TE Vfgh Erkenntnis 1981/2/26 B188/77

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.02.1981
beobachten
merken

Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
BAO §184
EStG §4 Abs3
WerbungskostenV 1972

Leitsatz

EStG 1972; Einnahmen eines als Lehrbeauftragter tätigen Rechtsanwaltes; denkmögliche Anwendung des §4 Abs3 dieses Gesetzes iVm §184 BAO

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. vom 28. März 1977, GZ 62657/10/76, wurde die Einkommensteuer des - den Beruf eines Rechtsanwalts ausübenden und als Lehrbeauftragter an der Wirtschaftsuniversität Wien tätigen - Beschwerdeführers Dr. W.-D.A. für das Kalenderjahr 1974 festgesetzt.

1.2.1. In der gegen diesen Bescheid ergriffenen, auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerde an den VfGH kämpft der Beschwerdeführer der Sache nach lediglich gegen die Berechnung seines steuerbaren Einkommens als Lehrbeauftragter und die daraus erfließende Abgabenfestsetzung an. Er behauptet, durch den angefochtenen Bescheid in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG) verletzt worden zu sein und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH.

1.2.2. In den die Einkünfte als Lehrbeauftragter betreffenden Abschnitten der Entscheidungsgründe des Berufungsbescheides wurde ua. - sinngemäß zusammengefaßt - ausgeführt, der Beschwerdeführer habe in erster Instanz Einnahmen von 14.991,84 S erklärt und ein - vom Finanzamt nicht anerkanntes - Betriebskostenpauschale im Betrag von 7.500 S geltend gemacht. Zum Vorhalt der (weitere Ermittlungen pflegenden) Berufungsbehörde, es sei die Berücksichtigung eines Betrages von 1.499,18 S (d.s. 10% der erklärten Einnahmen von 14.991,84 S) als Betriebsausgabe beabsichtigt, habe der Berufungswerber nicht Stellung genommen: Er habe aufforderungsgemäß eine Abrechnung über seine Einnahmen (als Lehrbeauftragter), und zwar in der Höhe von 15.951,20 S, vorgelegt, aber mit Ausnahme von Beiträgen zur Sozialversicherung von 2.113,90 S keinerlei Betriebsausgaben nachgewiesen; die mit seiner Lehrtätigkeit zusammenhängenden Betriebsausgaben seien daher mangels Nachweises oder auch bloß Glaubhaftmachung in Anwendung der Bestimmung des §184 BAO geschätzt worden, und zwar in Anlehnung an die Hochschullehrern und Hochschulpersonal mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit kraft Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom 12. Dezember 1972, BGBl. 496/1972, zuerkannten Durchschnittssätze für Werbungskosten in der Höhe von 10% der steuerpflichtigen Bruttobezüge: Der (gerundete) Gewinn des Beschwerdeführers aus der Tätigkeit als Lehrbeauftragter belaufe sich dementsprechend auf 12.242 S (Einnahmen von 15.951,20 S abzüglich der Sozialversicherungsbeiträge von 2.113,90 S und der geschätzten Betriebsausgaben von 1.595,12 S).

2. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen:

2.1.1. Der angefochtene Bescheid setzt Steuern fest und greift daher in das Eigentum des Beschwerdeführers ein. Ein solcher Bescheid verletzt nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums aber nur dann, wenn er unter Heranziehung einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage oder gesetzlos erging, wobei eine denkunmögliche Anwendung des Gesetzes ebenfalls als Gesetzlosigkeit angesehen wird (vgl. zB VfSlg. 7773/1976, 8010/1977).

2.1.2. Der Beschwerdeführer behauptet nicht, daß die dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegten Rechtsvorschriften verfassungswidrig seien. Auch der VfGH hegt unter dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalls keine derartigen Bedenken.

2.1.3. Der Beschwerdeführer könnte demnach im Eigentumsrecht nur verletzt sein, wenn der belangten Behörde eine - der Gesetzlosigkeit gleichkommende - denkunmögliche Rechtsanwendung zur Last fiele.

In diese Richtung zielt der Beschwerdeführer, wenn er sinngemäß einwendet, daß er als Lehrbeauftragter (jetzt Universitätslektor) einkommensteuerpflichtiger Unternehmer sei, der 8% seiner Einnahmen als Mehrwertsteuer entrichten müsse. Ziehe man diese Steuer in Betracht, verbleibe ihm für Betriebsausgaben nur ein Betrag in der Höhe von 2% der Einnahmen, wogegen die Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl. 615/1973, die mit der von der belangten Behörde verfehlt zitierten Verordnung BGBl. 496/1972 im wesentlichen inhaltsgleich sei, lohnsteuer- und damit nicht mehrwertsteuerpflichtigen Hochschullehrern pauschalierte 10% Betriebsausgaben zubillige.

Die belangte Behörde wählte in Handhabung der Bestimmung des §184 BAO jenen Werbungskosten-Durchschnittssatz als Vergleichsmaßstab, der Hochschullehrern mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zusteht, und ging dabei - wie letztlich auch aus der Gegenschrift zu ersehen ist - von der Annahme aus, daß der Berschwerdeführer für das Jahr 1974 Umsatzsteuer für das Entgelt als Lehrbeauftragter als Betriebsausgabe nicht geltend gemacht habe; sie hing ferner der Auffassung an, daß der Gewinn aus der Tätigkeit als Lehrbeauftragter gemäß §4 Abs3 EStG 1972 zu ermitteln, die vereinnahmte Umsatzsteuer zunächst als Einnahme zu behandeln und erst bei Abfuhr an die Finanzverwaltung als Betriebsausgabe anzusetzen sei. Mangels Geltendmachung oder ersichtlicher Abfuhr einer derartigen Umsatzsteuer seien daher Betriebsausgaben aus diesem Titel - über die geschätzten 10% der Einnahmen hinaus - nicht zu berücksichtigen gewesen, wozu noch komme, daß der Beschwerdeführer, obzwar er spätestens auf Grund des - im Berufungsbescheid angeführten - Vorhaltes hätte erkennen müssen, daß nach Ansicht der belangten Behörde nur 10% der Einnahmen und die nachgewiesenermaßen geleisteten Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung als Betriebsausgaben berücksichtigt werden könnten, seiner Offenbarungspflicht nicht entsprochen habe.

Ob die hier wiedergegebene Rechtsansicht der belangten Behörde richtig ist, hat der VfGH nicht zu entscheiden; keinesfalls kann diese Meinung als denkunmöglich gewertet werden: In Wahrheit laufen die Einwände des Beschwerdeführers, der die von der Berufungsbehörde bejahten Voraussetzungen für eine Maßnahme nach §184 BAO - dem Grunde nach - gar nicht in Zweifel zieht, lediglich darauf hinaus, daß das Schätzungsergebnis unter den obwaltenden Umständen unangemessen niedrig ausgefallen sei. Damit wird aber nicht ein in die Verfassungssphäre reichendes Fehlverhalten der belangten Behörde aufgezeigt, sondern bloß die einfachgesetzliche Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestritten, worüber ausschließlich der VwGH zu befinden hat.

2.1.4. Der Beschwerdeführer wurde darum im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrecht nicht verletzt.

2.2. Die vom Beschwerdeführer weiters behauptete Gleichheitsverletzung läge angesichts der gegebenen verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften (siehe 2.1.2.) nur dann vor, wenn die Behörde bei Erlassung des bekämpften Bescheides Willkür geübt hätte (vgl. VfSlg. 7619/1975, 8275/1978 ua.).

2.2.1. Daß das vom Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gerügte Verhalten der belangten Behörde nicht mit einer der Gesetzlosigkeit gleichkommenden Denkunmöglichkeit belastet ist, wurde schon zu 2.1.3. festgehalten. Eine solche unter Umständen als Indiz für Willkür in Betracht zu ziehende Wertung scheidet daher bei Prüfung der Frage, ob eine Gleichheitsverletzung stattfand, von vornherein aus (vgl. VfSlg. 7962/1976 ua.). Es finden sich aber auch sonst keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung von unsachlichen Erwägungen geleitet worden wäre. Das gesamte Verwaltungsgeschehen, insbesondere jedoch die ausführliche Begründung des angefochtenen Bescheides zeigt, daß die Behörde vielmehr bemüht war, dem Gesetz die von ihr als richtig erkannte Geltung zu verschaffen; ein solches Bemühen schließt nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH Willkür aus, und zwar auch dann, wenn es nicht von Erfolg begleitet gewesen sein sollte (vgl. VfSlg. 7860/1976 ua.).

2.2.2. Wollte - wie schließlich noch beigefügt sei - der Beschwerdeführer mit seinen dem Grundrecht des Art7 Abs1 B-VG gewidmeten Darlegungen aber im gegebenen Zusammenhang zum Ausdruck bringen, die belangte Behörde habe die Auffassung vertreten, daß die Verordnung BGBl. 496/1972 auch für einkommensteuerpflichtige Lehrbeauftragte - also auch für ihn selbst - gelte, ist er nicht im Recht. Wie in der Gegenschrift zutreffend herausgestellt wird, läßt die sprachliche Fassung der Begründung des Berufungsbescheides keinen Zweifel daran, daß die belangte Behörde die gegenteilige Rechtsmeinung vertrat, dh. die zitierte Verordnung für Lohnsteuerpflichtige im Fall des einkommensteuerpflichtigen Beschwerdeführers weder anwenden wollte noch tatsächlich anwendete. Dies zeigt nicht zuletzt der Umstand, daß die Behörde die Betriebsausgaben des Beschwerdeführers gemäß §184 BAO schätzte und dabei nur - wie es im angefochtenen Bescheid wörtlich heißt - "in Anlehnung" an die genannte Ministerialverordnung vorging, mit anderen Worten: ihr vergleichbar erscheinenden Lehrpersonen mit dieser Verordnung zugebilligte Durchschnittssätze für Werbungskosten vorliegend gleichsam bloß als Orientierungshilfe für den Schätzungsvorgang heranzog. Das insoweit auf einer unzutreffenden Prämisse beruhende Beschwerdevorbringen geht darum ins Leere.

2.2.3. Demgemäß wurde der Beschwerdeführer auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

2.3. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts wurde nicht behauptet und kam auch im Verfahren vor dem VfGH nicht hervor. Ebensowenig entstanden aus der Sicht dieses Beschwerdefalls verfassungsrechtliche Bedenken gegen die dem bekämpften Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften. Der Beschwerdeführer wurde mithin auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.

2.4. Die Beschwerde war bei der gegebenen Sach- und Rechtslage als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Einkommensteuer, Werbungskosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B188.1977

Dokumentnummer

JFT_10189774_77B00188_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten