TE Vfgh Beschluss 1980/10/22 B436/79

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Veröffentlicht am 22.10.1980
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb

Leitsatz

Art144 Abs1 B-VG, keine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt beim Betreten einer Liegenschaft

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. a) Die als "Spintikkeusche" bezeichnete Liegenschaft EZ 60 KG R., die im Eigentum der Eltern des Beschwerdeführers steht, wurde diesem zur Benützung überlassen. Sie liegt in jenem Gebiet der Spintikteiche, das mit Verordnung der Ktn. Landesregierung LGBl. 18/1959 idF LGBl. 19/1960, 56/1960 und 84/1971 zum Naturschutzgebiet erklärt worden ist. Der Beschwerdeführer hat beim Amt der Ktn. Landesregierung den Antrag gestellt, die genannte Verordnung dahingehend abzuändern, daß mehrere angeführte, zur Spintikkeusche gehörige Grundstücke im Bereich des unteren Spintikteiches "nicht als Bestandteil des Naturschutzgebietes gelten".

Zur Prüfung dieses Ansuchens fand am 31. Juli 1979 eine Besichtigung des Naturschutzgebietes der Spintikteiche durch zwei Beamte des Amtes der Ktn. Landesregierung (im folgenden als "einschreitende Organe" bezeichnet) statt. Über die aus Anlaß dieser Besichtigung auf der Liegenschaft "Spintikkeusche" getroffenen Feststellungen wurde in einem Aktenvermerk vom 2. August 1979 festgehalten, daß einige der auf der Liegenschaft befindlichen Gebäude bauliche Umgestaltungen erfahren haben; so sei das Wohnobjekt total renoviert (neuer Dachstuhl, Einbau von Fensterläden, frisch bemalt usw.) und auch das Wirtschaftsgebäude umgestaltet (neuer Oberstock, neues Dach, Gewölbe ausgebrochen, Anbau eines Schafstalles mit Pultdach, u. dgl.) worden.

b) Das im Aktenvermerk festgehaltene Ergebnis wurde vom Amt der Ktn. Landesregierung mit Schreiben vom 2. August 1979 der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt mit dem Ersuchen zur Kenntnis gebracht, "in der gegenständlichen Angelegenheit unverzüglich entsprechende Schritte zu unternehmen, um weitere Eingriffe in das Naturschutzgebiet hintanzuhalten".

Die Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt erließ hierauf den Bescheid vom 4. September 1979, in dem dem Beschwerdeführer gemäß §21 des Naturschutzgesetzes, LGBl. 2/1953, die Wiederherstellung des früheren Zustandes der Liegenschaft "Spintikkeusche" (durch Abbruch von Zubauten, Beseitigung der Einfriedung uam.) aufgetragen wurde. Nach der Begründung des Bescheides wurde diese Anordnung auf das Ergebnis des Ortsaugenscheines vom 31. Juli 1979 durch die einschreitenden Organe gestützt.

2. Der Beschwerdeführer behauptet, durch das ihm durch die Zustellung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt vom 4. September 1979 am 6. September 1979 bekannt gewordene Vorgehen der einschreitenden Organe vom 31. Juli 1979 in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden zu sein. Dagegen richtet sich die von ihm unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde. Nach den im angeführten Bescheid getroffenen Feststellungen müßten die einschreitenden Organe in die Liegenschaft des Beschwerdeführers ohne vorherige Verständigung und ohne seine Zustimmung eingedrungen sein und hiebei widerrechtlich die Einfriedung überstiegen und geschlossene Türen geöffnet haben. Sie müßten, wie aus den Feststellungen zu ersehen sei, auch in das Wirtschaftsgebäude eingedrungen sein, weil die in der Begründung des Bescheides angeführten Feststellungen nur von innen hätten getroffen werden können. Das Wirtschaftsgebäude sei "verschlossen, aber nicht versperrt" gewesen. Das untere Tor sei "mit einer normalen Türschnalle und einem Schloß versehen" gewesen, während "das obere Tor (Tenne) durch einen schweren Schieberiegel verschlossen" gewesen sei.

Dieses Eindringen in die Liegenschaft des Beschwerdeführers sei widerrechtlich erfolgt und stelle eine Verletzung seines Hausrechtes dar. Der Beschwerdeführer stellt den Antrag, dies kostenpflichtig festzustellen.

