Grundstücke des Bauwerbers in hohem Maße eingeschränkt wird; dies, obgleich möglicherweise durch den Betrieb des Wirtschaftsgebäudes eine Verringerung der derzeit bestehenden Emissionen (Lärm, Geruch) eintreten könnte."

Ausgehend von der auf bestimmte Gebäude und Einrichtungen abstellenden Fassung der lite des §14 Abs3 RPG vor ihrer teilweisen Aufhebung durch den VfGH hat die Vorstellungsbehörde es also unterlassen zu prüfen, ob der geplante Bau dem zweiten Satz des §14 Abs3 lite RPG widerspricht. Da diese Unterlassung die Folge der Anwendung eines gleichheitswidrigen Gesetzes war, wurde der Bf. durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht verletzt.

Der Bescheid ist daher aufzuheben.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:B222.1977

Dokumentnummer

JFT_10199687_77B00222_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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