TE Vfgh Erkenntnis 1981/3/4 B581/78

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Veröffentlicht am 04.03.1981
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Index

40 Verwaltungsverfahren
40/01 Verwaltungsverfahren außer Finanz- und Dienstrechtsverfahren

Norm

B-VG Art83 Abs2
AVG §62 Abs1, §62 Abs2, §62 Abs4
AVG §63 Abs5
VfGG §88
VStG §51 Abs3 idF BGBl 101/1977

Leitsatz

VStG 1950; verspätete Erhebung einer Berufung gegen ein Straferkenntnis; kein Entzug des gesetzlichen Richters

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1.a) Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz vom 17. Juni 1978 wurden über den Beschwerdeführer wegen Übertretungen nach ArtIX Abs1 Z1 und Z2 EGVG 1950 Geldstrafen in Höhe von insgesamt S 3.000,-, im Nichteinbringungsfalle Ersatzarreststrafen im Ausmaß von insgesamt 5 Tagen verhängt. Gleichzeitig wurde ihm die Zahlung eines Beitrages zu den Strafverfahrenskosten in Höhe von S 300,-

auferlegt. Das Straferkenntnis wurde mündlich verkündet und dem Beschwerdeführer Rechtsmittelbelehrung erteilt. Die mündliche Verkündung des Straferkenntnisses und die erfolgte Rechtsmittelbelehrung wurden vom Beschwerdeführer in einer Niederschrift bestätigt. In derselben Niederschrift verzichtete er ausdrücklich auf die Erhebung einer Berufung gegen das Straferkenntnis.

Nachträglich wurden in der Beurkundung des Straferkenntnisses durch den Referenten Änderungen vorgenommen; so wurde der Strafbetrag von S 3.000,- auf S 4.000,- erhöht und hinzugefügt, daß Vorhaft in der Dauer von 8 Stunden (= S 1.000,-) angerechnet worden sei; weiters wurden die Dauer der verhängten Ersatzarreststrafe und der auferlegte Verfahrenskostenbeitrag verändert.

b) Mit Schreiben vom 11. Juli 1978 erhob der Beschwerdeführer gegen das Straferkenntnis das Rechtsmittel der Berufung. In der Begründung der Berufung wies er darauf hin, daß ihm am 5. Juli 1978 Änderungen in der Niederschrift zur Kenntnis gelangt seien. Gleichzeitig ersuchte er um "Überprüfung des gesamten Vorfalles, um die wesentlichen inhaltlichen Abweichungen zwischen der Anzeige und dem Geschehen", das zur Verhängung der Verwaltungsstrafe geführt hat, wie er es aus seiner Sicht der Behörde in einer schriftlichen Sachverhaltsschilderung zur Kenntnis gebracht habe, zu klären.

c) Die Berufung wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Stmk. vom 15. September 1978 als unzulässig zurückgewiesen. Der Berufungswerber habe anläßlich der Verkündung des Straferkenntnisses ausdrücklich auf die Berufung verzichtet. Das Straferkenntnis sei mit der Verzichtserklärung, die eine unwiderrufliche Prozeßhandlung darstelle, sogleich rechtskräftig geworden. Eine trotzdem eingebrachte Berufung sei von der Berufungsbehörde als unzulässig zurückzuweisen.

2. a) Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Unversehrtheit des Eigentums und auf persönliche Freiheit gerügt und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.

b) Die die belangte Behörde vertretende Finanzprokuratur hat eine Gegenschrift erstattet, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:

1. a) Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter ua. dann verletzt, wenn die Behörde eine Sachentscheidung zu Unrecht verweigert, indem sie etwa entgegen dem Gesetz eine Berufung zurückweist (vgl. VfSlg. 6216/1970, 8741/1980).

b) Das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz wurde dem Beschwerdeführer am 17. Juni 1978 verkündet. Mit der mündlichen Verkündung und deren Beurkundung ist der Bescheid ergangen (vgl. zB VwSlg. 3617 A/1955). Die nachträgliche wesentliche Änderung in der Beurkundung hatte auf den Inhalt des Bescheides keinen Einfluß. Diese sogenannte Berichtigung erging weder in der für Berichtigungen erforderlichen Bescheidform (vgl. VwSlg. 7058 A/1967), noch wurde sie dem Beschwerdeführer gegenüber in anderer Weise bekanntgegeben.

Der VfGH ist daher der Auffassung, daß diese sogenannte Berichtigung den angefochtenen Bescheid in seinem Bestand nicht zu berühren vermochte und dementsprechend rechtlich nicht weiter zu beachten ist.

Die belangte Behörde hatte sich somit mit der Berufung des Beschwerdeführers nur insoweit auseinanderzusetzen, als diese gegen den Bescheid vom 17. Juni 1978 gerichtet war, nicht aber, soweit sie sich gegen die nachträglich erfolgte, rechtlich unwirksame Änderung des Bescheides richtete.

c) In seiner Beschwerde bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde hätte sich trotz des von ihm erklärten Rechtsmittelverzichtes mit der Berufung inhaltlich auseinanderzusetzen gehabt, da dieser Rechtsmittelverzicht aus den Umständen des Falles als unwirksam zu qualifizieren sei.

Der VfGH braucht sich mit diesem Beschwerdevorbringen jedoch nicht auseinanderzusetzen. Denn selbst wenn der Beschwerdeführer im Recht wäre, wäre seine Berufung verspätet gewesen:

Da der Beschwerdeführer nach der Aktenlage eine schriftliche Ausfertigung des Straferkenntnisses nicht begehrt hatte, begann der Lauf der Berufungsfrist mit der mündlichen Verkündung des Straferkenntnisses. Anhaltspunkte dafür, daß dem Beschwerdeführer eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt worden wäre, hat das Verfahren nicht ergeben.

Die Frage, ob die Berufungsfrist eingehalten wurde, ist an Hand der Rechtslage zum Zeitpunkt der Erhebung der Berufung zu beurteilen. Die Berufungsfrist betrug nach dem hier maßgeblichen §51 Abs3 VStG 1950 idF BGBl. 101/1977 zwei Wochen.

Die Berufung vom 11. Juli 1978 wurde nach dem Inhalt des auf dem in den Verwaltungsakten befindlichen Umschlag angebrachten Stampiglienabdruckes am 12. Juli 1978 zur Post gegeben. Da nach §33 Abs3 AVG iVm §24 VStG 1950 die Tage des Postenlaufes in die Frist nicht eingerechnet werden, gilt die Berufung als am Tag der Postaufgabe erhoben.

Die mit der Verkündung des Straferkenntnisses am 17. Juni 1978 in Lauf gesetzte zweiwöchige Berufungsfrist hat jedoch schon mit Ablauf des 1. Juli 1978 geendet. Die erst am 12. Juli 1978 erhobene Berufung war somit verspätet und wurde daher von der belangten Behörde zu Recht zurückgewiesen.

d) Der Beschwerdeführer ist somit durch den angefochtenen Bescheid nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden. Da die belangte Behörde die Berufung zu Recht zurückgewiesen hat, ist es ausgeschlossen, daß durch den angefochtenen Bescheid ein anderes verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht verletzt worden wäre (VfSlg. 7873/1976, 8741/1980).

2. Da das verfassungsgerichtliche Verfahren auch keine Anhaltspunkte für die Annahme ergeben hat, daß der Beschwerdeführer zufolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden wäre, war die Beschwerde abzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Kosten, Bescheidberichtigung, Bescheiderlassung, Verwaltungsverfahren, Berufung, Fristen (Berufung)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B581.1978

Dokumentnummer

JFT_10189696_78B00581_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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