TE Vfgh Beschluss 1981/3/11 G63/79, G65/79, G3/80

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.03.1981
beobachten
merken

Index

94 Schiffahrt
94/02 Schiffsregister, Zivilrecht

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
R-ÜG §2
Viertes Gesetz über die Eintragung von Schiffspfandrechten in ausländischer Währung vom 19.12.30. DRGBl 1930 I. S 629 ArtI
Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken vom 21.12.40. DRGBl 1940 I. S 1609 Art16

Leitsatz

Art140 B-VG; Antrag des LG für ZRS Wien auf Aufhebung des ArtI des Vierten Gesetzes über die Eintragung von Schiffspfandrechten in ausländischer Währung vom 19. 12. 1930, DRGBl. 1930 I, S 629; Rechtsüberleitung; inhaltliche Derogation durch Art18 Abs2 B-VG

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I.1. Beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien ist zur Geschäftszahl 46 R 1464/79 eine Beschwerde gegen eine Eintragungsverfügung des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

Das Bezirksgericht Innere Stadt hat als Schiffsregistergericht mit der Eintragungsverfügung vom 8. Mai 1979, SSR 431-4, über Antrag der MS "L." Österreichischer L. Gesellschaft m.b.H. & Co KG, 1090 Wien, T-gasse 5, die Eintragung des Schiffes MS "L." im Seeschiffahrtsregister und mit der beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien angefochtenen Eintragungsverfügung vom 24. August 1979, SSR 431-7, über Antrag derselben Partei die Eintragung einer Schiffshypothek für die Restkaufpreisforderung von S 29,335.200,-, das waren DM 4,000.000,- samt 8,25% Zinsen p.a., im Verzugsfall 10,25% Zinsen p.a. sowie einer Nebengebührenkaution im Höchstbetrag von S 5,867.040,-, das waren DM 800.000,-, zugunsten der H.L. Girozentrale H., und die Anmerkung der Vollstreckbarkeit des Notariatsaktes vom 28. Feber 1979 iS des §3a Notariatsordnung verfügt.

Gegen die Eintragungsverfügung vom 24. August 1979 richtet sich die von der H.L. Girozentrale und von der Antragstellerin MS "L."

Österreichischer L. Gesellschaft m.b.H. & Co KG an das Landesgericht für ZRS Wien erhobene Beschwerde mit folgenden Anträgen:

a) iS des §81 Schiffsregisterordnung eine einstweilige Anordnung an das Schiffsregister zu erlassen, einen Schutzvermerk nach §28 Abs2 Schiffsregisterordnung einzutragen,

b) iS des §75 der Schiffsregisterordnung die bekämpfte Eintragung einer Schiffshypothek für die Restkaufpreisforderung von

S 29,335.200,- s.A. zu löschen; und

c) gleichzeitig die Eintragung einer Schiffshypothek für die Restkaufpreisforderung von DM 4,000.000,-, das waren ö.S 29,335.200,-, samt 8,25% Zinsen p.a., im Verzugsfalle 10,25% p. a., sowie einer Nebengebührenkaution im Höchstbetrag von DM 800.000,-, das waren ö.S 5,867.040,-, zugunsten der Hamburgischen Landesbank, Girozentrale Hamburg, sowie die Anmerkung der Vollstreckbarkeit des Notariatsaktes vom 28. Feber 1979 iS des §3a Notariatsordnung zu verfügen.

In ihrer Beschwerde führt die H.L. Girozentrale im wesentlichen aus, daß auf Grund der auch für den österreichischen Rechtsbereich übernommenen Vorschriften im österreichischen Seeschiffahrtsregister die Eintragung von Fremdwährungshypotheken zulässig sei und daher im vorliegenden Fall - wie beantragt - eine auf DM lautende Hypothek in das österreichische Schiffahrtsregister hätte eingetragen werden müssen.

2. Beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien ist zur Geschäftszahl 46 R 1439/79 eine weitere Beschwerde gegen eine Eintragungsverfügung des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 23. April 1979 anhängig, der ein gleichgelagerter Sachverhalt wie der oben unter Pkt. 1. dargestellte zugrunde liegt. Die hier strittige Eintragung betrifft das Motorschiff "I." der MS "I." Österreichischer

L. Gesellschaft mbH & Co KG, und die entsprechenden Geldbeträge weisen eine andere Höhe auf.

3. Beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien ist zur Geschäftszahl 46 R 1451/79 noch eine weitere Beschwerde gegen eine Eintragungsverfügung des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 16. Mai 1979 anhängig, der ein gleichgelagerter Sachverhalt wie der oben unter Pkt. 1. dargestellte zugrunde liegt. Die hier strittige Eintragung betrifft das Motorschiff T., nunmehr "L.B." der A.R. Schiffahrts-Gesellschaft mbH, und die entsprechenden Geldbeträge weisen eine andere Höhe auf.

4. Mit beim VfGH zu G63/79 (betreffend das Verfahren 46 R 1464/79), zu G65/79 (betreffend das Verfahren 46 R 1439/79) und zu G3/80 (betreffend das Verfahren 46 R 1451/79) protokollierten - im wesentlichen gleichlautenden - Anträgen beantragt das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien die Aufhebung des Art1 des Vierten Gesetzes über die Eintragung von Schiffspfandrechten in ausländischer Währung vom 19. Dezember 1930, DRGBl. 1930 I, S 629, wegen Verfassungswidrigkeit.

Die angefochtene Bestimmung hat folgenden Wortlaut: "Die Reichsregierung bestimmt den Zeitpunkt, nach dem neue Eintragungen auf Grund des §1 dieses Gesetzes nicht mehr vorgenommen werden dürfen".

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien führt dazu aus, es hänge von der Anwendbarkeit der bekämpften Gesetzesbestimmung ab, ob den bei ihm anhängigen Beschwerden ein Erfolg beschieden sein könne, weil ohne die angefochtene Bestimmung die Möglichkeit zur Eintragung von Schiffspfandrechten in ausländischer Währung bereits am 31. Dezember 1930 abgelaufen sei.

5. Die Bundesregierung hat von einer Äußerung zu den Anträgen abgesehen. Die Parteien des gerichtlichen Verfahrens haben die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmung in einer Äußerung verteidigt.

II. Der VfGH hat über die gemäß §§187 und 404 ZPO (§35 VerfGG) zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:

1. Nach §1 Abs1 des Gesetzes über die Eintragung von Schiffspfandrechten in ausländischer Währung vom 26. Jänner 1923, DRGBl. I, S 90, konnte die Währung eines im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes im Schiffspfandregister eingetragenen Schiffspfandrechtes und etwaiger Nebenleistungen mit Einwilligung der Landeszentralbehörde in jene ausländische Währung umgewandelt werden, in der die Forderung zu zahlen war, welche der Eintragung zugrunde lag.

Diese Regelung wurde durch §1 Abs1 des Zweiten Gesetzes über die Eintragung von Schiffspfandrechten in ausländischer Währung vom 29. März 1923, DRGBl. I, S 232, dahin ergänzt, daß im Falle der Eintragung eines Schiffspfandrechtes für eine in ausländischer Währung zu zahlende Forderung in das Schiffspfandregister der Geldbetrag der Forderung und etwaiger Nebenleistungen oder der Höchstbetrag, bis zu dem das Schiff haften soll, mit Einwilligung der obersten Landesbehörde in ausländischer Währung angegeben werden konnte.

Diese Eintragungsmöglichkeit war zwar durch §4 des genannten Zweiten Gesetzes bis 31. Dezember 1925 befristet, wurde jedoch verlängert, zuletzt bis 31. Dezember 1930 (ArtI des Dritten Gesetzes über die Eintragung von Schiffspfandrechten in ausländischer Währung vom 21. Dezember 1929, DRGBl. I, S 224).

Durch Art1 des mit 31. Dezember 1930 in Kraft getretenen Vierten Gesetzes über die Eintragung von Schiffspfandrechten in ausländischer Währung vom 19. Dezember 1930, DRGBl. 1930 I, S 629, erhielt §4 des Zweiten Gesetzes vom 29. März 1923 die bereits oben unter Pkt. I.4. wiedergegebene und als verfassungswidrig angefochtene Fassung.

Mit Art16 der für das ganze damalige Reichsgebiet erlassenen Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken vom 21. Dezember 1940, DRGBl. 1940 I, S 1609, wurde verfügt, daß es für die Eintragung von Schiffshypotheken in ausländischer Währung bei den Vorschriften des Gesetzes über die Eintragung von Schiffspfandrechten in ausländischer Währung vom 26. Jänner 1923 und des Zweiten Gesetzes über die Eintragung von Schiffspfandrechten in ausländischer Währung vom 29. März 1923 in der Fassung des Gesetzes vom 19. Dezember 1930 verbleibt.

2. Das antragstellende Gericht geht davon aus, daß diese Bestimmungen derzeit in Österreich weiter gelten und führt aus, an die Stelle des Ausdruckes "Reichsregierung" in der angefochtenen Gesetzesbestimmung sei nach §2 des Behörden-Überleitungsgesetzes die österreichische Bundesregierung getreten. Die Regelung des Aufgabenkreises, die das B-VG für die höchsten Organe des Bundes getroffen hat, sei als eine erschöpfende Regelung anzusehen. Von ihr könne nur der Bundesverfassungsgesetzgeber wieder abgehen. Aus Art24 und 69 B-VG ergebe sich eindeutig, daß es einerseits Aufgabe des Nationalrates gemeinsam mit dem Bundesrat ist, für die Gesetzgebung zu sorgen, und daß andererseits die Bundesregierung mit den obersten Verwaltungsgeschäften des Bundes betraut ist.

