TE Vfgh Erkenntnis 1981/3/19 B127/78

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.03.1981
beobachten
merken

Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
StGG Art5
ASVG §44 Abs3
Verordnung der Stmk Gebietskrankenkasse über die Pauschalierung von Trinkgeldern

Beachte

Anlaßfall zu VfSlg. 9090/1981

Leitsatz

ASVG; Verordnung des Vorstandes der Stmk. Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte v. 23. Feber 1965 betreffend die Festsetzung von Pauschbeträgen gemäß §44 Abs3 für Trinkgelder im Friseurgewerbe; Verletzung des Eigentumsrechtes nach Aufhebung der Verordnung als gesetzwidrig

Spruch

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1.a) Bei einer am 24. Feber 1976 gemäß §42 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. 189/1955 (ASVG), durchgeführten Beitragsprüfung wurde festgestellt, daß vom Beschwerdeführer - er ist Friseurmeister - in der Entgeltmeldung vom 7. Feber 1975 für vier Dienstnehmer das Trinkgeldpauschale im Friseurgewerbe zur Ermittlung der Grundlage für die Bemessung der Beiträge (§§44 ff. ASVG) unberücksichtigt geblieben war.

In einer Beitragsnachberechnung vom 25. März 1976 wurden die Sozialversicherungsbeiträge, die vom Beschwerdeführer für die angeführten Dienstnehmer und für die näher dargelegten Zeiträume nachzuentrichten waren, gestützt auf "das vom Verwaltungsausschuß der Stmk. Gebietskrankenkasse unter Bezugnahme auf §44 Abs3 ASVG mit Beschluß vom 9. 12. 1964 und nach Anhörung der Interessenvertretungen der Dienstnehmer und Dienstgeber mit 35,- S pro Woche festgesetzte Trinkgeldpauschale" in der Höhe von 3.952,23 S ermittelt.

Mit dem Bescheid der Stmk. Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte (im folgenden Gebietskrankenkasse) vom 2. März 1977 wurde unter Berufung auf §410 Abs1 Z7 ASVG entschieden, daß der Beschwerdeführer zur Nachentrichtung der in der Beitragsnachberechnung vom 25. März 1976 ermittelten Sozialversicherungsbeiträge verpflichtet ist.

b) Dem vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid der Gebietskrankenkasse vom 2. März 1977 erhobenen Einspruch wurde mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von Stmk. vom 14. Dezember 1977 unter Hinweis auf die §§413 und 414 ASVG iVm §66 Abs4 AVG 1950 nicht Folge gegeben.

2. Gegen den Bescheid des Landeshauptmannes vom 14. Dezember 1977 richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer behauptet, durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt worden zu sein. Er stellt den Antrag, den Bescheid kostenpflichtig aufzuheben, in eventu die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

II. Der VfGH hat aus Anlaß der Beschwerde gemäß Art139 Abs1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Vorstandes der Gebietskrankenkasse vom 23. Feber 1965 betreffend die Festsetzung von Pauschbeträgen gemäß §44 Abs3 ASVG für Trinkgelder im Friseurgewerbe, kundgemacht im Mitteilungsblatt der Gebietskrankenkasse "Die Krankenversicherung" (Nr. 31, 8. Jahrgang, Februar 1965) - im folgenden Pauschalierungsverordnung - eingeleitet. Mit dem am heutigen Tage verkündeten Erk. V38/80-10 hat der VfGH diese Verordnung als gesetzwidrig aufgehoben.

III. Der VfGH hat erwogen:

1. Die nach Punkt II. aufgehobene Pauschalierungsverordnung ist nach Art139 Abs6 B-VG auf den Anlaßbeschwerdefall nicht mehr anzuwenden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Eigentumsrecht insbesondere auch dann verletzt, wenn ein in das Eigentum eingreifender Bescheid insofern durch das Gesetz nicht gedeckt ist, als er auf einer gesetzwidrigen Verordnung beruht (vgl. VfSlg. 8970/1980).

Die Vorschreibung der Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen hat in das Eigentum des Beschwerdeführers eingegriffen. Diese Vorschreibung hat die Behörde allein auf die Pauschalierungsverordnung gestützt. Da sich im konkreten Fall keine Rechtsgrundlage für eine Vorschreibung dieser pauschalierten Sozialversicherungsbeiträge findet, war der Bescheid als verfassungswidrig aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall, VfGH / Prüfungsmaßstab

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B127.1978

Dokumentnummer

JFT_10189681_78B00127_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten