TE Vfgh Erkenntnis 1981/10/17 B440/78

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.10.1981
beobachten
merken

Index

96 Straßenbau
96/01 Bundesstraßengesetz 1971

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
StGG Art5
BStG 1971 §4 Abs1
BStG 1971 §4 Abs5
BStG 1971 §7
BStG 1971 §20 Abs1 erster Satz
TrassenV, BGBl 151/1977, betreffend die Bestimmung des Straßenverlaufes der S 9 Innviertler Schnellstraße im Bereich der Stadtgemeinde Braunau am Inn

Leitsatz

Bundesstraßengesetz 1971; keine Bedenken gegen §4 Abs1; keine Bedenken gegen die Verordnung des Bundesministers für Bauten und Technik, BGBl. 151/1977; keine denkunmögliche Anwendung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von OÖ vom 12. Dezember 1977 wurde auf Antrag des Bundes - Bundesstraßenverwaltung gemäß §17 und §20 Abs1 des Bundesstraßengesetzes 1971, BGBl. 286, idF BGBl. 239/1975 (im folgenden BStG) iVm den einschlägigen Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. 71/1954, für den Ausbau der S 9 Innviertler Schnellstraße im Baulos "Innbrücke Braunau" eine Fläche im Ausmaß von 3.760 Quadratmeter aus dem im Eigentum der Beschwerdeführer stehenden Grundstück 1025/9 KG R. durch Enteignung in Anspruch genommen. Der Verlauf der genannten Bundesstraße war im Bereich der Stadtgemeinde Braunau am Inn mit der Verordnung des Bundesministers für Bauten und Technik vom 21. März 1977, BGBl. 151, bestimmt worden.

Die gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von den Beschwerdeführern erhobene Berufung hat der Bundesminister für Bauten und Technik mit dem Bescheid vom 20. Juni 1978 gemäß §66 Abs4 AVG 1950 als unbegründet abgewiesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. Die Beschwerdeführer behaupten, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden zu sein. Sie stellen den Antrag, den Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Gemäß §4 Abs1 BStG hat der Bundesminister für Bauten und Technik durch Verordnung im Rahmen der (einen Bestandteil des Gesetzes bildenden) Verzeichnisse unter Bedachtnahme auf die gefahrlose Benützbarkeit der Straße (§7) und die Wirtschaftlichkeit der Bauausführung (§20 Abs1 erster Satz) nach den Erfordernissen des Verkehrs und der funktionellen Bedeutung des Straßenzuges den Straßenverlauf zu bestimmen.

Daß die angeführten gesetzlichen Bestimmungen verfassungsrechtlich unbedenklich sind, hat der VfGH wiederholt ausgesprochen (vgl. VfSlg. 8592/1979 und die angeführten Vorerkenntnisse).

2. Die Beschwerdeführer bringen vor, daß sie sich durch die Enteignung des Grundstückes 1025/9 im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums "insbesondere deshalb verletzt fühlen, weil das Enteignungsverfahren auf Grund der mit der erwähnten Verordnung vom 21. 3. 1977, BGBl. Nr. 151/1977, bindend festgelegten Linienführung lediglich einen Formalakt darstellt und zur Enteignung bzw. Grundabtretung dem Grunde nach keinerlei Möglichkeiten mehr offenstehen".

Zu diesem Vorbringen ist darauf hinzuweisen, daß im Verfahren vor dem VfGH die Enteignung damit bekämpft werden kann, daß die Gesetzwidrigkeit der den Straßenverlauf bestimmenden Verordnung in bezug auf die Trassenführung geltend gemacht wird (vgl. das bereits zit. Erk. VfSlg. 8592/1979).

Weiters wird in der Beschwerde ausgeführt, die Beschwerdeführer seien "vor Festlegung der Trassierung bzw. Erlaß der oben angeführten Verordnung ... in keiner Weise verständigt worden", sodaß ihnen die Möglichkeit genommen worden sei, "auf die Trassierung und Linienführung der geplanten Innviertler Schnellstraße S 9 entsprechenden Einfluß zu nehmen".

