TE Vfgh Erkenntnis 1980/6/7 B65/77

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Veröffentlicht am 07.06.1980
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/02 Kraftfahrgesetz 1967

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
KFG 1967 §75 Abs4
KFG 1967 §76 Abs1

Leitsatz

KFG 1967; Abnahme eines Führerscheines gem. §75 Abs4 iVm §76 Abs1; keine Willkür

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 27. Juli 1976 hat die Bezirkshauptmannschaft Bregenz gem. §73 Abs1 iVm §66 Abs1 KFG 1967 sowie §57 AVG der Beschwerdeführerin die Lenkerberechtigung auf unbestimmte Zeit entzogen sowie gem. §73 Abs2 KFG 1967 ausgesprochen, daß der Beschwerdeführerin für die Zeit von zwei Jahren keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf. Gleichzeitig hat die Bezirkshauptmannschaft Bregenz verfügt, daß gem. §75 Abs4 KFG 1967 der Führerschein unverzüglich der Bezirkshauptmannschaft Bregenz oder der nächsten Gendarmeriedienststelle abzuliefern sei.

Auf Grund einer von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung hat die Bezirkshauptmannschaft Bregenz mit Bescheid vom 26. August 1976 diese Aussprüche wiederholt. Der Landeshauptmann von Vbg. hat sodann im Instanzenzuge mit Bescheid vom 31. Dezember 1976 den angefochtenen Bescheid dahin gehend abgeändert, daß gem. §74 Abs1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung auf die Dauer von fünf Monaten, gerechnet vom Tage der Abgabe des Führerscheins, entzogen wird. Am 20. Jänner 1977 erklärte die Beschwerdeführerin, auf ein Rechtsmittel gegen diesen - ihr am 17. Jänner 1977 zugestellten - Bescheid zu verzichten.

Am 3. Feber 1977 wurde bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz ein Aktenvermerk angelegt, in welchem es ua. heißt:

"Der Führerschein wurde der BH Bregenz nie vorgelegt, weshalb die am 29. 1. 1977 der Städt. Sicherheitswache vorgelegte Abschrift des Führerscheines der BH Bregenz Nr. 34125 für die Gruppe B, ausgestellt am 25. 3. 1976 für die Dauer von 5 Monaten einzuziehen ist.

L. versuchte der BH Bregenz glaubhaft zu machen, sie habe ihren Führerschein verloren."

In einem weiteren Aktenvermerk der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 4. Feber 1977 ist festgehalten, daß der zuständige Sachbearbeiter veranlaßt hat, der Beschwerdeführerin bei einer Fahrzeugkontrolle den Führerschein abzunehmen.

Am 7. Feber 1977 gegen 24 Uhr wurde der Beschwerdeführerin anläßlich einer Verkehrskontrolle durch Gendarmeriebeamte der Führerschein abgenommen.

Über Antrag der Beschwerdeführerin erließ der Landeshauptmann von Vbg. am 11. Feber 1977 einen Bescheid, mit welchem der Bescheid vom 31. Dezember 1976 gem. §68 Abs2 AVG dahin gehend abgeändert wurde, daß der Beginn des Entzugs der Lenkerberechtigung nicht mit dem Tage der Abgabe des Führerscheins, sondern mit dem 8. August 1976 angesetzt wurde. Der Beschwerdeführerin wurde hierauf noch am selben Tag ihr Führerschein wieder ausgefolgt.

