TE Vfgh Erkenntnis 1980/10/23 B589/78

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Veröffentlicht am 23.10.1980
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36 Wirtschaftstreuhänder
36/01 Wirtschaftstreuhänder

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
StGG Art5
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
NotariatsO §6 Abs1 lita
RAO §5 Abs2
Wirtschaftstreuhänder-BerufsO §5
Wirtschaftstreuhänder-BerufsO §42, §42 Abs1 litb

Leitsatz

Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung, keine Bedenken gegen §3, §5 2. Satz und §42 Abs1 litb; keine denkunmögliche Anwendung; keine Willkür

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Beschwerdeführerin ist seit Jänner 1973 als Steuerberaterin tätig. Mit Strafverfügung des Finanzamtes Innsbruck vom 7. Juli 1975, zugestellt am 9. Juli 1975, wurde sie schuldig erkannt, im Zeitraum vom Jänner 1973 bis April 1975 fortgesetzt vorsätzlich, wider besseres Wissen und zum eigenen Vorteil eine Verkürzung an Umsatzsteuervorauszahlungen in der Gesamthöhe von S 31.142,- dadurch bewirkt zu haben, daß sie der Verpflichtung zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen iS des §21 UStG zuwidergehandelt und hiedurch den Tatbestand der Abgabenhinterziehung iS des §33a Abs1 FinStrG verwirklicht habe; über die Beschwerdeführerin wurde eine Geldstrafe in Höhe von S 15.000,- verhängt.

Nachdem die Beschwerdeführerin die Einspruchsfrist gegen die Strafverfügung versäumt hatte, wurde einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keine Folge gegeben; die dagegen eingebrachte Beschwerde an die Finanzlandesdirektion für Tirol und die in der Folge erhobene Verwaltungsgerichtshofbeschwerde blieben erfolglos. Die Strafverfügung ist somit mit Ablauf des 23. Juli 1975 in Rechtskraft erwachsen.

2. Mit Bescheid des Vorstandes der Kammer der Wirtschaftstreuhänder vom 13. Juli 1978 wurde die Bestellung der Beschwerdeführerin als Steuerberater gemäß §42 Abs1 litb in Verbindung mit §5 der Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung, BGBl. 125/1955 idF BGBl. 292/1967 (WT-BO), widerrufen. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 1. September 1978 abgewiesen. In der Begründung wird ausgeführt, daß der Widerruf der Bestellung als Steuerberater auszusprechen war, da das Berufserfordernis der besonderen Vertrauenswürdigkeit wegen der rechtskräftigen Bestrafung der Beschwerdeführerin wegen Abgabenhinterziehung nicht mehr gegeben sei.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Freiheit der Erwerbsbetätigung und auf Unversehrtheit des Eigentums mit der Begründung gerügt wird, der zweite Satz des §5 WT-BO sei verfassungswidrig, da er zwingende Kriterien für das Fehlen der Vertrauenswürdigkeit kenne, die in den insoweit vergleichbaren Berufsrechten der Rechtsanwälte und Notare nicht enthalten seien. Die Beschwerdeführerin regt eine amtswegige Gesetzesprüfung dieser Bestimmung an und beantragt, nach erfolgter Aufhebung des Gesetzes den Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber abgesehen.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wird die Bestellung der Beschwerdeführerin als Steuerberater wegen des Fehlens eines allgemeinen Erfordernisses der Berufsausübung widerrufen. Der Bescheid stützt sich hiebei auf §42 Abs1 litb WT-BO, demzufolge die Befugnis zur Ausübung eines Wirtschaftstreuhandberufes ua. durch Widerruf der Bestellung wegen nachträglichen Hervorkommens des Fehlens eines allgemeinen Erfordernisses der Berufsausübung erlischt. Zu den allgemeinen Erfordernissen für die Berufsausübung zählt gemäß §3 WT-BO auch die besondere Vertrauenswürdigkeit; diesbezüglich bestimmt §5 WT-BO:

"§5. Besondere Vertrauenswürdigkeit.

Besondere Vertrauenswürdigkeit liegt insbesondere dann nicht vor, wenn der Berufswerber wegen eines Verbrechens, wegen eines aus Gewinnsucht begangenen Vergehens, einer ebensolchen Übertretung oder wegen eines Abgabendeliktes von einem Gerichte rechtskräftig verurteilt worden und die Strafe nicht getilgt ist. Gleiches gilt, wenn der Berufswerber wegen Abgabenhinterziehung, Bannbruch oder Abgabenhehlerei von einer Finanzbehörde rechtskräftig bestraft worden ist und seit der Rechtskraft der Strafe nicht mehr als fünf Jahre vergangen sind."