Damit machen die Beschwerdeführer geltend, daß die Verordnung BGBl. 151/1977 nicht der Vorschrift des §4 Abs5 BStG entsprechend zustande gekommen sei. Dieses Vorbringen der Beschwerdeführer ist aber aktenwidrig. Nach den vorgelegten Verwaltungsakten sind die Planunterlagen für die Festlegung des Trassenverlaufes der S 9 im Bereich der Stadtgemeinde Braunau am Inn durch sechs Wochen (8. November bis einschließlich 20. Dezember 1976) in der Stadtgemeinde Braunau am Inn zur öffentlichen Einsicht aufgelegt worden. Die Auflage der Planunterlagen ist in der Ausgabe der Wiener Zeitung am 3. November 1976 veröffentlicht und durch öffentlichen Anschlag an der Amtstafel des Rathauses der Stadtgemeinde Braunau am Inn innerhalb der angeführten Frist kundgemacht worden. Demnach ist das Verfahren zur Erlassung der Verordnung BGBl. 151/1977 nach den Bestimmungen des §4 Abs5 BStG durchgeführt worden.

Die Beschwerdeführer haben von der in der angeführten Gesetzesbestimmung vorgesehenen Möglichkeit zur Abgabe einer schriftlichen Äußerung Gebrauch gemacht. Allerdings haben sie dabei lediglich zu einem Straßenabschnitt, der nicht Gegenstand des Entwurfes der Verordnung BGBl. 151/1977 war, Stellung genommen.

Unter Hinweis auf ihr Vorbringen in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid wird in der Beschwerde des weiteren ausgeführt, daß die Beschwerdeführer bereits vor zehn Jahren gezwungen gewesen seien, große Grundflächen für den Bau der Braunauer Umfahrungsstraße abzutreten, was zu einer Ablösung der gesamten Liegenschaft geführt habe. Die Beschwerdeführer hätten sich dann eine neue Existenzgrundlage aufgebaut. "Bei etwas vorausschauender Planung und Koordination hätte es im Jahre 1974, dem Jahr, in dem" sie "die Baubewilligung für den Neubau" erhalten hätten, "klar sein müssen, daß durch die neuen landwirtschaftlichen Grundstücke" der "Liegenschaft der Beschwerdeführer der Bau der Innviertler Schnellstraße erfolgen würde". Nunmehr würden die Beschwerdeführer wieder vor vollendete Tatsachen gestellt, es drohe bei der derzeit vorgesehenen Trassierung der Innviertler Schnellstraße beim zukünftigen Enteignungsverfahren der Verlust von so großen Grundstücksteilen, daß die Beschwerdeführer vor demselben Problem stünden wie vor zehn Jahren, "nämlich daß mit einer auf ca. 18 Joch verkleinerten landwirtschaftlichen Liegenschaft ein Vollerwerbsbetrieb nicht mehr geführt werden" könne.

Aus diesem Vorbringen ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, daß der Trassenverlauf der S 9 im Bereich der Stadtgemeinde Braunau am Inn, der sich allein auf das Grundstück 1025/9 und nicht auf den übrigen Liegenschaftsbesitz der Beschwerdeführer bezieht, in der Verordnung BGBl. 151/1977 in Widerspruch zu den gesetzlichen Erfordernissen des §4 Abs1 BStG festgelegt worden wäre. Dazu kommt, daß - wie aus der vom Landeshauptmann von OÖ für die Bundesstraßenverwaltung erstatteten Gegenschrift hervorgeht - für die Festlegung des Verlaufes der S 9 in dem angeführten Bereich auch die in einem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich vorgesehene Errichtung eines Grenzüberganges und damit im Zusammenhang einer neuen Innbrücke bestimmend war. Gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung BGBl. 151/1977 bestehen keine Bedenken.

4. Bei der verfassungsgesetzlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides würde dieser das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur verletzen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. zB VfSlg. 8266/1978).

Der Vorwurf der denkunmöglichen Gesetzesanwendung bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides wird in der Beschwerde nicht erhoben. Im Verfahren vor dem VfGH hat sich kein Umstand ergeben, aus dem auf eine denkunmögliche Gesetzesanwendung durch die belangte Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides geschlossen werden könnte.

Die Beschwerdeführer sind im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nicht verletzt worden.

5. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes ist von den Beschwerdeführern nicht behauptet worden und im Verfahren vor dem VfGH nicht hervorgekommen. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides sind die Beschwerdeführer auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Straßenverwaltung, Enteignung, Trassierungsverordnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B440.1978

Dokumentnummer

JFT_10188983_78B00440_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten