TE Vfgh Beschluss 1981/10/9 B59/77

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Veröffentlicht am 09.10.1981
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG-Nov 1974 ArtVI Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Instanzenzugserschöpfung
VfGG §19 Abs3 Z1 lita
VfGG §82 Abs1
WRG 1959 §8
WRG 1959 §12 Abs2
WRG 1959 §102 Abs3

Leitsatz

B-VG-Novelle 1974; zum Inhalt und Zweck des ArtVI Abs2

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. In der vorliegenden Rechtssache wurde, gestützt auf das Wasserrechtsgesetz 1959 - WRG 1959, BGBl. 215/1959, in erster Instanz der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt vom 23. März 1976 erlassen. Über die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin hat der Landeshauptmann von Ktn. mit Bescheid vom 14. Dezember 1976 (zugestellt am 29. Dezember 1976) entschieden. Entsprechend der Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides hat die Beschwerdeführerin am 11. Jänner 1977 (am 12. Jänner 1977 zur Post gegeben und am 13. Jänner 1977 bei der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt eingelangt) Berufung erhoben.

Auf Grund eines Hinweises des Landeshauptmannes von Ktn. auf Art103 Abs4 B-VG idF der Bundes-Verfassungsgesetznovelle 1974, BGBl. 444/1974, (im folgenden B-VGN 1974), hat die Beschwerdeführerin "aus Vorsichtsgründen" gegen den Bescheid des Landeshauptmannes, gestützt auf Art144 B-VG, Beschwerde an den VfGH erhoben. Die Beschwerde richtet sich auch gegen den erstinstanzlichen Bescheid. Der Beschwerdeantrag geht dahin, die angefochtenen Bescheide kostenpflichtig aufzuheben und zu erkennen, daß die Beschwerdeführerin "durch die Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt als Wasserrechtsbehörde vom 23. März 1976 und den angefochtenen Bescheid des Amtes der Ktn. Landesregierung vom 14. Dezember 1976, Z 8Wa-99/24/76, in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde".

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Soweit sich die Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt richtet, war sie von vornherein unzulässig, da der Bescheid einer Unterinstanz nicht Gegenstand einer Beschwerde an den VfGH sein kann.

Aus Art144 Abs1 B-VG idF BGBl. 302/1975 (und §82 VerfGG 1953 idF BGBl. 311/1976) ist zu folgern, daß immer nur der Bescheid der nach der gesetzlichen Ordnung des administrativen Instanzenzuges im einzelnen Fall in Betracht kommenden höchsten Verwaltungsbehörde angefochten werden kann. Die in Instanzen gegliederte Behörde bildet eine durch den ordentlichen Rechtsmittelgang verbundene Einheit, und erst dann, wenn die letzte Instanz im ordentlichen Rechtsmittelzuge angerufen wurde, läßt sich von einem Bescheid der Verwaltungsbehörde iS der Auffassung des Art144 B-VG und §82 VerfGG 1953 sprechen (VfSlg. 1372/1931, 1564/1947, 1796/1949, 4638/1964, 7553/1975).

Die Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid war daher gemäß §19 Abs3 Z1 lita VerfGG 1953 idF BGBl. 185/1964 wegen offenbarer Nichtzuständigkeit des VfGH als unzulässig zurückzuweisen.

2. Ob die Beschwerde gegen den zweitinstanzlichen Bescheid des Landeshauptmannes von Ktn. zulässig ist, hängt davon ab, wie ArtVI Abs2 B-VGN 1974 zu verstehen ist.

a) Durch die B-VGN 1974 wurde Art103 Abs4 B-VG ua. dahin geändert, daß in den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung der administrative Instanzenzug, sofern der Landeshauptmann als Rechtsmittelbehörde zu entscheiden hat und nicht durch Bundesgesetze ausnahmsweise auf Grund der Bedeutung der Angelegenheit ausdrücklich anderes bestimmt ist, beim Landeshauptmann endet. Eine für den vorliegenden Fall geltende ausnahmsweise bundesgesetzliche Bestimmung besteht nicht.

