TE Vfgh Erkenntnis 1981/1/30 B131/78

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Veröffentlicht am 30.01.1981
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Index

96 Straßenbau
96/01 Bundesstraßengesetz 1971

Norm

BStG 1971 §4 Abs1
BStG 1971 §20 Abs1
TrassenV, BGBl 411/1974 betreffend die Bestimmung des Straßenverlaufdes der B 31 Ybbstal Straße

Leitsatz

Verordnung BGBl. 411/1974 betr. die Bestimmung des Straßenverlaufes der B 31 Ybbstal Straße; keine Gesetzwidrigkeit der Verordnung im Hinblick auf §4 Abs1 BStG 1971; keine Verletzung des Eigentumsrechtes

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1.a) Mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von NÖ vom 30. Juni 1977 wurden verschiedene, zur KG Oisberg gehörige Grundstücke, die je zur ideellen Hälfte im Eigentum der Beschwerdeführer stehen, im Ausmaß von 6.091 Quadratmeter für den Ausbau der B 31 Ybbstal Straße im Baulos "Groß Hollenstein-Lettenwag" zugunsten des Bundes (Bundesstraßenverwaltung) gemäß §§17, 18 und 20 Abs1 des Bundesstraßengesetzes 1971 BGBl. 286/1971, (BStG 1971), enteignet und die hiefür zu leistende Entschädigung festgesetzt.

b) Die gegen den Bescheid von den Beschwerdeführern erhobene Berufung wurde mit dem Bescheid des Bundesministers für Bauten und Technik vom 15. Dezember 1977 abgewiesen und der angefochtene Bescheid unter Hinweis auf die Verordnung BGBl. 411/1974 betreffend die Bestimmung des Straßenverlaufes der B 31 Ybbstal Straße im Bereich der Gemeinde Hollenstein an der Ybbs (im folgenden Verordnung) bestätigt.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde.

Die Beschwerdeführer behaupten, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrecht verletzt worden zu sein. Diese Verletzung wird ausschließlich mit der Behauptung begründet, daß die Verordnung, auf die sich der angefochtene Bescheid stützt, gesetzwidrig sei.

Mit der Anregung, von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung einzuleiten, wird der Antrag gestellt, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. a) Nach §4 Abs1 BStG 1971 hat der Bundesminister für Bauten und Technik vor dem Bau einer neuen Bundesstraße und vor der Umlegung von Teilen einer bestehenden Bundesstraße unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen der §§7 (gefahrlose Benützbarkeit der Straße unter Bedachtnahme auf die durch die Witterungsverhältnisse oder durch Elementarereignisse bedingten Umstände, Herabsetzung der Beeinträchtigung der Nachbarn) und 20 Abs1 erster Satz (Rücksichtnahme auf die Wirtschaftlichkeit der Bauausführung) nach den Erfordernissen des Verkehrs und darüber hinaus der funktionellen Bedeutung des Straßenzuges den Straßenverlauf im Rahmen der Verzeichnisse durch Verordnung zu bestimmen.

b) Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Gesetzesstellen bestehen nicht (VfSlg. 7469/1974, 7769/1976, 8200/1977, das letztgenannte Erk. bezieht sich auf den in der Verordnung festgelegten Straßenverlauf der B 31 über andere Grundstücke im gleichen Baulos).

2. a) In der Verordnung ist der Straßenverlauf der B 31 Ybbstal Straße so bestimmt, daß die Trasse (flußaufwärts gesehen) zunächst südlich der Ybbs und annähernd parallel zum Fluß in östlicher Richtung verläuft. Sie entfernt sich jedoch in einem flachen Rechtsbogen vom Flußlauf noch vor dessen scharfer nördlicher Krümmung und überquert diesen nach seiner Krümmung in südliche Richtung fast rechtwinkelig (erste Brücke). Nach der Überquerung durchschneidet die neben der alten Bundesstraße führende Trasse eine Landzunge, die durch eine Kurve des aus der südlichen Richtung in die nordöstliche Richtung umbiegenden Flusses umgrenzt wird und überquert später wieder den Fluß (zweite Brücke). Auf dieser Landzunge zwischen beiden den Fluß überquerenden Brücken führt die Trasse über die enteigneten, zur KG Oisberg (die Mittellinie der Ybbs bildet die Grenze zwischen der südlichen KG Oberkirchen und der nördlichen KG Oisberg) gehörigen Grundstücke der Beschwerdeführer.

b) Zur Begründung der behaupteten Gesetzwidrigkeit der Verordnung wird in der Beschwerde vorgebracht, daß von den drei Möglichkeiten einer Trassenführung diejenige gewählt worden sei, die für die Beschwerdeführer die größten Nachteile bringe und überdies insbesondere wegen der Notwendigkeit der Errichtung von zwei Brücken über die Ybbs auch am meisten Kosten verursache. Die Trasse wäre besser nach der Variante zu führen gewesen, in der die Verwendung des Flußbettes der Ybbs - unter Verlegung des Flußlaufes - vorgesehen gewesen sei (Ybbs-Verdrängungsvariante). Die Führung dieser Trasse müsse eine beträchtliche Verminderung der Aufwendungen für die Grundeinlösung mit sich bringen, weil die Beseitigung des Stallgebäudes und die Wirtschaftserschwernis durch die Grundzerschneidung wegfielen. Darüber hinaus könne der Bau zweier Brücken unterbleiben und die Grundinanspruchnahme sich im wesentlichen Bereich auf öffentliches Wassergut beziehen sowie auf mindernutzbaren Grund erstrecken. Soweit für diese Trasse Grundflächen der Beschwerdeführer benötigt würden, bestehe die Bereitschaft zur freiwilligen Abtretung, sodaß eine Enteignung überhaupt vermieden werden könne. Die Trasse müsse dann auch nicht im Nahbereich des Hofes der Beschwerdeführer geführt werden.

c) Zu diesem Vorbringen der Beschwerdeführer wird in der vom Landeshauptmann von NÖ für den Bund (Bundesstraßenverwaltung) erstatteten Gegenschrift ausgeführt, daß für das generelle Projekt des Straßenausbaues der Straße B 31 im Bereich Hollenstein-Lettenwag drei Varianten (Variante III, Variante IV und V) zur Diskussion gestanden seien; der in der Verordnung bestimmte Straßenverlauf entspreche der Variante IV. Eine Verwirklichung der Variante III sei, da sie die derzeit nicht in Betracht kommende Auflassung der Schmalspurbahn Kienberg-Gaming-Waidhofen a. d. Ybbs zur Voraussetzung gehabt habe, nicht weiter verfolgt worden.

Für die Verwirklichung der Variante V (Ybbs-Verdrängungsvariante) wäre die Inanspruchnahme des Flußbettes der Ybbs und damit eine Inanspruchnahme landwirtschaftlich genutzter Grundflächen für ein neues Flußbett erforderlich gewesen. Weiters sei zu dieser Variante festzuhalten, daß sie zufolge der topographischen Verhältnisse gegenüber der Variante IV schlechter einzustufen sei, und zwar sowohl im Hinblick auf die Linienführung im Grundriß (Minimalradius bei Variante V R = 180 m, bei Variante IV R = 350 m) als auch hinsichtlich der Tatsache, daß auf der Variante V mit größeren Verkehrsgefährdungen durch Vernässungen und Glatteisbildung zu rechnen sei, da sie zum Großteil im Schatten der anschließenden Berglehne liege. Weiters betrage die Länge der Variante IV 800 m, der Variante V 940 m; eine Verwirklichung der Variante V hätte einen erhöhten Erhaltungsaufwand für die Straßenverwaltung und einen dauernden Mehraufwand der Kraftfahrer zur Folge gehabt.

Des weiteren wird ausgeführt, daß nach der Variante IV die von den Beschwerdeführern behauptete "Besitzzerschneidung" nicht bewirkt würde, weil die Trasse im wesentlichen dem Verlauf der jetzigen Bundesstraße entspreche, wobei aber als Vorteil die Abrückung vom Wirtschaftsgebäude der Beschwerdeführer (im Mittel rund 28 m anzusehen sei. Zufolge der vorgesehenen Rekultivierung der bisherigen Straßenflächen, soweit sie nicht für den Straßenbau benötigt würden, und deren Zuweisung an die Beschwerdeführer sei ihr Grundverlust durch die neue Trasse auf ein Minimum beschränkt geblieben.

d) Der VfGH geht davon aus, daß die Verlegung der Trasse der Ybbstal Straße auf den kurvenförmigen Flußverlauf, der die in Punkt 2.a) umschriebene Landzunge bildet, und die Neuanlegung des Flußbettes erhebliche Eingriffe in die natürliche Geländegestaltung zur Folge hätten. Dazu ist darauf zu verweisen, daß bei Realisierung der Ybbs-Verdrängungsvariante zwar die Kosten für den Brückenbau eingespart worden wären; es wären jedoch damit neben Baumaßnahmen für den Ausbau des Flußbettes und die damit verbundenen Sicherungsvorkehrungen auch Maßnahmen für den Ausbau der Straßentrasse auf dem alten Flußbett mit den im Hinblick auf die topographischen Verhältnisse vielleicht sogar unabsehbaren Folgen verbunden gewesen. Aus diesen Gründen kann nach Auffassung des VfGH bei den übrigen gegebenen Verhältnissen (engerer Kurvenradius sowie größere Länge der Variante V gegenüber der Variante IV) nicht davon gesprochen werden, daß bei der Festlegung des Straßenverlaufes der Ybbstal Straße in dem von den Beschwerdeführern angeführten Bereich im Hinblick auf die Erfordernisse nach §4 Abs1 BStG 1971 einer Festlegung der Trasse nach der von den Beschwerdeführern begehrten Ybbs-Verdrängungsvariante gegenüber der in der Verordnung vorgenommenen Festlegung nach der Variante IV der Vorzug zu geben gewesen wäre.

3. a) Zur Begründung der Gesetzwidrigkeit der Verordnung wird in der Beschwerde des weiteren vorgebracht, daß dann, wenn eine Verwirklichung der Ybbs-Verdrängungsvariante nicht in Betracht komme, die Trasse nördlich des Wohn- und Wirtschaftsgebäudes der Beschwerdeführer etwa entlang der Bahntrasse der Schmalspurbahn Kienberg-Gaming-Waidhofen a. d. Ybbs zu verlegen gewesen wäre. In diesem Fall wäre "zumindest die Besitzzerschneidung in ihren nachteiligen Wirkungen wesentlich vermindert und die Ausdehnung der flußabwärts gelegenen Brücke wegen günstigeren Überquerungswinkels eingeschränkt" worden. Es hätte auch diese Trassenführung dem Gebot der Wirtschaftlichkeit besser entsprochen als die in der Verordnung festgelegte Variante IV.

b) Zu diesen Behauptungen der Beschwerdeführer wird in der vom Landeshauptmann für den Bund (Bundesstraßenverwaltung) erstatteten Gegenschrift ausgeführt, daß grundsätzlich die Führung einer Trasse nach dem Vorschlag der Beschwerdeführer möglich gewesen wäre; es hätten sich dabei Baukosten etwa in gleicher Höhe wie bei der Verwirklichung der Variante IV ergeben, doch wären durch die notwendige Einlösung eines Wirtschaftsgebäudes für die Bundesstraßenverwaltung zusätzliche Kosten entstanden. Verhandlungen mit den Beschwerdeführern, das Objekt zu beseitigen, ohne daß der Bundesstraßenverwaltung hiefür Kosten erwachsen wären, seien gescheitert, sodaß auch diese Trasse teurer und unwirtschaftlicher gewesen wäre als die Trasse IV und somit für eine Verwirklichung nicht in Betracht gekommen sei.

Hinsichtlich der von den Beschwerdeführern behaupteten "Besitzzerschneidung" wird vom Landeshauptmann auf die Ausführungen verwiesen, die zur Ybbs-Verdrängungsvariante vorgebracht worden sind (Punkt 2.c).

c) Die Beschwerdeführer sind den Ausführungen der Bundesstraßenverwaltung (auch in der mündlichen Verhandlung vor dem VfGH) nicht entgegengetreten. Wenn der Verordnungsgeber im Hinblick auf die durch die Ablösung eines Wirtschaftsgebäudes verursachten Mehrkosten einer in der Nähe der Bahnlinie verlaufenden Trassenvariante die Trasse nach der Variante IV festgelegt hat, kann ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden, nicht gesetzmäßig vorgegangen zu sein.

4. Zusammenfassend ergibt sich, daß die Verordnung nicht wegen einer Nichtbeachtung der in §4 Abs1 BStG 1971 enthaltenen Erfordernisse gesetzwidrig ist.

5. Die Beschwerdeführer haben die behauptete Verletzung des Eigentumsrechtes allein mit der Gesetzwidrigkeit der Verordnung begründet. Sie haben nicht vorgebracht, aus anderen Gründen in diesem Recht und in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden zu sein. Im Verfahren vor dem VfGH ist nicht hervorgekommen, daß die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wären.

Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides sind die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Straßenverwaltung, Straßenverlaufsfestlegung, Trassierungsverordnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B131.1978

Dokumentnummer

JFT_10189870_78B00131_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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