TE Vfgh Erkenntnis 1980/6/25 B549/77

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Veröffentlicht am 25.06.1980
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Index

32 Steuerrecht
32/04 Steuern vom Umsatz

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
StGG Art5
Durchführungserlaß zum UStG 1972 vom 30.10.72. AÖFV 283/1972
UStG 1972 §6 Z1

Leitsatz

UStG 1972; keine Bedenken gegen §6 Z11; keine denkunmögliche Auslegung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Der Beschwerdeführer veranstaltet Kurse zu den Themen "Die Kunst der freien Rede", "Die Kunst im Umgang mit Menschen", "Wie man Sicherheit und Selbstvertrauen gibt", "Wie man Freunde gewinnt" und "Die Kunst, mit Sorgen fertig zu werden".

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 28. Oktober 1977 unterwarf die Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. die Umsätze aus diesen Kursen in den Jahren 1973 bis 1976 wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen für die Steuerfreiheit gem. §6 Z11 UStG 1972 der Umsatzsteuer.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt erachtet.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. a) Gem. §6 Z11 UStG 1972 sind die Umsätze von privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen steuerfrei, soweit es sich um die Vermittlung von Kenntnissen allgemeinbildender oder berufsbildender Art oder der Berufsausübung dienenden Fertigkeiten handelt und nachgewiesen werden kann, daß eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Tätigkeit ausgeübt wird.

Gegen diese Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides sind verfassungsrechtliche Bedenken weder vorgebracht worden noch im Verfahren beim VfGH entstanden.

b) Zu der in der Beschwerde aufgestellten Behauptung, die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid "den Durchführungserlaß des Bundesministeriums für Finanzen zum Umsatzsteuergesetz, der eine rechtswidrige Einengung des Befreiungstatbestandes des §6 Z11 UStG 1972 enthält", angewendet, ist folgendes zu bemerken:

Der Durchführungserlaß des Bundesministers für Finanzen zum UStG 1972 vom 30. Oktober 1972, Z 261100-10a/72, AÖFV 283/1972, deklariert sich in seinem Eingang selbst als "lediglich einen Behelf, der den Übergang zur Mehrwertsteuer erleichtern und der Herbeiführung einer möglichst einheitlichen Verwaltungsausübung dienen soll". Die zu den einzelnen Gesetzesbestimmungen gegebenen Erläuterungen entsprächen der Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Finanzen. An diese Aussagen schließt sich im Erlaß die Aufforderung, daß Grundlage für die Besteuerung der ab 1. Jänner 1973 bewirkten Umsätze ausschließlich das UStG 1972 und das Einführungsgesetz zum UStG 1972 bildeten und daß allein diese gesetzlichen Vorschriften zur Begründung von Entscheidungen der Finanzbehörden jeweils heranzuziehen seien.

Der VfGH hat im Erk. VfSlg. 6928/1972 zu den Einkommensteuer-Richtlinien 1968, welche die gleichen Aussagen wie der Durchführungserlaß zum UStG 1972 enthalten, ausgeführt, der Bundesminister für Finanzen habe mit diesen Ausführungen seinem Erlaß selbst jegliche normative Wirkung abgesprochen und zum Ausdruck gebracht, daß dieser als Rechtsgrundlage einer in Durchführung des EStG 1967 ergehenden finanzbehördlichen Entscheidung ungeeignet sei. Der VfGH verkenne nicht, daß die Finanzbehörden die Einkommensteuer-Richtlinien 1968 ungeachtet dieses Umstandes bei ihrer Tätigkeit heranziehen und es deshalb den Anschein haben könnte, als sei es für den Staatsbürger bedeutungslos, ob der Bundesminister anordnet oder bloß "im Interesse einer einheitlichen Vorgangsweise mitteilt". Eine solche Auffassung ließe jedoch außer Betracht, daß ein derartiger Erlaß die Adressaten zwar informiere, aber keineswegs verpflichte, dieser Information gemäß zu handeln. Die Rechtsstellung sowohl der Organwalter als auch der Parteien des finanzbehördlichen Verfahrens bleibe durch den Erlaß völlig unberührt. Unter diesen Umständen komme den Einkommensteuer-Richtlinien 1968 nicht der Charakter einer der Prüfung durch den VfGH gem. Art139 B-VG zugänglichen Verordnung zu.

Eine ähnliche Auffassung hat der VfGH schon im Erk. VfSlg. 5300/1966 zum Ausdruck gebracht. Auch im Erk. VfSlg. 5799/1968 hat der VfGH ausgeführt, daß dann keine Verordnung vorliegt, wenn die Behörde bloß ihre Rechtsansicht mitteilt.

Aus dieser Rechtsprechung - von der abzugehen der VfGH keinen Anlaß sieht - ergibt sich aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles, daß dem Durchführungserlaß zum UStG 1972 kein normativer Charakter zukommt und daß er somit auch keine Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides bildet.

2. Im Hinblick auf die Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. zB VfSlg. 8083/1977) durch den angefochtenen, in sein Eigentum eingreifenden Bescheid nur dann verletzt worden sein, wenn die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte.

Die Behörde stützt sich in erster Linie auf das Erk. des VwGH VwSlg. 5003 F/1976. Mit diesem Erkenntnis hat der VwGH eine Beschwerde desselben Beschwerdeführers gegen einen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. betreffend Umsatzsteuervorauszahlungen als unbegründet abgewiesen. In dem Erk. heißt es ua.:

"Gemäß §6 Z11 UStG 1972 sind die Umsätze von privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen steuerfrei, soweit es sich um die Vermittlung von Kenntnissen allgemeinbildender oder berufsbildender Art oder der Berufsausübung dienenden Fertigkeiten handelt und nachgewiesen werden kann, daß eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Tätigkeit ausgeübt wird.

Den Maßstab für den Vergleich zwischen der Tätigkeit einer privaten Schule oder einer anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtung mit der Tätigkeit einer öffentlichen Schule bildet der Lehrstoff (vgl. unter Hinweis auf Art14 Abs4 der hg. Geschäftsordnung das Erkenntnis vom 28. April 1976, Zl. 559/75). Es war daher an sich richtig, daß in dem im Verwaltungsverfahren beigebrachten Gutachten der Lehrstoff, der in den Kursen des Beschwerdeführers vermittelt wird, dem Lehrplan einer öffentlichen Schule gegenübergestellt wurde. Die vom Gutachter festgestellte Übereinstimmung beschränkt sich jedoch auf einen untergeordneten Teil eines einzigen der an den allgemeinbildenden höheren Schulen unterrichteten Gegenstände, sohin auf einen geringfügigen Bruchteil des Lehrstoffs dieser Schulen. Damit hat aber der Beschwerdeführer den vom Gesetz geforderten Nachweis einer mit den öffentlichen Schulen vergleichbaren Tätigkeit auch nicht annähernd erbracht. Schon aus diesem Grund erweist sich der angefochtene Bescheid als durch das Gesetz gedeckt."

Dazu wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt, es stehe fest, daß in dem hier zu beurteilenden Zeitraum von 1973 bis 1976 die gleichen Verhältnisse vorgelegen seien, Gegenteiliges sei auch in der Berufung nicht behauptet worden. Der VwGH habe den Lehrstoff als Maßstab für den Vergleich einer privaten mit einer öffentlichen Schule herangezogen. Es könne nicht bestritten werden, daß sich der vom Beschwerdeführer erwähnte vermittelte Wissensinhalt gerade aus diesem Lehrstoff ergibt. Die Behauptung, der vermittelte Wissensinhalt habe bei der Beurteilung der den öffentlichen Schulen vergleichbaren Tätigkeit nichts zu tun, müsse demnach ins Leere gehen.

3. In der vorliegenden Beschwerde wird im Grunde nichts anderes vorgebracht als in der Berufung an die Finanzlandesdirektion. Kern des Vorbringens ist die Behauptung, die belangte Behörde - und damit auch der VwGH - hätten die Bestimmungen des §6 Z11 UStG 1972 deshalb denkunmöglich angewendet, weil der vom Gesetz geforderte Vergleich einer Privatschule oder Einrichtung in ihrer Tätigkeit mit derjenigen einer öffentlichen Schule nicht anhand der Tätigkeit, sondern anhand der vermittelten Wissensinhalte geprüft worden sei. Die vermittelten Wissensinhalte seien aber wieder nur Tatbestandselemente zur Klärung der ersten beiden Voraussetzungen des Befreiungstatbestandes nach §6 Z11 UStG 1972. Der Beschwerdeführer habe im gesamten Verfahren vor den Abgabenbehörden dargetan, daß er eine private Schule iS des Privatschulgesetzes betreibe und dabei Kenntnisse allgemeinbildender oder berufsbilden der Art sowie der Berufsausübung dienende Fertigkeiten vermittle und eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Tätigkeit ausübe.

4. Die von der Behörde vorgenommene Auslegung des §6 Z11 UStG 1972 ist keineswegs denkunmöglich.

Der VwGH vertritt in ständiger Rechtsprechung (er hat diese im bereits erwähnten Erk. VwSlg. 5003 F/1976 enthaltene, sich auf frühere Erk. - zB VwSlg. 4968 F/1976 - stützende Rechtsprechung mit dem Erk. vom 23. Jänner 1978, Z 1851/76, neuerlich bekräftigt) die Auffassung, es sei anhand des Lehrstoffes zu beurteilen, ob eine Bildungseinrichtung eine iS des §6 Z11 UStG 1972 vergleichbare Tätigkeit ausübe. Der VwGH begründet diese Rechtsprechung auch damit, daß die Beispielsfälle, welche die Gesetzesmaterialien zum UStG 1972 für und gegen die Anwendung der Befreiungsvorschrift des §6 Z11 anführen, in Anbetracht des nicht eindeutigen Begriffes "vergleichbare Tätigkeit" den Schluß rechtfertigten, daß der Gesetzgeber den Lehrstoff als Maßstab dafür angewendet wissen will, ob eine private Schule oder eine andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtung eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Tätigkeit ausübt (s. VwSlg. 4968 F/1976).

Bereits der Wortlaut der Z11 des §6 UStG 1972 läßt eine Auslegung in der Richtung, daß die Ausübung einer den öffentlichen Schulen vergleichbaren Tätigkeit sich auf den Inhalt der vermittelten Kenntnisse (also auf den Lehrstoff) bezieht, ohne weiteres zu. Davon, daß - wie der Beschwerdeführer vermeint - die vergleichbare Tätigkeit nicht am Inhalt dieser Tätigkeit, sondern nur an ihrer Organisationsform zu messen sei, kann keine Rede sein. Der Beschwerdeführer übersieht, daß der Inhalt der Tätigkeit (das Vermitteln eines bestimmten Lehrstoffes) selbstverständlich ebenso zum Begriff der Tätigkeit zu rechnen ist wie die Form, in der diese Tätigkeit abgewickelt wird.

Der Beschwerdeführer ist somit im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nicht verletzt worden.

5. Im Verfahren ist auch nicht hervorgekommen, daß der Beschwerdeführer in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden wäre.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Verordnungsbegriff, Erlaß, Umsatzsteuer, Steuerbefreiungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:B549.1977

Dokumentnummer

JFT_10199375_77B00549_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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