2. Die Beschwerdeführerin hält den 2. Satz dieser Bestimmung aus dem Titel der Gleichheitswidrigkeit für verfassungswidrig. Sie vergleicht ihn mit der Regelung für Rechtsanwälte und Notare, deren Befugnis auch wesentliche Teile der Befugnisse der Wirtschaftstreuhänder umfasse. Auch diese Berufe dürften nur ausgeübt werden, wenn der Berufswerber eine besondere Vertrauenswürdigkeit besitze, doch sei in diesen Fällen die Regelung der Frage der Vertrauenswürdigkeit nicht so formal getroffen worden, wie bei den Wirtschaftstreuhändern:

Nach §5 Abs2 RAO sei die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte zu verweigern, wenn der Bewerber eine Handlung begangen habe, die ihn des Vertrauens unwürdig mache; nach §6 Abs1 lita NO werde zur Erlangung einer Notarstelle gefordert, daß der Bewerber von ehrenhaftem Vorleben sei. Auch hier hätten sich die zuständigen Behörden im Rahmen der Prüfung der Vertrauenswürdigkeit mit einer finanzbehördlichen Bestrafung wegen Abgabenhinterziehung auseinanderzusetzen, doch liege es in der Beurteilung dieser Behörden, ob eine solche Verfehlung nach den Umständen des Falles so schwerwiegend sei, daß dem Bewerber infolgedessen die Vertrauenswürdigkeit für die Ausübung des von ihm angestrebten Berufes abgesprochen werde.

Bei den Wirtschaftstreuhändern dagegen sei es gemäß §5 zweiter Satz WT-BO der Kammer der Wirtschaftstreuhänder ausdrücklich und uneingeschränkt verwehrt, die Frage nach der Vertrauenswürdigkeit eines Berufswerbers dann positiv zu beantworten, wenn eine rechtskräftige finanzbehördliche Bestrafung wegen Abgabenhinterziehung vorliege und wenn seit Rechtskraft des Straferkenntnisses nicht mehr als fünf Jahre verstrichen seien.

Es sei kein sachlicher Grund hiefür zu erkennen, daß die Vertrauenswürdigkeit eines Wirtschaftstreuhänders nicht danach zu beurteilen sei, welche Charaktermängel in einer Verfehlung zum Ausdruck kommen, sondern nach rein formalen Kriterien und anders zu messen sei, als die eines Rechtsanwaltes oder Notars. Deshalb erscheine der zweite Satz des §5 WT-BO insoweit, als er die Vertrauenswürdigkeit dann absolut verneine, wenn der Berufswerber wegen Abgabenhinterziehung von einer Finanzbehörde rechtskräftig bestraft worden sei und seit der Rechtskraft des Straferkenntnisses nicht mehr als fünf Jahre vergangen seien, verfassungsrechtlich bedenklich.

3. Der VfGH vermag den Argumenten der Beschwerdeführerin aus folgenden Überlegungen nicht zu folgen:

Es ist richtig, daß der Gesetzgeber bei der Regelung der Voraussetzungen zur Ausübung der Wirtschaftstreuhänderberufe eine besondere Vertrauenswürdigkeit als erforderlich ansieht und durch §5 WT-BO die unwiderlegliche Rechtsvermutung aufstellt, daß eine solche Vertrauenswürdigkeit immer dann fehle, wenn eine rechtskräftige Verurteilung wegen bestimmter - im Gesetz taxativ aufgezählter - Delikte vorliege. Damit wird im Bereich des Wirtschaftstreuhänder-Berufsrechts eine andere Regelungstechnik als etwa bei der Normierung der Berufsvoraussetzungen für den Rechtsanwaltsberuf oder den Beruf eines Notars verwendet.

Der Gesetzgeber hat also im Bereich verschiedener von der Beschwerdeführerin zu Vergleichszwecken herangezogener freier Berufe unterschiedliche Voraussetzungen für die Berufsausübung vorgesehen und unterschiedliche Bestimmungen für das Erlöschen bei Wegfall dieser Voraussetzungen normiert, wie er auch unterschiedliche Bestimmungen über die für die Entscheidung über das Erlöschen zuständige Behörde und das von ihr einzuhaltende Verfahren getroffen hat.

Eine solch unterschiedliche Behandlung ist dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen nicht verwehrt. Der VfGH vertritt nämlich in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß der Gesetzgeber nicht gehalten ist, bei der Regelung verschiedener Rechtsinstitute und verschiedener Verwaltungsmaterien gleichartig vorzugehen (vgl. VfSlg. 5165/1965, 5727/1968, 6733/1972 ua.).

Im Erk. VfSlg. 5727/1968 hat der Gerichtshof vielmehr ausdrücklich erklärt, daß die Verpflichtung des Gesetzgebers, Gleiches gleich zu behandeln und das Verbot, Differenzierungen zu schaffen, die nicht aus entsprechenden Unterschieden im Tatsächlichen abgeleitet werden können, sich im vollen Umfang auf die Relation der Normen zu den von ihnen erfaßten tatsächlichen Gegebenheiten innerhalb eines und desselben Rechtsinstituts bezieht. Bei der Regelung verschiedener Rechtsinstitute ist aber jedes Rechtsinstitut für sich am Gleichheitssatz zu messen.

Es ist dem Gesetzgeber daher nicht verwehrt, das Erfordernis der Vertrauenswürdigkeit im Bereich verschiedener freier Berufe vom Vorliegen unterschiedlicher Voraussetzungen abhängig zu machen und den Wegfall der Vertrauenswürdigkeit in unterschiedlicher Weise für das Erlöschen der Berufsausübungsberechtigung heranzuziehen, wenn nur die jeweils getroffene Regelung für sich betrachtet sachlich gerechtfertigt ist.

Wenn der Gesetzgeber hiebei bei den Wirtschaftstreuhändern, die in besonderer Weise zur Vertretung der Steuerpflichtigen gegenüber den Abgabenbehörden berufen sind, abweichend von anderen Berufen, die besondere Vertrauenswürdigkeit insbesondere auch für den nicht mehr als gegeben ansieht, der wegen Abgabenhinterziehung von einer Finanzbehörde rechtskräftig bestraft worden ist, wenn seit der Rechtskraft der Strafe nicht mehr als fünf Jahre vergangen sind, so ist dies nicht unsachlich. Vielmehr steht die vorgesehene Rechtsfolge in einem sachbezogenen Konnex zum Regelungsgegenstand. Der Zielsetzung des Gesetzgebers, im Hinblick auf die Ausbildung und die berufliche Stellung der Wirtschaftstreuhänder den Begriff der besonderen Vertrauenswürdigkeit durch Anknüpfen an Tatbestände des Finanzstrafrechtes als Kriterium für das Fehlen der Vertrauenswürdigkeit in besonderer Weise zu determinieren, kann somit nicht durch Vergleich mit Regelungen in den Berufsrechten anderer freier Berufe entgegengetreten werden.

Daß es dabei in Grenzfällen zu unbefriedigenden Ergebnissen und Härten kommen kann, berührt - wie der VfGH schon wiederholt ausgeführt hat - nicht die Sachlichkeit der Regelung (vgl. VfSlg. 6471/1971, 7891/1976, 8393/1978).

Der VfGH hat somit unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles gegen die bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften - bei dem von der belangten Behörde angenommenen Inhalt - weder die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen noch sonstige verfassungsrechtliche Bedenken.

4. a) Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH könnte die Beschwerdeführerin somit durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf freie Erwerbsbetätigung nur dann verletzt worden sein, wenn bei Erlassung des Bescheides eine gesetzliche Bestimmung in denkunmöglicher Weise angewendet wurde. Bedenken in dieser Richtung wurden in der Beschwerde nicht vorgebracht und sind auch beim VfGH nicht entstanden. Insbesondere hält es der VfGH nicht für denkunmöglich, §42 Abs1 litb WT-BO in Übereinstimmung mit dem VwGH (VwSlg. 8429 A/1973) dahin zu verstehen, daß nach dieser Bestimmung ein Widerruf der Bestellung möglich ist, wenn eines der allgemeinen Erfordernisse der Berufsausübung erst nach der Bestellung zum Wirtschaftstreuhänder wegfällt.

b) Im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz könnte die Beschwerdeführerin nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH - bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der den Bescheid tragenden Rechtsvorschriften - nur dann verletzt worden sein, wenn die Behörde dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt beigemessen oder Willkür geübt hätte. Auch in dieser Richtung wurden in der Beschwerde Bedenken nicht vorgebracht und es sind auch solche beim VfGH nicht entstanden.

c) Die Beschwerdeführerin macht auch die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrechtes geltend. Da aber der Widerruf der Bestellung zum Wirtschaftstreuhänder keinen Eingriff in das Eigentumsrecht bewirkt, kann die Beschwerdeführerin in diesem Recht nicht verletzt worden sein.

d) Anhaltspunkte dafür, daß die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in einem nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden ist, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Infolge der Unbedenklichkeit der den Bescheid tragenden Rechtsgrundlage (vgl. oben Pkt. II.3) kann die Beschwerdeführerin auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden sein.

5. Die Beschwerde war somit abzuweisen.

Schlagworte

Wirtschaftstreuhänder, Berufsbefugnis Wirtschaftstreuhänder

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:B589.1978

Dokumentnummer

JFT_10198977_78B00589_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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