TE Vfgh Beschluss 1981/5/14 G22/79

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Veröffentlicht am 14.05.1981
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Index

L1 Gemeinderecht
L1030 Gemeindestruktur

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Gegenstandslosigkeit
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs4
Bgld GemeindestrukturverbesserungsG §1 Z3
Bgld GemeindeO §16 Abs1
VfGG §19 Abs3 Z2
VfGG §62 Abs1

Leitsatz

Art140 B-VG; Individualantrag auf Aufhebung des §1 Z3 Bgld. Gemeindestrukturverbesserungsgesetz, LGBl. 44/1970; keine Legitimation

Spruch

1. Das auf Grund des Antrages des M.P. eingeleitete Verfahren wird eingestellt.

2. Soweit der Antrag von den anderen Einschreitern eingebracht worden ist, wird er zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. §1 des Bgld. Landesgesetzes vom 1. September 1970, LBGl. 44, über Gebietsänderungen von Gemeinden (Gemeindestrukturverbesserungsgesetz) - im folgenden kurz: GStrVG bestimmt folgendes:

"Im politischen Bezirk Neusiedl am See werden folgende Gemeinden zu einer neuen Gemeinde vereinigt:

1. ...

3. die Gemeinden Edelstal und Kittsee zur Gemeinde Kittsee."

Dem §8 Abs1 GStrVG zufolge hat die Gemeinde Edelstal mit dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes (das ist nach §17 Abs1 leg. cit. der 1. Jänner 1971) als eigene Gemeinde zu bestehen aufgehört.

Nach dem (als Landesverfassungsbestimmung erlassenen) §11 Abs1 leg. cit. sind "die Gemeinderäte der Gemeinden, die gemäß den Bestimmungen der §§1 - 7 zu neuen Gemeinden vereinigt werden, mit dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes aufgelöst".

2. Der Ersteinschreiter M.P. war Bürgermeister, die übrigen Einschreiter waren Mitglieder des Gemeinderates der Gemeinde Edelstal.

Der Ersteinschreiter ist am 9. Feber 1980 verstorben.

3. Mit dem auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten, am 12. Juni 1979 zur Post gegebenen Antrag begehren die Einschreiter, §1 Z3 GStrVG als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Über einen auf Art140 Abs1 B-VG gegründeten Individualantrag kann - ungeachtet der Zulässigkeit im Zeitpunkt seiner Einbringung - jedenfalls dann nicht mehr meritorisch entschieden werden, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung weder der Antragsteller selbst noch ein Rechtsträger vorhanden ist, der die Rechtspersönlichkeit des (verstorbenen) Antragstellers in Ansehung jener Rechte fortsetzt, deren Verletzung im Antrag geltend gemacht worden ist und in die die angefochtene Gesetzesbestimmung behaupteterweise eingreift (vgl. VfSlg. 8869/1980).

Der nach Antragstellung verstorbene Ersteinschreiter hat die Antragslegitimation damit begründet, daß er durch die bekämpfte Gesetzesvorschrift seine Funktion als Bürgermeister der Gemeinde Edelstal verloren habe und durch diese Bestimmung außerstande gesetzt worden sei, sie wieder zu erwerben.

In Ansehung dieser behaupteten Eingriffe in seine Rechtssphäre kommt eine Rechtsnachfolge nicht in Betracht.

Das Verfahren, das über den Antrag des Ersteinschreiters eingeleitet wurde, war sohin einzustellen (vgl. den obzitierten Beschluß VfSlg. 8869/1980).

2. a) Zu dem von den anderen Einschreitern gestellten, auf Art140 B-VG gestützten Individualantrag ist folgendes festzuhalten:

Wie der VfGH in ständiger Judikatur beginnend mit seinem Beschluß VfSlg. 8009/1977 - ausgesprochen hat, ist grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß das bekämpfte Gesetz nicht bloß behaupteterweise, sondern tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreift und diese - im Falle der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes - verletzt. Hiebei kommt es ausschließlich auf die Behauptungen des Antragstellers an, in welcher Hinsicht das bekämpfte Gesetz seine Rechtssphäre berührt und diese - im Falle der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes - verletzt (vgl. zB VfSlg. 8060/1977, 9042/1981).

b) Die Antragsteller machen geltend, daß gemäß §11 Abs1 GStrVG der Gemeinderat der Gemeinde Edelstal aufgelöst wurde und sie "durch die Anwendbarkeit dieser Gesetzesbestimmung auf ihre Gemeinde gemäß §1 Z3 leg. cit. vorzeitig, dh. vor Ablauf der Gemeindeperiode, ihrer Funktion als Gemeindeorgane verlustig" gegangen seien. Sie seien durch die angefochtene - verfassungswidrige - landesgesetzliche Bestimmung "unmittelbar in ihren Rechten auf Mandatsausübung und Wiederbestellung als Mandatare der Gemeinde Edelstal verletzt" worden.

c) Aus dem Wortlaut des Art140 Abs1 letzter Satz B-VG (arg. "verletzt zu sein behauptet", und nicht etwa "verletzt worden zu sein behauptet") ergibt sich, daß die bekämpfte Gesetzesstelle zumindest zum Zeitpunkt der Antragstellung (noch) eine behauptete und tatsächlich vorliegende (nachteilige) rechtliche Wirkung für den Antragsteller haben muß, mag auch das Gesetz inzwischen bereits außer Kraft getreten sein (Art140 Abs4 B-VG).

Auch eine am Sinn dieser Verfassungsbestimmung orientierte Auslegung führt zum selben Ergebnis: Der Zweck des Individualantrages besteht darin, daß die behauptete Rechtsverletzung durch Aufhebung der bekämpften Gesetzesstelle beseitigt wird. Würde sich also trotz Aufhebung der angefochtenen Gesetzesbestimmung für die Rechtsposition des Antragstellers nichts ändern, kommt ihm die Antragslegitimation nicht zu.

Die von den Antragstellern behaupteten Eingriffe in ihre Rechtssphäre lagen aber bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr vor:

Die Gemeinderatswahl, auf Grund deren sie ihre Funktion als Mitglieder des Gemeinderates innehatten, fand am 5. November 1967 (vgl. LGBl. 23/1967) statt. Gemäß §16 Abs1 der Bgld. Gemeindeordnung, LGBl. 37/1965, betrug die Funktionsdauer der Bgld. Gemeinderäte zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des GStrVG fünf Jahre. Die Antragsteller hätten also spätestens mit 5. November 1972 ihre auf die erwähnte Wahl rückführbare Funktion als Mitglieder des Gemeinderates der Gemeinde Edelstal verloren, auch wenn die bekämpfte Gesetzesbestimmung nicht erlassen worden wäre. Das passive Wahlrecht schließt nur das Recht in sich, für die ganze Wahlperiode gewählt zu bleiben (vgl. zB VfSlg. 8385/1978). Ein subjektives Recht auf Bestand der Gemeinde Edelstal und damit auf Wiederwahl in deren Gemeinderat stand den Antragstellern niemals zu (vgl. VfSlg. 6697/1972, S 288 f.).

Würde also §3 Z1 GStrVG aufgehoben, träte für die Rechtsposition der Antragsteller keinerlei Änderung ein.

d) Der Antrag war daher mangels Antragslegitimation der Einschreiter zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Gegenstandslosigkeit, VfGH / Individualantrag, Wahlrecht passives, Gemeinderecht Zusammenlegung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:G22.1979

Dokumentnummer

JFT_10189486_79G00022_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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