Zur Gesetzgebung gehöre auch das Aufheben eines Gesetzes, also das Festsetzen des Endes des zeitlichen Geltungsbereiches eines Gesetzes. Zu einer derartigen Maßnahme sei nach Art24 B-VG als Bundesgesetzgeber nur der Nationalrat gemeinsam mit dem Bundesrat berufen. Es widerspreche dem Art24 B-VG, daß die Bundesregierung, also ein mit den obersten Verwaltungsgeschäften des Bundes betrautes Organ, den zeitlichen Geltungsbereich eines Bundesgesetzes ohne Befassung des Nationalrates und des Bundesrates beenden kann. Unter diesem Gesichtspunkt widerspreche daher die angefochtene Gesetzesbestimmung den Verfassungsgrundsätzen des B-VG.

3. Zur Zulässigkeit der vorliegenden Anträge (ob die Annahme des antragstellenden Gerichtes zutrifft, daß es die angefochtene Bestimmung in den bei ihm anhängigen Rechtsmittelverfahren unmittelbar anzuwenden hat) hat der VfGH erwogen:

Nichts spricht gegen die Annahme, daß Art16 der oben zitierten Verordnung vom 21. Dezember 1940 gemäß §2 des Rechts-Überleitungsgesetzes, StGBl. 6/1945, als österreichische Rechtsvorschrift vorläufig in Geltung gesetzt worden ist.

Damit ist aber noch nichts darüber ausgesagt, ob der bekämpften Bestimmung durch das Wiederinkrafttreten des B-VG am 19. Dezember 1945 inhaltlich derogiert worden ist. Der VfGH hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. zB VfSlg. 5120/1965, 5630/1967, 5810/1968, 6278/1970, 7151/1973 und 7936/1976) den Standpunkt vertreten, daß die Frage, ob durch das Wiederinkrafttreten einer österreichischen Verfassungsvorschrift im Jahre 1945 die im damaligen Zeitpunkt bestehenden, ihr widersprechenden einfachen Rechtsvorschriften aufgehoben worden sind, vom Inhalt der Verfassungsvorschrift abhängt; nur soweit darin eine Anordnung liegt, die das Weiterbestehen aller oder gewisser widersprechender Rechtsvorschriften ausschließt, sie also außer Kraft setzt, ist Derogation eingetreten. Dieser Standpunkt gilt für die Frage, ob eine einfache Rechtsvorschrift Eingang in die vom B-VG beherrschte Rechtsordnung gefunden hat, allgemein.

Der VfGH hat im Rahmen dieser Rechtsprechung immer den Standpunkt vertreten (vgl. etwa aus jüngerer Zeit VfSlg. 7936/1976), daß der Vorschrift des Art18 Abs2 B-VG ein solcher derogatorischer Inhalt zukommt. Wenn man die angefochtene Bestimmung an Art18 Abs2 B-VG mißt, zeigt sich, daß diese Bestimmung mangels jeglicher Determination der der Bundesregierung eingeräumten Ermächtigung zur Erlassung einer Verordnung über die Beendigung der Eintragungsmöglichkeit mit Art18 Abs2 B-VG in keiner Weise in Einklang steht.

Daraus ergibt sich aber auf Grund der angeführten ständigen Rechtsprechung des VfGH, daß jenem Teil des Art16 der Verordnung vom 21. Dezember 1940, der die angefochtene Bestimmung (Verordnungsermächtigung für die Regierung) enthielt, durch das Wiederinkrafttreten des B-VG am 19. Dezember 1945 derogiert worden ist. Da die Vorschrift über die Eintragung von Schiffspfandrechten in ausländischer Währung somit seit diesem Zeitpunkt keine Befristung (mehr) enthält, könnte die Beendigung ihrer Wirksamkeit nur durch den Bundesgesetzgeber erfolgen.

Das antragstellende Gericht hat auf Grund dessen die angefochtene Bestimmung, die nicht mehr dem Rechtsbestand angehört, in den bei ihm anhängigen Rechtsmittelverfahren nicht anzuwenden.

Die Anträge sind daher zurückzuweisen.

Schlagworte

Verfassungsüberleitung, Derogation, Rechtsüberleitung, VfGH / Präjudizialität, Schiffahrt, Schiffsregister, Schiffspfandrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:G63.1979

Dokumentnummer

JFT_10189689_79G00063_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten