TE Vfgh Beschluss 1980/12/11 B251/78, B291/78

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Veröffentlicht am 11.12.1980
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Index

32 Steuerrecht
32/01 Finanzverfahren, allgemeines Abgabenrecht

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Allg
B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
B-VG Art144 Abs1 / Vollstreckungshandlung
AbgEO §13
AbgEO §16
AbgEO §31
AbgEO §32 Abs1
BAO §226
BAO §229

Leitsatz

Abgabenexekutionsordnung, die Rechtmäßigkeit der Durchführung einer Pfändung in einem finanzbehördlichen Vollstreckungsverfahren ist in einem Verwaltungsverfahren auszutragen

Spruch

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I.1.a) Dem Beschwerdeführer Dr. E. M. wurde mit dem Bescheid des Finanzamtes für den 1. Bezirk, Wien (FA), vom 22. Dezember 1977 eine Stundung des gesamten bis dahin aushaftenden Rückstandes in der Höhe von S 261.574,- bis 25. April 1978 gewährt. In dem Bescheid ist ausgeführt, daß "diese Bewilligung ... ohne Widerruf (Terminverlust)" unter näher dargelegten Voraussetzungen, insbesondere dann erlischt, wenn "die während der Stundungsfrist bescheidmäßig festgesetzten, jedoch nicht in die Stundung einbezogenen Abgaben sowie die während der Stundungsfrist fällig werdenden Schuldigkeiten an Umsatzsteuer, Abgabe von alkoholischen Getränken, Lohnsteuer oder Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit nicht voll entrichtet werden".

b) Der Beschwerdeführer hat am 23. Dezember 1977 einen Betrag von

S 100.000,- an das FA eingezahlt; er brachte auf dem Zahlungsbeleg den Vermerk an: "Einkommensteuer 1976 - Zahlungserleichterung".

c) Am 7. April 1978 wurde vom FA ein Rückstandsausweis ausgestellt, nach dem der Beschwerdeführer als Abgabenschuldner mit einem Gesamtbetrag von S 166.670,- in Rückstand war. Im Rückstandsausweis sind die auf die einzelnen Abgabenarten entfallenden Beträge, der Zeitraum und der Fälligkeitstag angeführt (Einkommensteuer für den Zeitraum 1976 sowie Zinsenvorschreibungen für 1976 und 1977 mit dem Fälligkeitstag 29. Dezember 1977; Vermögensteuer für die Monate Jänner, Februar, März 1978 mit dem Fälligkeitstag 10. Februar 1978; Einhebungsgebühr für den Zeitraum 1978 mit dem Fälligkeitstag 9. März 1978; Einkommensteuervorauszahlung für die Monate Jänner, Februar, März 1978 mit dem Fälligkeitstag 10. März 1978; Stundungszinsen für den Zeitraum 1978 mit dem Fälligkeitstag 28. März 1978).

In einem auf dem Rückstandsausweis angebrachten Vermerk ist handschriftlich der Betrag von S 65.864,- als "noch offen" angegeben.

Der Rückstandsausweis enthält die Bemerkung, daß die Mahnung infolge Zusendung einer Lastschriftanzeige entbehrlich ist. Ferner ist bemerkt, daß der Rückstand vollstreckbar ist.

d) Mit dem auf der Rückseite des Rückstandsausweises angeführten Vollstreckungsauftrag vom 14. April 1978 wurde der Vollstrecker beauftragt, wegen der Rückstände, die im Rückstandsausweis verzeichnet sind, und wegen der Gebühren und Barauslagen, die durch die Vollstreckung entstehen, bewegliche Sachen jeder Art und die in §67 der Abgabenexekutionsordnung, BGBl. 104/1949 (AbgEO), angeführten oder diesen gleichgestellten Papiere und Einlagebücher des Abgabenschuldners zu pfänden (gegebenenfalls wegzunehmen oder in Verwahrung zu geben).

e) Am 17. April 1978 wurde vom Vollstrecker nach dem ihm erteilten Vollstreckungsauftrag die Pfändung durchgeführt. In dem über die Pfändung aufgenommenen Pfändungsprotokoll ist festgehalten, daß auf Grund des Rückstandsausweises als Exekutionstitel zugunsten der darin angeführten vollstreckbaren Forderung in der Höhe von S 65.864,- samt Nebengebühren näher verzeichnete Gegenstände (3 Bilder mit Rahmen) gepfändet wurden.

2. Auch der Beschwerdeführerin Dr. L. M. wurde mit dem Bescheid des FA vom 22. Dezember 1977 der bis dahin aushaftende Rückstand an Abgabenverpflichtungen in der Höhe von S 229.655,- bis zum 25. April 1978 gestundet. Da an diesem Tag ein Betrag in der Höhe von

S 19.083,- offen geblieben war, stellte das FA am 9. Mai 1978 einen Rückstandsausweis aus, nach dem die Beschwerdeführerin als Abgabenschuldnerin mit dem angeführten Betrag im Rückstand war. Am 17. Mai 1978 erging an den Vollstrecker der Auftrag, wegen dieses Rückstandes bei der Beschwerdeführerin eine Pfändung durchzuführen. Diese Pfändung wurde am 18. Mai 1978 durchgeführt. Dabei sind nach dem hierüber aufgenommenen Pfändungsprotokoll die darin verzeichneten Gegenstände gepfändet worden.

3. In den von Dr. E. M. (B251/78) und von Dr. L. M. (B291/78) unter Berufung auf Art144 B-VG erhobenen Beschwerden wird vorgebracht, daß sie in dem "dargelegten Ablauf der Ereignisse, insbesondere in der Vornahme exekutiver Maßnahmen durch die belangte Behörde ... eine faktische Amtshandlung" erblickten. Sie beantragen, kostenpflichtig festzustellen, die belangte Behörde habe dadurch, daß sie am 17. April 1978 von dem Beschwerdeführer Dr. E. M. "einen Betrag von

S 166.670,- (S 65.864,-)" und am 18. Mai 1978 von der Beschwerdeführerin Dr. L. M. "einen Betrag von S 19.083,-" einzuheben versucht und Fahrnisse gepfändet habe, die Beschwerdeführer in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Die Beschwerden richten sich gegen die in einem finanzbehördlichen Vollstreckungsverfahren vorgenommenen Pfändungen (§31 AbgEO) von körperlichen Sachen, die sich in der Gewahrsame der Beschwerdeführer als Abgabenschuldner befunden haben. An diesen körperlichen Sachen ist durch die Pfändung für die vollstreckbaren Abgabenforderungen ein Pfandrecht erworben worden (§32 Abs1 AbgEO).

2. Die Beschwerdeführer machen geltend, daß im Hinblick auf gewährte Stundungen und auf geleistete Zahlungen ein Rückstand vollstreckbarer Abgabenschuldigkeiten nicht bestanden habe. Damit seien die Voraussetzungen für die Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen, insbesondere für die Durchführung der Pfändungen, nicht gegeben gewesen.

3. Dem Inhalte nach erheben die Beschwerdeführer mit ihrem Vorbringen Einwendungen gegen den Exekutionstitel und bestreiten damit, daß die Vollstreckbarkeit eingetreten ist. Über solche Einwendungen ist in einem Verwaltungsverfahren nach §13 AbgEO zu entscheiden. Dieses Verfahren umfaßt auch die Entscheidung über das Vorgehen des Vollstreckers, wie sich aus dem Einleitungssatz des §16 AbgEO ergibt. Nach dieser Bestimmung ist ua. in den in §13 AbgEO angeführten Fällen die Vollstreckung unter gleichzeitiger Aufhebung aller bis dahin vollzogener Vollstreckungsakte einzustellen. Demnach ist in einem nach §13 AbgEO durchzuführenden Verfahren nicht nur zu prüfen, ob den vom Abgabenschuldner erhobenen Einwendungen (etwa gegen den Exekutionstitel) stattzugeben ist (§12 Abs4 AbgEO). Es ist vielmehr, wenn den erhobenen Einwendungen stattgegeben wird (weil etwa die für die Vollstreckbarkeit nach §226 BAO maßgebenden Tatsachen nicht eingetreten sind oder weil die Behörde vor Ausstellung des den Exekutionstitel bildenden Rückstandsausweises auf die Exekutionsführung verzichtet hat und demgemäß ein Rückstandsausweis nicht hätte ausgestellt werden dürfen), auch zu untersuchen, welche Vollstreckungsakte bis dahin vollzogen worden und aufzuheben sind. Auch eine durchgeführte Pfändung ist in einem solchen Fall als vollzogener Vollstreckungsakt aufzuheben. Damit ist die Frage der Rechtmäßigkeit der Durchführung einer Pfändung in einem finanzbehördlichen Vollstreckungsverfahren Gegenstand eines verwaltungsbehördlichen Verfahrens und in diesem auszutragen. Was aber in einem Verwaltungsverfahren auszutragen ist, kann beim VfGH nur durch Erhebung der Beschwerde gegen die in diesen Verfahren ergangenen Bescheide, nicht aber durch die Erhebung einer Beschwerde gegen Akte der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt bekämpft werden (vgl. die Judikatur des VwGH zur Frage der Zulässigkeit von Beschwerden nach Art131a B-VG, VwSlg. 9461 A/1977 und die dort angeführte Vorjudikatur).

Der VfGH ist zur Entscheidung über die Beschwerden nicht zuständig. Sie waren daher wegen Nichtzuständigkeit des VfGH zurückzuweisen (§19 Abs3 Z1 lita VerfGG).

Der VfGH bemerkt, daß das Ergebnis, wonach die vorliegenden, unmittelbar gegen die Durchführung von Vollstreckungshandlungen durch den Vollstrecker gerichteten Beschwerden nicht zulässig sind, mit der im Erk. VfSlg. 3648/1959 vertretenen Auffassung, nach der gegen ein Verhalten des Vollstreckers (Vornahme einer Kassenpfändung) unmittelbar die Beschwerde nach Art144 B-VG als zulässig angesehen wurde, nicht in Widerspruch steht. Im damaligen Verfahren ist die Vollstreckungshandlung nicht gegen die Person, die nach dem bereits durch Bescheid begründeten Exekutionstitel Schuldner der vollstreckbaren Abgabenschuldigkeit war, sondern gegen eine Person vorgenommen worden, der gegenüber ein Exekutionstitel für die vollstreckbare Abgabenforderung (noch) nicht begründet war und der die Möglichkeit der Erhebung von Einwendungen, wie sie nach den §§12 ff. AbgEO dem Abgabenschuldner zustehen, nicht offen gestanden ist.

Ähnliches gilt auch für das Erk. VfSlg. 5635/1967.

Schlagworte

Finanzverfahren, Vollstreckung (Finanzen), Pfändung, Abgaben Vollstreckung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:B251.1978

Dokumentnummer

JFT_10198789_78B00251_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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