Gemäß der Übergangsbestimmung des ArtVI Abs1 B-VGN 1974 bleibt die bis zum 1. Jänner 1975 geltende Rechtslage bis zum 1. Jänner 1977 aufrecht: in jenen in mittelbarer Bundesverwaltung geführten Angelegenheiten, in denen der Landeshauptmann als Rechtsmittelbehörde zu entscheiden hat, der Instanzenzug aber bis zum zuständigen Bundesminister geht. Bei dem vorliegenden Fall handelt es sich um eine solche Angelegenheit; da das WRG 1959 für einen Fall dieser Art eine Abkürzung des Instanzenzuges nicht vorgesehen hat, ist zufolge des Art103 Abs4 B-VG idF vor der B-VGN 1974 der Instanzenzug bis zum Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft eröffnet gewesen.

Eine über den 1. Jänner 1977 hinausreichende Geltung der bisherigen Bestimmungen ist in ArtVI Abs2 B-VGN 1974 verfügt, wonach für am 1. Jänner 1977 anhängige Rechtsmittelverfahren hinsichtlich der Regelung des Instanzenzuges jene Bestimmungen gelten, die bis zu diesem Zeitpunkt in Kraft waren.

b) Beide Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes haben sich mit der Auslegung des ArtVI Abs2 B-VGN 1974, (allerdings unter dem Aspekt, ob sich die Worte "anhängige Rechtsmittelverfahren" auf Rechtsmittelverfahren in jeder Instanz oder nur in der Landesinstanz beziehen) schon wiederholt befaßt.

Der VwGH hat zunächst keine einheitliche Rechtsauffassung vertreten (zB im ersten Sinn Beschl. 18. 5. 1977 Z 999, 1000/77, im zweiten Sinn Erk. 23. 2. 1978 Z 1481, 1482/77), bis er im Erk. eines verst. Senates vom 1. 2. 1979 Z 1061, 1381/78, VwSlg. 9759 A/1979, die zweitgenannte einschränkende Auffassung nicht mehr aufrecht erhalten hat und seither bei dieser Rechtsanschauung geblieben ist.

Der VfGH hat sich der vom verstärkten Senat des VwGH vertretenen Auffassung im Ergebnis und in der Begründung angeschlossen (VfSlg. 8599/1979) und hat diese Auffassung beibehalten.

Im Erk. VwSlg. 9759 A/1979 hat der VwGH auch auf den Zweck des ArtVI Abs2 B-VGN 1974 hingewiesen, der vom VwGH in der durch diese Bestimmung zu gewährleistenden Rechtssicherheit verstanden wird, wonach also "der Instanzenzug der Verwaltung unter jenen rechtlichen Voraussetzungen zu Ende geführt werden (soll), unter deren Geltung und im Vertrauen auf diese die Partei als Rechtsmittelwerber in den Instanzenzug eingetreten ist".

Aus dieser Überlegung, der der VfGH schon im Erk. VfSlg. 8599/1979 ausdrücklich beigetreten ist, kommt der VfGH zu der Auffassung, daß auch in einem Fall wie dem vorliegenden am 1. Jänner 1977 ein Rechtsmittelverfahren iS des ArtVI Abs2 B-VGN 1974 anhängig gewesen ist. Die Frist für ein Rechtsmittel gegen den am 29. Dezember 1976 zugestellten zweitinstanzlichen Bescheid des Landeshauptmannes von Ktn. stand am 1. Jänner 1977 erst am Beginn ihres Laufes. Die Partei durfte darauf vertrauen, daß der Instanzenzug unter den Voraussetzungen zu Ende geführt wird, unter denen sie durch ihre Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid den Instanzenzug begonnen hat.

Die Beschwerdeführerin hat auch entsprechend der in dem zweitinstanzlichen Bescheid des Landeshauptmannes enthaltenen Rechtsmittelbelehrung Berufung erhoben, die - wie in der öffentlichen mündlichen Verhandlung festgestellt wurde - noch unerledigt ist.

Gegen den zweitinstanzlichen Bescheid des Landeshauptmannes von Ktn. war somit noch der Instanzenzug an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft gegeben. Gemäß Art144 Abs1 B-VG idF BGBl. 302/1975 kann die Beschwerde aber erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges erhoben werden. Die Nichterschöpfung des Instanzenzuges ist für den VfGH als ein Unzuständigkeitsgrund anzusehen (VfSlg. 3305/1958, 6513/1971). Es war daher die Beschwerde auch gegen diesen Bescheid wegen Nichtzuständigkeit des VfGH zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Instanzenzugserschöpfung, Wasserrecht, Wasserbenutzung, Gemeingebrauch (Wasserrecht), Feststellungsbescheid

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B59.1977

Dokumentnummer

JFT_10188991_77B00059_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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