2. Die Abnahme des Führerscheins am 7. Feber 1977 durch Gendarmeriebeamte bekämpft die Beschwerdeführerin als "faktische Amtshandlung", durch welche sie im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt worden sei.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie habe, nachdem der Bescheid vom 31. Dezember 1976 in Rechtskraft erwachsen sei, "den zunächst verlegten Führerschein wieder aufgefunden". Die Entzugsdauer von fünf Monaten könne niemals vom 7. Feber 1977 an gerechnet werden, sondern vielmehr ab dem tatsächlichen Entzug der Lenkerberechtigung, das sei der 9. August 1976, an welchem Tag der Beschwerdeführerin der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 27. Juli 1976 zugestellt worden sei. Ein anderer Sinn könne dem Spruch des Bescheides des Landeshauptmannes nicht beigemessen werden. Die von der Bezirkshauptmannschaft Bregenz getätigte Auslegung dieses Spruches grenze an Schikane, weshalb die Abnahme des Führerscheins am 7. Feber 1977 als Willkürakt der Bezirkshauptmannschaft Bregenz zu bezeichnen sei. Nachdem der Führerschein der Beschwerdeführerin ohne ein vorangegangenes Verwaltungsverfahren und ohne Auftrag der Behörde der Beschwerdeführerin gegenüber abgenommen worden sei, bilde ein im Auftrag der belangten Behörde erfolgtes Einschreiten von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH eine faktische Amtshandlung.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Bregenz als belangte Behörde beantragt die Abweisung der Beschwerde und weist darauf hin, daß die im Spruch ihres Bescheides enthaltene Vollstreckungsverfügung durch den Berufungsbescheid vom 31. Dezember 1976 nicht geändert worden sei. Zur Interpretation des Berufungsbescheides durch die belangte Behörde sei zu bemerken, daß sowohl die Wort- als auch die grammatikalische und Sinninterpretation ausschließlich zu dem von der belangten Behörde vertretenen Ergebnis führten. Denn auch in diesem Falle hätte die Berufungsentscheidung noch immer eine erhebliche Herabsetzung der Entzugsdauer bedeutet. Es sei auch darauf hinzuweisen, daß die Bezirkshauptmannschaften in ständiger Praxis nicht die Nichtabgabe, sondern lediglich die Abgabe eines Führerscheins aktenkundig machten. Im übrigen habe auch die Berufungsbehörde die Auffassung der belangten Behörde dadurch bestätigt, daß eine bescheidmäßige Abänderung erfolgt sei, welche mit einem Irrtum der Berufungsbehörde hinsichtlich der Abgabe des Führerscheins begründet worden sei.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Die bekämpfte Abnahme des über die Lenkerberechtigung ausgestellten Führerscheins durch Gendarmeriebeamte erfolgte in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen die Beschwerdeführerin.

Die Beschwerde ist somit, da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, zulässig.

2. Gem. §75 Abs4 KFG 1967 ist nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Entziehungsbescheides der über die Lenkerberechtigung ausgestellte Führerschein unverzüglich der Behörde abzuliefern, sofern er nicht bereits abgenommen wurde. Nach §76 Abs1 KFG 1967 haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen einem Kraftfahrzeuglenker den Führerschein vorläufig abzunehmen.

Aus dem Zusammenhalt dieser Bestimmungen ergibt sich, daß dann, wenn die Abnahme eines Führerscheins unter bestimmten Voraussetzungen ohne bescheidmäßige Grundlage erfolgen kann, die Abnahme auch zulässig ist, wenn die Entziehung mittels Bescheides ausgesprochen worden ist. Die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins bzw. die Berechtigung zu dessen Abnahme ist somit im Gesetz selbst begründet, ohne daß es dazu einer gesonderten Vollstreckungsverfügung iS des VVG bedürfte.

In dem im Zeitpunkt der Abnahme (7. Feber 1977) rechtskräftigen Bescheid des Landeshauptmanns vom 31. Dezember 1976 war der Beschwerdeführerin gem. §74 Abs1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung auf die Dauer von fünf Monaten, gerechnet vom Tage der Abgabe des Führerscheins, entzogen worden. Den Führerschein hatte die Beschwerdeführerin bis zum 7. Feber 1977 nicht abgegeben. Da die fünfmonatige Frist im Zeitpunkt der Abnahme noch nicht begonnen hatte, geschweige denn abgelaufen war, kann in der bekämpften Abnahme des Führerscheins keinesfalls ein willkürliches Verhalten der Behörde erblickt werden.

Die Beschwerdeführerin ist somit im Gleichheitsrecht nicht verletzt worden.

Die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts ist weder von der Beschwerdeführerin behauptet worden noch im Verfahren vor dem VfGH hervorgekommen. Ebensowenig ist hervorgekommen, daß die Beschwerdeführerin durch die bekämpfte Ausübung unmittelbar verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden ist.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Kraftfahrrecht, Lenkerberechtigung, Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:B65.1977

Dokumentnummer

JFT_10199393_77B00065_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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