3. Die Ktn. Landesregierung hat eine Gegenschrift erstattet, in der die Ansicht vertreten wird, daß das in Beschwerde gezogene Verhalten der einschreitenden Organe ihr zuzurechnen sei. Es wird dargelegt, daß die einschreitenden Organe während einer auf Grund des Abänderungsantrages des Beschwerdeführers durchgeführten Besichtigung des Naturschutzgebietes "Spintikteiche" bereits außerhalb der Umzäunung der Liegenschaft "Spintikkeusche" umfangreiche Veränderungen an den auf dieser Liegenschaft befindlichen Gebäuden wahrnehmen konnten. Aus diesem Anlaß seien die Beamten durch das nicht versperrte, aber geschlossene Gatter am Zufahrtsweg zum Wohnhaus hinaufgegangen, das sie versperrt vorgefunden hätten. Auf das Klopfen an Tür- und Fensterläden hin habe sich niemand gemeldet. Hierauf hätten sich die einschreitenden Organe zum Wirtschaftsgebäude begeben. Sie hätten versucht, von außen festzustellen, ob jemand im Inneren anwesend sei. Hiezu sei die nicht versperrte Tennentüre geöffnet worden, um nachzusehen, ob jemand anwesend wäre. Ein Beamter habe sich zu diesem Zwecke einige Schritte in das Gebäudeinnere begeben, aber auch auf sein Rufen hin habe sich niemand gemeldet. Hiebei sei festgestellt worden, daß auch im Inneren des Gebäudes bauliche Veränderungen vorgenommen worden seien, insbesondere sei ein Gewölbe herausgebrochen worden. Ein Beamter habe daraufhin noch im Erdgeschoß die nichtversperrte Stalltüre geöffnet und, ohne das Innere des Stalles zu betreten, feststellen können, daß sich auch dort niemand aufhalte.

4. a) Zufolge des Widerspruches zwischen den Behauptungen des Beschwerdeführers mit den Ausführungen in der Gegenschrift der belangten Behörde hat der VfGH die einschreitenden Organe, die Gattin des Beschwerdeführers sowie die von ihm namhaft gemachten Personen (H.H., Dr. Th.R. und Dipl.Ing. H.S.) als Zeugen und den Beschwerdeführer als Partei im Rechtshilfeweg einvernommen. Eine Klärung der Widersprüche hat sich dabei nicht ergeben; von den Zeugen konnte nur ausgesagt werden, daß insbesondere das Tor am Eingang zur Liegenschaft bei einer anderen Gelegenheit versperrt war; vom Beschwerdeführer und seiner Gattin wurden die Motive für das Absperren (und nicht nur Verschließen) der Eingänge dargelegt. Die einschreitenden Organe bestritten die Behauptungen des Beschwerdeführers, versperrte und nicht nur verschlossene Eingänge der Liegenschaft geöffnet und Räumlichkeiten durchsucht zu haben.

b) Der VfGH vermag den weder auf eigenen noch auf Wahrnehmungen anderer Personen beruhenden, sondern lediglich aus der Begründung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt vom 4. September 1979 abgeleiteten Behauptungen des Beschwerdeführers nicht zu folgen. Der VfGH kann auf Grund der Ergebnisse des Beweisverfahrens nicht als erwiesen annehmen, daß die einschreitenden Organe beim Betreten der Liegenschaft des Beschwerdeführers versperrte Eingänge geöffnet oder Räumlichkeiten durchsucht hätten.

c) Die einschreitenden Organe haben daher bei ihrem Betreten der Liegenschaft "Spintikkeusche" einen Zwang überhaupt nicht ausgeübt. Ihr Vorgehen hat sich auf Verhaltensweisen beschränkt, die im ländlichen Raum zur Feststellung, ob jemand zu Hause sei, durchaus üblich sind. Eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen den Beschwerdeführer kann der VfGH in dieser Vorgangsweise nicht erblicken.

Die Beschwerde ist daher mangels Vorliegen der in Art144 Abs1 B-VG angeführten Voraussetzungen zurückzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:B436.1979

Dokumentnummer

JFT_10198978_79B00436_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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