TE Vfgh Beschluss 1980/6/11 G39/80, V41/77, B291/80

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.06.1980
beobachten
merken

Index

50 Gewerberecht
50/03 Personen- und Güterbeförderung

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
BetriebsO für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr §33 Abs1
BetriebsO für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr §34 Abs1
BetriebsO für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr §36
GelVerkG §10 idF §376 Z6 GewO 1973
VfGG §15 Abs2
VfGG §57 Abs1
VfGG §62 Abs1
VfGG §82 Abs2, §82 Abs3

Leitsatz

Art139 Abs1 und 140 Abs1 B-VG; Individualantrag auf Aufhebung des §10 Gelegenheitsverkehrs-Gesetz und des §36 der Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr

Spruch

1. Die Anträge auf Aufhebung des §10 des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes und des §36 der Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr werden zurückgewiesen.

2. Die Beschwerde gegen die am 27. August 1977 nach den Behauptungen des Antragstellers von der Bundespolizeidirektion Wien an seinen Dienstgeber gerichtete "Weisung" wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I.1.a) In einer nicht von einem Rechtsanwalt eingebrachten, als "Beschwerde" gem. Art139 Abs1 B-VG wegen Gesetzwidrigkeit" bezeichneten Eingabe des Antragstellers (beim VfGH eingelangt am 10. November 1977) wurde der Antrag gestellt,

"der Verfassungsgerichtshof wolle die Verordnung, mit der gewerbepolizeiliche Regelungen für die nichtlinienmäßige Beförderung von Personen zu Lande getroffen werden (Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr)" - es handelt sich um die Verordnung des Bundesministers für Handel und Wiederaufbau BGBl. 289/1955 in der Fassung der Verordnungen BGBl. 47/1969, 89/1970 und 381/1970, im folgenden als Betriebsordnung bezeichnet -, "insbesondere jene Bestimmungen, die Einschränkungen der zeitlichen Geltungsdauer von Berechtigungen von Arbeitnehmern, im Fahrbetrieb beschäftigt zu werden, zum Inhalt haben, als gesetzwidrig aufheben und den Rechtsträger, für den die Behörde bei der Erlassung der gesetzwidrigen Vorschriften gehandelt hat, zum Ersatz der Prozeßkosten an den Antragsteller verpflichten".

Für die Durchführung des Verfahrens wurde die Gewährung der Verfahrenshilfe beantragt.

b) Nach Gewährung der Verfahrenshilfe ist beim VfGH am 27. März 1980 eine als "Beschwerde gemäß Artikel 139 Absatz 1, 140 und 144 BVG" bezeichnete Eingabe eingelangt, in der ausgeführt wird:

"Gegen die Bestimmung des §26 der Verordnung des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau vom 21. 12. 1955, mit der gewerbepolizeiliche Regelungen für die nicht linienmäßige Beförderung von Personen zu Lande getroffen wurden (Betriebsordnung für den nicht linienmäßigen Personenverkehr zu §10 Gelegenheitsverkehrs-Gesetz) und gegen die Weisung der Bundespolizeidirektion Wien vom 27. 8. 1977 an den Dienstgeber des Beschwerdeführers auf sofortige Einstellung der Berufsausübung als Taxilenker erhebt der Beschwerdeführer durch seinen nunmehr bestellten Rechtsanwalt die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, die nunmehr nach Rücksprache mit dem Beschwerdeführer vom gefertigten Rechtsanwalt fristgerecht und verbessert gemäß Auftrag des Verfassungsgerichtshofes Wien vorgelegt wird.

Die Beschwerde stützt sich auf:

1. Artikel 139 Absatz 1 BVG wegen Gesetzwidrigkeit der im §36 der genannten Verordnung des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau normierten, sachlich nicht gerechtfertigten Befristung der Gültigkeit der Taxilenkerberechtigung und Überschreitung des gesetzlichen Ermächtigungsrahmens.

2. Artikel 140 BVG wegen verfassungsrechtlicher ungenügender Determination der Verordnungsermächtigung des §10 Gelegenheitsverkehrs-Gesetz, die zur Überschreitung des Regelungsrahmens in der Bestimmung des §36 der vorangeführten Verordnung führte und wodurch ein verfassungsrechtlich nicht gedeckter Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung von Personen gegeben ist.

3. Artikel 144 Absatz 1 BVG, da durch diese Verordnung und durch die darauf gestützte Weisung der Bundespolizeidirektion Wien an den Dienstgeber des Beschwerdeführers die Berufsausübung durch diesen und damit sein verfassungsrechtlich gewährleistetes Recht auf Freiheit der Berufsausübung und Gleichheit vor dem Gesetz verletzt wurde."

Sodann wird dargelegt, daß dem Beschwerdeführer mit dem Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, vom 30. März 1972 die Berechtigung erteilt worden sei, "als Arbeitnehmer und Lenker eines nach den kraftfahrrechtlichen Bestimmungen zugelassenen Personenkraftwagens im Taxigewerbe, jedoch befristet bis 30. 3. 1977, tätig zu sein". Darüber sei ein Ausweis ausgestellt worden.

Am 9. Mai 1975 habe der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf die vorangeführte Taxilenkerberechtigung bei einem Taxiunternehmen ein Dienstverhältnis aufgenommen; dieses Dienstverhältnis sei der Bundespolizeidirektion Wien ordnungsgemäß angezeigt worden.

Am 27. August 1977 sei von der Bundespolizeidirektion Wien an den Dienstgeber des Beschwerdeführers unter Berufung auf die Bestimmungen der Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr die Weisung erteilt worden, die Fortsetzung des Dienstverhältnisses wegen Ablauf der Taxilenkerberechtigung zu unterbinden und die Berufsausübung des Beschwerdeführers einzustellen. Daraufhin sei das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers beendet worden.

Abschließend wird der Antrag gestellt,

"dieser Beschwerde Folge zu geben, die vorangeführte Verordnung des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau (nunmehr Verkehr) in ihrem Punkt 36 als verfassungswidrig aufzuheben, in eventu auch die Bestimmung des §10 Gelegenheitsverkehrsgesetz und die gesamte vorzitierte Verordnung des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau (nunmehr Verkehr) vom 21. 12. 1955 als Verfassungswidrig aufzuheben und zu erkennen, daß die Berufseinstellung an den Beschwerdeführer aufgrund Ablaufes der zeitlichen Beschränkung seiner Taxilenkerberechtigung durch die Bundespolizeidirektion Wien vom 27. 8. 1977 verfassungswidrig und die Taxilenkerberechtigung des Beschwerdeführers nach wie vor aufrecht ist."

2. Zufolge der unter ausdrücklicher Berufung auf die angeführten Artikel des B-VG vorgenommenen Bezeichnung als "Beschwerde" und im Hinblick auf den Zusammenhang der übrigen - nicht klaren - Ausführungen geht der VfGH davon aus, daß mit der Eingabe folgende Anträge gestellt werden:

a) Ein Individualantrag nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG auf Aufhebung des §10 des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes, BGBl. 85/1952, in der durch §376 Z36 der Gewerbeordnung 1973 - GewO 1973 geschaffenen Fassung;

b) Ein Individualantrag nach Art139 Abs1 letzter Satz B-VG auf Aufhebung des §36 der Betriebsordnung;

c) eine Beschwerde nach Art144 Abs1 B-VG gegen ein vom Antragsteller als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gewertetes Verhalten der Bundespolizeidirektion Wien, und zwar dadurch, daß von dieser am 27. August 1977 an den Dienstgeber des Beschwerdeführers der Auftrag ergangen sei, den Beschwerdeführer aufgrund des Ablaufes seiner Taxilenkerberechtigung nicht länger als Taxilenker zu beschäftigen.

II. Zum Individualantrag nach Art140 Abs1 B-VG:

1. Nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der VfGH über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

2. §10 des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes enthält eine Verordnungsermächtigung (nunmehr) für den Bundesminister für Verkehr (Anlage zu §2 des Bundesministeriengesetzes, BGBl. 389/1973, Teil 2/M/Z 4) zur Erlassung näherer Vorschriften über die dem Gelegenheitsverkehrs-Gesetz unterliegenden Gewerbezweige.

Allein schon aus diesem Inhalt ergibt sich, daß nach dieser Gesetzesbestimmung unmittelbare Eingriffe in die Rechtssphäre einer Person ausgeschlossen sind und erst durch eine aufgrund dieser Bestimmung erlassenen Verordnung bewirkt werden könnten.

Der Gesetzesprüfungsantrag war daher wegen des Fehlens der Antragsberechtigung zurückzuweisen, ohne daß geprüft zu werden braucht, ob nicht auch andere Gründe für die Zurückweisung des Antrages vorliegen.

Die Zurückweisung konnte gem. §19 Abs3 Z1 lita und e VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

III. Zum Individualantrag nach Art139 Abs1 letzter Satz B-VG:

1. Nach §36 Abs1 der Betriebsordnung ist ein Ausweis auf die Dauer von fünf Jahren auszustellen, sofern nicht in den im zweiten Satz dieser Bestimmung angeführten Ausnahmefällen (zB bei vorgeschrittenem Alter) eine kürzere Geltungsdauer festgesetzt werden kann. Nach Ablauf der Geltungsdauer ist eine Verlängerung des Ausweises auf jeweils weitere fünf Jahre zulässig, solange die in §34 der Betriebsordnung bezeichneten Voraussetzungen gegeben sind.

2. Bei der Beurteilung des Inhaltes der angeführten Vorschrift, deren Aufhebung vom Antragsteller begehrt wird, ist auf den Zusammenhang mit den übrigen Bestimmungen der Betriebsordnung und insb. darauf Bedacht zu nehmen, daß es sich dabei um eine besondere Bestimmung für das Taxi-Gewerbe (§§20 ff. der Betriebsordnung) handelt. Diese besondere gewerbepolizeiliche Regelung richtet sich somit an die zur Ausübung des Taxi-Gewerbes befugten Personen. Diese dürfen nach §32 der Betriebsordnung als Lenker im Fahrdienst nur Personen verwenden, die einen Ausweis nach dem Muster der Anlage zu dieser Bestimmung besitzen. Aus dem Wortlaut der Bestimmungen der §§33 Abs1 und 34 Abs1 der Betriebsordnung ergibt sich, daß im Verfahren zur Ausstellung eines Ausweises auch dem Lenker Parteistellung zukommt. Hinsichtlich der Einräumung der Parteistellung bestehen unter dem Gesichtspunkt des gegenständlichen Falles keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Verordnung.

Aus der Parteistellung im Ausstellungsverfahren folgt aber, daß der Antragsteller die Möglichkeit gehabt hätte, die Ausstellung eines unbefristeten Ausweises zu verlangen und - sofern diesem Begehren im Hinblick auf §36 der Betriebsordnung nicht entsprochen worden wäre - diesen Bescheid beim VfGH nach Art144 Abs1 B-VG mit der Behauptung der Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte oder der Verletzung von Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm zu bekämpfen. Ebenso wäre es möglich gewesen, diesen Bescheid beim VwGH wegen Rechtswidrigkeit mit Beschwerde anzufechten. Er hätte auf diesem Weg - entweder in einem auf Antrag des VwGH oder in einem vom VfGH von Amts wegen einzuleitenden Verfahren - eine Überprüfung der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides nach Art139 B-VG herbeiführen können (VfSlg. 8210/1978).

Daraus ergibt sich, daß dem Antragsteller ein durchaus zumutbarer Weg zur Verfügung gestanden wäre, eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Norm - sofern sie überhaupt in seine Rechtssphäre eingreift - zu erreichen.

Der Antrag auf Aufhebung des §36 der Betriebsordnung war daher in Anwendung der in II.2. angeführten Bestimmungen des Verfassungsgerichtshofgesetzes zurückzuweisen.

IV. Soweit der Antragsteller die nach seiner Behauptung am 27. August 1977 vorgenommene Erteilung einer "Weisung der Polizeidirektion Wien" an seinen Dienstgeber als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wertet und dagegen nach Art144 Abs1 B-VG Beschwerde erhebt, ist darauf hinzuweisen, daß für die Einbringung einer solchen Beschwerde nach §82 Abs2 VerfGG eine Frist von sechs Wochen eingeräumt ist. Diese Frist beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat.

Der Antragsteller hat in der von ihm persönlich eingebrachten Eingabe (I.1.a) vom 30. August 1977 auf die am 27. August 1977 von der Bundespolizeidirektion Wien seinem Dienstgeber gegebene Information (Weisung) über den Ablauf der Geltungsdauer des Taxilenkerausweises verwiesen. Er hatte demnach im Zeitpunkt der Abfassung dieser Eingabe jedenfalls Kenntnis von der Amtshandlung der Bundespolizeidirektion Wien. Im Hinblick darauf, daß die Postaufgabe dieser Eingabe erst am 9. November 1977 erfolgte, kann es dahingestellt bleiben, ob er damals überhaupt eine Beschwerde gem. Art144 B-VG erheben wollte, da sie schon damals jedenfalls verspätet gewesen wäre.

Die Beschwerde war daher schon wegen Versäumung der Beschwerdefrist zurückzuweisen, ohne daß geprüft zu werden brauchte, ob die Beschwerde nicht auch aus anderen Gründen zurückzuweisen gewesen wäre.

Schlagworte

Auslegung eines Antrages, VfGH / Individualantrag, Gewerberecht, Gelegenheitsverkehr, Taxis, VfGH / Fristen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:G39.1980

Dokumentnummer

JFT_10199389_80G00039_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten